Hochhäuser als Stromspeicher?
Foto: AP/ ANDRE PAIN

Strom insbesondere aus erneuerbaren Energiequellen hat einen Nachteil: Er lässt sich kaum in vernünftigen Mengen speichern. Superkondensatoren und Akkumulatoren sind kostspielig, verlustbehaftet und nicht gerade langlebig. In großem Maßstab werden aktuell hauptsächlich Pumpspeicherkraftwerken dafür eingesetzt, doch in städtischen Gebieten gibt es diese Option in aller Regel nicht. Viele aktuelle Forschungsprojekte haben zum Ziel, dieses Problem zu lösen.

Eines davon setzt auf autonome Gefährte, die große, mit nassem Sand beladene Container durch Hochhäuser kutschieren. Überschüssige Energie aus erneuerbaren Quellen könnte demnach dazu genutzt werden, Lasten über Aufzüge nach oben zu bringen, um sie beim Abwärtsfahren wieder nutzbar zu machen. Die "Lift Energy Storage Technology" (LEST) könne so als dringend benötigter Speicher dienen.

Container mit nassem Sand

Beim Übersiedeln in eine Wohnung im 14. Stockwerk ist Julian Hunt vom Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien seine Idee mit den Aufzügen im Zentrum gekommen. Im Fachmagazin "Energy" stellte er sie kürzlich mit Kollegen vor. Der Ansatz fußt darauf, die überschüssige Energie zu nutzen, indem mitunter selten genutzte Aufzüge Container mit sehr dichtem Material, wie nassem Sand in höhere Stockwerke von Hochhäusern hieven. Bei Strombedarf werden sie von autonomen Elektro-Fahrzeugen wieder in die Kabinen gebracht und fahren hinunter.

Die potenzielle Energie der hoch oben deponierten Gewichte würde dann über Bremssysteme genützt, über die die Energie des herabfahrenden Aufzugs zum großen Teil wieder in "saubere und sichere Elektrizität" umgewandelt wird, schreiben die Autoren in der Arbeit. Solche Systeme seien in vielen Anlagen eingebaut.

Die Lift Energy Storage Technology (LEST) könnte im städtischen Bereich erneuerbare Energie speichern.
Grafik: IIASA/Hunt et al.

Bremsenergie wird zu Elektrizität

Sie könnten zwischen 66 und 76 Prozent der Bremsenergie in Elektrizität umwandeln. Neue, für smarte Aufzüge entwickelte sogenannte Permanentmagnet-Synchronmotoren kämen auf eine Effizienz nahe 92 Prozent, heißt es. Fahren die Lifte mit möglichst hoher Last hinunter, holt man entsprechend viel Strom aus dem "Speicher".

LEST sei interessant, da für die Umsetzung vorhandene Anlagen genützt werden könnten. Immerhin rund 18 Millionen davon gebe es weltweit. Allerdings braucht es für die Container viel Platz in den oberen und unteren Geschoßen der Gebäude. Hier kämen ungenutzte Büros oder Wohnungen sowie Gänge in Frage. Außerdem müsse man sich laut den Forschenden genau ansehen, wie viel Gewicht die oberen Stockwerke der Gebäude tragen können, ohne damit Schäden an der Bausubstanz zu riskieren.

Unklare Kostenfrage

Zur Umsetzung seien freilich noch einige Fragen zu klären, räumen die Forscher ein. Die Angaben zu den Kosten und dem Potenzial sind entsprechend vage: Eine Kilowattstunde LEST-Strom könnte demnach zwischen 21 und 128 Dollar (26 bis 119 Euro) kosten. Weltweit könnte man so zwischen 30 und 300 Gigawattstunden Strom erzeugen. (red, APA, 11.7.2022)