Die "Uber-Files" bringen neue Erkenntnisse darüber ans Licht, wie sich Uber den Weg in den europäischen Taximarkt freigemacht hat und welche Rolle Politiker dabei spielten.

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Was macht ein aufsteigendes Unternehmen aus dem Silicon Valley ohne große moralische Skrupel, das dank Investoren hunderte Millionen Körberlgeld zu Verfügung hat, aber mit seinem neuen Produkt überall auf der Welt die etablierten Platzhirsche gegen sich aufbringt? Richtig: Es nutzt das Geld, um sich Netzwerk an Helfern und Lobbyisten zu schaffen und kämpft gegen die Platzhirsche mit allen möglichen erlaubten und zweifelhaften Methoden.

Das ist im kurzen die Geschichte, die im Rahmen der sogenannten Uber-Files erzählt wird, die am Sonntag von weltweit zahlreichen Medien, darunter dem "Guardian", "Profil" und der "Süddeutschen" veröffentlich worden sind. Dem "Guardian" wurde 124.000 Dokumente, darunter E-Mails, interne Berichte aus dem Unternehmen, aber auch SMS-Nachrichten diverser hochrangiger Uber-Mitarbeiter zugespielt. Der "Guardian" hat diese Daten mit Medien Netzwerk geteilt, in dessen Rahmen die Panama-Papers und andere Steuerskandale aufgedeckt wurden, koordiniert wurde das im Rahmen des International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).

Lobbyismus im Fokus

Die Daten beziehen sich auf den Zeitraum 2013 bis 2017, als noch Uber-Mitbegründer Travis Kalanick als CEO des Unternehmens fungierte, und zeigen, wie Uber in diversen Ländern, darunter Deutschland, Frankreich, Indien, aber auch Österreich, begann, Fuß zu fassen.

Im Gegensatz zu früheren Enthüllungen des ICIJ geht es hier nicht um illegale Machenschaften wie Steuerhinterziehung und Gesetzesbruch, sondern eher Hinterzimmer-Lobbyismus. Ein Teil der veröffentlichten Daten zeigt etwa, wie Frankreichs heutiger Staatschef Emmanuel Macron, damals Wirtschaftsminister seines Landes, für Ubers Interessen in den Jahren 2014 bis 2016 interveniert haben soll. Mehr als 50 Anrufe sind verzeichnet zwischen Macron und Uber-Vertretern in Europa.

SMS an Macron

So soll sich Macron etwa dafür stark gemacht haben, das Verbot des wichtigsten Uber-Angebots, Uber-X, in Marseille aufzuheben. "Herr Minister, wir sind entsetzt", tippte ein Uber-Lobbyist am Abend des 21. Oktober 2015 auf Französisch in sein Handy, wie das "Profil" schreibt. "Könnten Sie Ihr Kabinett veranlassen und uns dabei helfen zu verstehen, was vorgeht?" Macron antwortete bald darauf: "Ich werde mir das persönlich ansehen."

Wie auch der "Guardian" schreibt, sei das Verbot des Uber-Dienstes tatsächlich kurz darauf in Marseille aufgehoben worden. Das aufsteigende US-Unternehmen passte zu Macrons Image, der sich als Wirtschaftsminister modern geben wollte.

Die Daten offenbaren auch ein Treffen zwischen dem damaligen US-Vizepräsidenten Joe Biden und Uber-Chef Kalanick am Rande des Weltwirtschaftsgipfels in Davos. Kalanick beschwerte sich in SMS darüber, dass Biden ihn warten lasse, und Biden lobte danach den Fahrtenanbieter – ohne diesen beim Namen zu nennen –, weil er so viele Jobs schaffe.

EU-Kommissarin verwickelt

Auf EU-Ebene sicherte sich Uber dem Bericht zufolge die Unterstützung der EU-Kommissarin für Digitales, Neelie Kroes. Die Niederländerin übernahm nach ihrem Ausscheiden in Brüssel 2014 und nach Ablauf einer durch die Kommission auferlegten 18-monatigen Karenzzeit einen üppig bezahlten Beraterjob bei dem US-Unternehmen.

Unterlagen aus dem Datenleck legen allerdings nahe, dass es schon während der Karenzzeit im Zusammenhang einer Polizeirazzia gegen Uber in Amsterdam im März 2015 Kontakt zwischen Kroes und Uber gab. Das Unternehmen war demnach höchst erpicht darauf, dies geheim zu halten. Es bestehe das Risiko, dass sich an Kroes eine Debatte über "die politische Drehtür und über Günstlingswirtschaft" entzünde, hieß es den Medien zufolge in einer unternehmensinternen Mail.

Der "kill switch"

Ebenfalls in den Dokumenten finden sich Hinweise auf den Einsatz einer "kill switch"-Software. Das war offenbar ein Programm, mit dem Uber-Büros die Software-Verbindung zu Hauptservern unterbrechen konnten, und zwar dann, wenn Razzien bevorstanden. Uber hatte immer wieder Probleme mit regionalen Behörden. Auch das eine Folge des Kampfes, den die Taxiindustrie gegen Uber geführt hat. Der "kill switch" soll in zwölf Ländern eingesetzt worden sein.

Auch zu Österreich gibt es Daten, dabei geht es unter anderen darum, wie Uber PR-Agenturen engagieren wollte. Das Unternehmen selbst reagierte, indem es von Fehlern in der Vergangenheit sprach, die inzwischen von der neuen Konzernführung korrigiert worden seien.

Uber war anfangs in europäischen Ländern auf massiven Widerstand und rechtliche Hürden gestoßen. Den Dokumenten zufolge veranschlagte der Konzern allein im Jahr 2016 ein Lobby-Budget in Höhe von 90 Millionen Euro, um diese auszuräumen. (szi, 10.7.2022)