Urlaub unter der Glut: In Südeuropa sind Temperaturen nahe 40 Grad keine Seltenheit mehr.

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Wenn es ein perfektes Klima zum Urlauben gibt, dann wäre es wohl am Mittelmeer zu finden. Regen gibt es hier im Sommer kaum, dafür viele Sonnenstunden und heiße Tage und Abende – aber eben nicht zu heiß. Meteorologinnen und Meteorologen nennen es auch das warmgemäßigte Klima.

Doch gemäßigt ist dort seit ein paar Jahren nichts mehr. Norditalien wird derzeit von einer beispiellosen Dürre heimgesucht. In Griechenland und der Türkei lodern Waldbrände. Die Adria: eine 28 Grad warme Badewanne.

Unwiderlegbar ist, dass diese Veränderungen mit dem Klimawandel zu tun haben. In seinem aktuellsten Bericht warnte der Weltklimarat IPCC bereits davor, dass die Mittelmeerregion zu einem "Hotspot" der globalen Erhitzung werden könnte. Die Temperaturen steigen dort um rund 20 Prozent schneller als im globalen Durchschnitt.

Zu heiß für Erholung

Das wird am Tourismus nicht spurlos vorübergehen, heißt es in einem Bericht von McKinsey aus dem Jahr 2020. Der Tourismus macht im Durchschnitt 15 Prozent des BIPs der Mittelmeerländer aus. Oft ist er auf einige wenige Hochburgen konzentriert: So zieht etwa Antalya jährlich mehr als zehn Millionen Besucher und damit rund 30 Prozent aller Türkei-Urlauber an. Doch dort könnte es schon bald unerträglich heiß werden: Rund 15 zusätzliche Tage über 37 Grad Celsius prognostizieren Forschende bis 2030 und über 30 bis zur Mitte des Jahrhunderts.

"Den Tourismus, wie wir ihn heute kennen, wird es einfach nicht mehr geben", ist Oliver Fritz, Tourismusexperte am Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) überzeugt. Er glaubt zwar, dass es einen Gewöhnungseffekt geben wird und sich Urlaubende mit höheren Temperaturen arrangieren werden. So wie man sich in Österreich eben daran gewöhnt hat, auf einem weißen Band inmitten schneeloser Hänge Ski zu fahren – "weil man eben nichts anderes mehr kennt". Doch irgendwann sei es auch mit der zusätzlichen Toleranz vorbei – auch weil die extreme Hitze für den menschlichen Körper gefährlich wird.

Urlaubern könnte es am Mittelmeer künftig zu heiß werden.
Foto: EPA/Made Nagi

Mehr Hitzetote

2050 könnten allein in der nördlichen Mittelmeerregion, also an Europas Südküsten, um bis zu 93 Millionen Menschen mehr gefährlicher Hitze ausgesetzt sein als heute, schreibt der Weltklimarat in seinem Sachstandsbericht. Sollte die Welt auf ein Drei-Grad-Szenario zusteuern, könnten in der Region sechsmal so viele Menschen den Hitzetod sterben wie derzeit.

Anpassungsoptionen gibt es laut Fritz nur wenige. Denn während sich die Temperaturen in Innenräumen etwa mit Klimaanlagen einigermaßen kompensieren lassen, geht das draußen weniger einfach. Ohnehin hat niemand Lust, den Tag im klimatisierten Hotel zu verbringen – und sei es noch so gut. "Der Wettbewerbsfaktor für die Mittelmeerländer sind der Strand und das Meer", sagt Fritz.

Tropisches Mittelmeer

Auch dem Meer selbst setzt die Hitze zu. Biologinnen und Biologen sprechen bereits von einer "Tropisierung" des Mittelmeers: Es wird zunehmend nicht mehr von heimischen, sondern tropischen Arten bevölkert. Diese dringen zwar schon einige Zeit, etwa über den Suezkanal, ins Mittelmeer ein – doch lange war es ihnen zu kalt.

Eine der Arten, die am meisten Schaden anrichtet, ist der indische Rotfeuerfisch. Dieser hat zwar das Potenzial zur zukünftigen Schnorchelattraktion, breitet sich mangels Feinden aber unkontrolliert aus und ernährt sich hauptsächlich von heimischen Fischen, die sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich wertvoll sind.

Schön anzusehen, aber giftig und invasiv: Der indische Rotfeuerfisch (Pterois miles).
Foto: AFP/IBRAHIM CHALHOUB

Quallen statt Planschen

Auch auf Quallenplagen muss man sich einstellen. Diese gab es zwar schon immer – doch aufgrund des Klimawandels werden sie immer häufiger und länger, denn die hohen Wassertemperaturen machen das Mittelmeer auch für invasive Quallenarten attraktiver. Dazu kommen Düngerüberschüsse, die über Flüsse ins Meer eingetragen werden und "tote Zonen" entstehen lassen, die von kaum etwas anderem als Algen und Quallen bevölkert werden. Haie und Thunfische, die natürlichen Feinde der Quallen, findet man im Mittelmeer ebenso immer seltener.

Das wirkt sich auch auf die Speisekarte aus: Dort könnten in Zukunft weniger lokal gefangene Fische und Meeresfrüchte stehen – und auch andere mediterrane Spezialitäten werden rar. Selbst wenn sich die Erde um nur 1,5 Grad, also innerhalb der Pariser Klimaziele, erwärmt, könnte die Olivenernte laut Weltklimarat um bis zu 21 Prozent einbrechen. Mediterrane Weine, viele von ihnen weltbekannt, werden ihren Geschmack verlieren – sofern sie überhaupt noch gedeihen.

Quallenplagen, wie hier in Triest im April 2021, werden sich aufgrund der Klimakrise häufen.
Foto: Reuters/Lorenzo Zuffi

Versinkende Schätze

Doch selbst wer weder wegen der Strände noch aufgrund der Kulinarik am Mittelmeer urlaubt, wird die Auswirkungen der Klimakrise spüren: Laut Weltklimarat werden im Jahr 2100 nämlich 47 von 49 Weltkulturerbestätten von steigendem Meeresspiegel und Erosion gefährdet sein. Die "Tropisierung" der Mittelmeerregion betrifft auch Krankheitsüberträger, die sich im neuen mediterranen Klima besonders wohlfühlen: Der IPCC warnt etwa, dass das Dengue-Fieber oder das West-Nil-Virus auch in Südeuropa zum Problem werden könnten.

Tourismusexperte Fritz glaubt, dass die Hauptsaison künftig nach vorn und hinten in weniger heiße Jahreszeiten verlängert wird – sofern sich Touristen überhaupt noch für eine Reise ans Mittelmeer entscheiden. Denn aufgrund des Klimawandels werden auch nördlichere Gebiete attraktiver für den Sommertourismus. Dort könnten künftig gemäßigtere Temperaturen herrschen – wie damals am Mittelmeer. (Philip Pramer, 13.7.2022)