Michael Mittermeier ist ein großer Fan von Wolfgang Ambros: "Heit drah i mi wirkli ham."
Foto: Reiner Riedler

Michael Mittermeier hat für beinahe jede Lebenslage eine passende Anekdote aus einer TV-Serie parat. "Love Island" hält er für die wohl härteste Droge unter den TV-Programmen. Er wünscht sich eine Neuauflage von "Ein Schloss am Wörthersee", allerdings mit Nicolas Ofczarek in der Hauptrolle. Im Rahmen der Festwochen Gmunden trat Mittermeier am Ufer des Traunsees im Toscanapark auf, mit einer Jubiläumsausgabe seines Kultprogramms "Zapped".

STANDARD: Wie hat Ihnen die Serie "Schlosshotel Orth" gefallen?

Mittermeier: Ich kenne sie nicht, wahrscheinlich weil "Ein Schloss am Wörthersee" bei mir alles überstrahlt hat. Roy Black hätte hier herkommen müssen, das schaut ja viel geiler aus!

STANDARD: Warum sind Serien aus der Provinz beliebt?

Mittermeier: Es ist wie beim "Traumschiff": Für viele Menschen sind das Sehnsuchtsorte. Nebenbei gibt es halt ein paar Leute, die Text sprechen. Im besten Fall auswendig. Das ist aber nicht so wichtig. Es hat etwas von einer heilen Welt. Es sei denn, du schickst den Nicolas Ofczarek her. Dann werden wohl ein paar Leute auf schlimmste Art und Weise ermordet.

STANDARD: ... wie in "Der Pass".

Mittermeier: Eine grandiose Serie, als alter Ambros-Fan bin ich umgefallen. Dass die Produzenten mit seinen nicht naheliegendsten Liedern daherkommen, dafür sag ich Danke. Heit drah i mi wirkli ham.

STANDARD: Bereiten Sie sich auf einen Auftritt in der Provinz anders vor als im großen Stadion?

Mittermeier: Früher habe ich das öfter gemacht. Heute baue ich gerne lokale Dinge ein, die ich irgendwo aufschnappe. Wenn ich den Leuten am Traunsee sage, dass ich das letzte Mal nach Argentinien reisen musste, um einen solch schönen Ort zu sehen, freuen sie sich. Aber wenn eine Show gut ist, funktioniert sie überall.

STANDARD: Großstadt-Bashing funktioniert, oder?

Mittermeier: In Österreich kannst du ja jederzeit, egal wo, über Wien oder Salzburg schimpfen, und die Leute sind glücklich. Wenn ich in Wien jemandem erzähle, dass ich in Gmunden war, heißt es: "Du Oarmer, musstest mit der Kutsche fahren?" Ihr Österreicher roastet euch ziemlich gut, seit sehr langer Zeit schon.

STANDARD: Wie wichtig sind kleinere Orte für Comedians?

Mittermeier: Für neue Programme mache ich gerne Preview-Auftritte in kleinen Venues auf dem Land. Meistens dort, wo ich schon spielen durfte, als mich noch keiner kannte. Vor allem im Bayern der 80er- und 90er-Jahre gab es hunderte Kleinkunstbühnen. Jede Kneipe bot Kleinkunst und Musik. Das war meine Chance. Wenn ich spielen wollte, musste ich gleich für 90 Minuten. Ich sagte, ich hätte ein supertolles Programm, und habe improvisiert. Irgendwie ging's gut.

STANDARD: Haben Sie Spaß an Auftritten nach der Corona-Pause?

Mittermeier: Nach einer Zeit ging mir das Spielen ab. Damit meine ich nicht den Applaus. Spielen ist ein großer Teil meines Lebens, das, was ich am besten kann. Es hat wehgetan, nicht auftreten zu können. Die ersten zwei Monate habe ich gar nichts gemacht. Und dann spielte ich alles, was nicht bei drei auf dem Baum war: Autokino, Strandkörbe, Picknickkonzerte.

STANDARD: Wie ist es gelaufen?

Mittermeier: Ich sah es als Challenge, schrieb ein komplett neues Programm. Ich sah mir etwa alle Autofilme an, die es gibt. Ich spielte in einem Fußballstadion, wo Leute in Parzellen auf Decken und Klappstühlen gelegen sind, mit eineinhalb Meter Abstand. Im Autokino musste ich die Windschutzscheibe, eine gefühlte Trennwand, energetisch überbrücken. Früher haben wir dort nur gepoppt, das war meine größte Angst, dass sie das auch bei mir tun. Es war gewagt, aber wer wagt, gewinnt.

STANDARD: Wie gingen Sie damit um, nach Kriegsausbruch in der Ukraine aufzutreten?

Mittermeier: Ich hatte nie den Gedanken, nicht spielen zu wollen. Aber insgesamt gibt es so viel Leid und Wahnsinn, das muss man erst einmal verarbeiten. "Jetzt ist schon wieder etwas passiert", würde Wolf Haas schreiben. Irgendwas ist immer. Wenn ich es nicht schaffe, das alles in Humor umzumünzen, habe ich den falschen Job.

STANDARD: Wie gelingt Ihnen das in Bezug auf den Krieg?

Mittermeier: Ich denke mir: Wenn Putin an seinem ewig langen weißen Tisch sitzt, warte ich auf den Moment, an dem er eine weiße Angorakatze rausholt, sie streichelt und sagt: "Guten Tag, Mr. Bond!" Diese Geschichten haben die Leute lustig gefunden. Sie bekommen einen Einstieg, dann kann man in der Gangart härter werden. Da geht nicht jeder mit, aber das ist okay, es muss nicht jeder über alles lachen. Aber scheinbar habe ich nach wie vor die Fähigkeit, lustige Nummern aus dem zu machen, was gerade passiert.

Für Veranstalter in der Kleinkunst befürchtet Mittermeier ein schwieriges Jahr: "Für den Herbst schaut es traurig aus."
Foto: Reiner Riedler

STANDARD: Die Inflation wird auch Auswirkungen auf die Kultur haben. Machen Sie sich Sorgen, dass die Menschen auf einen Kabarettbesuch verzichten müssen?

Mittermeier: Das ist schon der Fall. Für viele Veranstalter wird das das schlimmste Jahr werden. Für den Herbst schaut es traurig aus. Es wird auch so bleiben. Ich mache trotzdem ein neues Programm, ich kann ja schlecht sagen: Jetzt hör ich auf. Man wird sehen, wie viele Menschen dann kommen. Es werden weniger sein als im Normalzustand. Was schade ist, weil es die Leute so schätzen, wenn man sie zwei Stunden komplett rausreißt. Ich freue mich auf alle, die kommen.

STANDARD: "#13" soll Ihr "persönlichstes Programm ever" werden. Was erwartet Ihre Fans?

Mittermeier: Ich werde auch über Niederlagen sprechen, aber in völlig anderer Form. Ich gehe in die Ruinen von Moria. Wer weiß, was dort passiert ist, kann es sich vorstellen. Es müssen Dinge verarbeitet werden, die ich im Alltag nicht rausgelassen habe, die nur auf der Bühne existieren können. Abgesehen davon wird es ein Stand-up-Hammer.

STANDARD: Comedians sprechen immer häufiger über ihre mentale Gesundheit. Warum öffnen sich mehr und mehr Leute aus der Branche bei dem Thema?

Mittermeier: Ich denke, das ist ein üblicher Anteil wie in der ganzen Gesellschaft. Bei Comedians heißt es ja, wenn du traurig bist, kannst du nicht auf die Bühne gehen.

STANDARD: Das stimmt also nicht?

Mittermeier: Nein. Es kommt darauf an, wie du hochgehst. Du kannst Trauer auch wegspielen; wie bei einem Gitarristen. Bei uns heißt es ja, wir erzählen Witze und müssen lustig sein. Ich erzähle keine Witze, sondern Geschichten. Und du musst eine gewisse Tiefe mitbringen. Mentale Gesundheit wurde lange nicht thematisiert. Kurt Krömer erzählte ja von der Angst, abgestempelt zu werden, wenn er sich öffnet. Und Torsten Sträter war der Erste, der das so gut und offensiv thematisiert hat. Trotzdem war da nie eine Schwere auf der Bühne, er hat einfach daraus Humor gemacht. Ich muss noch mal Ambros zitieren: "Jeder gehört zu einer Minderheit, jedem geht etwas ab." Wenn du den Text heute schreiben würdest, würde jeder sagen, was für ein geiles Lied, das trifft den Zeitgeist.

STANDARD: Funktionieren harte Themen im Kabarett?

Mittermeier: In Deutschland und Österreich sind wir dunkle Themen auf der Bühne nicht so gewohnt wie etwa in Amerika. Beim Programm "Paranoid" hatte ich einen kompletten Publikumswechsel und wurde gefragt, ob ich spinne. Ich wollte kein "Zapped 2", "Zapped 3". Was mach ich denn dann bei "Zapped 7"? Spätestens da müsste ich dann in Therapie. Wobei ich liebend gerne über Fernsehen rede. Nichtsdestotrotz wollte ich das nicht zu meinem einzigen Steckenpferd machen. Sendungen wie zum Beispiel "Love Island" finde ich aber immer noch traumhaft.

Im Toscanapark trat Mittermeier mit dem Traunstein im Rücken bei den Festwochen Gmunden auf.
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STANDARD: Das müssen Sie uns erklären.

Mittermeier: Wenn "Bonanza" wie Kiffen ist, ist "Love Island" wie Crystal Meth. Du glaubst nicht mehr, was du siehst. Diese Dialoge hätte selbst Shakespeare nicht besser hinbekommen. Einen habe ich mir extra herausgeschrieben, ich kann ihn auswendig:

  • Hallo.
  • Hey.
  • Boah, du siehst so heiß aus.
  • Du siehst auch toll aus.
  • Mit dir kann man so gut reden.
  • Mit dir auch.

Und dann haben s' gschmust. Fucking awesome.

STANDARD: In Ihrem neuesten Buch treffen Sie einen Nerv der Zeit, schreiben über einige ältere TV-Serien. Warum feiern so viele alte Formate ein Revival?

Mittermeier: In dieser Zeit der Unsicherheit mögen die Leute wieder etwas Kuscheliges. "Wetten, dass…?" ist einfach eine Familienlagerfeuersendung. Vielleicht kommt ja "Ein Schloss am Wörthersee" wieder. Man müsste es aber mit einer abgründigen Besetzung machen. "Ein Schloss am Wörthersee" im Stil von "Braunschlag", das wär etwas. Mit Hoteldirektor Nicolas Ofczarek. (Lukas Zahrer aus Gmunden, 15.7.2022)