Unter Kanzler Sebastian Kurz und Finanzminister Hartwig Löger (beide ÖVP) sollte die Finanzmarktaufsicht radikal umgebaut werden. Der Koalitionspartner FPÖ und die OeNB-Spitze wurden ausgebremst.

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Das Ziel war klar: "Künftig soll die gesamte behördliche Aufsicht über den Finanzmarkt in der FMA gebündelt sein", das solle die Qualität von Bankenaufsicht, Bankenabwicklung und Einlagensicherung "langfristig sicherstellen" und zudem zu einer "einfacheren Organisation" der Aufsicht führen. Mit dieser "Kurzinformation" brachte das Finanzministerium unter Hartwig Löger (ÖVP) am 16. April 2019 den Gesetzesentwurf zur Aufsichtsreform ein, die Begutachtungsfrist lief dann bis 6. Mai. Keine zwei Wochen später war die Sache begraben: unter den Trümmern, die nach der Veröffentlichung des Ibiza-Videos von der türkis-blauen Koalitionsregierung übrigblieben.

Die Kanzlerpartei unter Sebastian Kurz wollte die bei FMA und Nationalbank (OeNB) angesiedelten Aufsichtsagenden bei der FMA zusammenführen und statt einem Zweier- einen Alleinvorstand einsetzen. Der langjährige rote FMA-Chef Helmut Ettl wäre per Gesetz abmontiert worden – das wurde aber erst öffentlich bekannt, als der Ministerialentwurf zum Gesetz eingebracht wurde. Türkise und Blaue gerieten sich bei ihren Umbauplänen wie berichtet in die Haare, die FPÖ fühlte sich über den Tisch gezogen, wie aus jüngst bekanntgewordenen Chats ersichtlich.

ÖVP zog die Strippen

Tatsächlich hielt das Finanzministerium die Fäden fest in der Hand, kommuniziert wurde intensiv – aber nur mit türkisen Parteifreunden, wie die SPÖ schon im Ibiza-U-Ausschuss konstatierte. Jedenfalls sei ihr nur türkis-türkise Kommunikation bekannt geworden, wie es damals hieß.

Tatsächlich wurde etwa der damalige, der ÖVP zuzuordnende FMA-Vorstandsdirektor Klaus Kumpfmüller frühzeitig in die Pläne zur Aufsichtsreform eingeweiht. Aus nun bekannt gewordenen Chats erhellt sich, dass er schon im Juni 2018 jenes "Positionspapier" bekam, das der damalige Erste-Group-Chef Andreas Treichl in seiner Rolle als Obmann der Bundessparte Banken und Versicherungen in der Wirtschaftskammer ausarbeiten ließ.

For Your Eyes Only

Bernhard Perner vom Finanzministerium hatte das von Sparten-Geschäftsführer Franz Rudorfer übermittelte Papier zu Vor- und Nachteilen einer Aufsichtszusammenführung bei OeNB oder FMA "mit einigen Anmerkungen" versehen an Rudorfer zurückgeschickt – und gleich auch FMA-Mann Kumpfmüller gemailt. Zwei Tage später bekam der von Rudorfer das Papier, "das Treichl nun (…) übergibt/-sendet" mit den vom Ministerium angeregten Änderungen, "ausschließlich für Dich zur Information".

Am 7. April 2019, neun Tage vor Einbringen des Ministerialentwurfs im Nationalrat, waren sich ÖVP und FPÖ noch immer nicht einig. OeNB-Gouverneur Holzmann (FPÖ) teilte Notenbankpräsident Harald Mahrer (ÖVP) und seiner Stellvertreterin Barbara Kolm (FPÖ) sowie den Direktoriumsmitgliedern (inklusive Thomas Steiner, der sein Amt freilich erst am 1. Mai angetreten hat) mit, dass er die revidierte Entwurfsversion erhalten habe. Die sei aber "ziemlich enttäuschend". Viel von dem, was man im Positionspapier diskutiert habe und "worüber wir (...) dann Einverständnis erzielt haben wurde nicht umgesetzt. Mein Optimismus (…) war nicht gerechtfertigt".

Zwist zwischen OeNB und Ministerium

Aus der Mail erschließt sich, dass FPÖ bzw. OeNB-Chef bis zuletzt mit einem FMA-Zweiervorstand gerechnet haben und mit fünf Exekutivdirektoren, drei für die ÖVP und zwei für die FPÖ. In einem Schreiben ans Finanzministerium gab Holzmann damals noch seiner Hoffnung auf "Fortschritte in der nächsten Revisionsrunde" Ausdruck – aber auch die wurde enttäuscht. Die ÖVP dachte gar nicht daran, von ihren Plänen abzugehen: Der Gesetzesentwurf sah den von ihr gewünschten Alleinvorstand sowie bloß drei Exekutivdirektoren vor. (Renate Graber, Fabian Schmid, 12.7.2022)