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Die weltgrößte Krypto-Börse Binance hat nach Reuters-Informationen trotz US-Sanktionen jahrelang Handelsgeschäfte für Kunden im Iran abgewickelt. In Interviews mit der Nachrichtenagentur Reuters erklärten sieben Händler, sie hätten das Verbot umgangen. Bis September hätten sie noch ihre Binance-Konten genutzt. Ihr Zugang sei erst verloren gegangen, als die Kryptobörse ihre Anti-Geldwäsche-Checks verschärft habe.

Bis zu diesem Punkt konnten den Händlern zufolge Kunden auf der Plattform handeln, indem sie sich lediglich mit einer E-Mail-Adresse registrierten.

Keine Alternative "so gut wie Binance"

Die USA hatten vor vier Jahren unter ihrem damaligen Präsidenten Donald Trump das Atomabkommen mit dem Iran von 2015 einseitig aufgekündigt. Daraufhin hielt sich auch der Iran nicht mehr an alle Auflagen der Vereinbarung. Mit dem Atomabkommen soll verhindert werden, dass der Iran Nuklearwaffen baut. Der Iran dementierte solche Absichten stets. Im November 2018 hatte Binance Händer im Iran informiert, dass ihnen nicht länger die Dienste zur Verfügung stünden. Sie sollten daher ihre Konten auflösen.

"Es gab einige Alternativen, aber keine davon war so gut wie Binance", sagte Asal Alizade, Händlerin in Teheran, über die Kryptobörse. Sie habe die Börse zwei Jahre lang bis September 2021 genutzt. "Es war keine Identitätsprüfung erforderlich, also nutzten wir sie alle." Pooria Fotoohi, der in Teheran lebt und nach eigenen Angaben einen Hedge-Fonds leitet, sagte, er habe Binance von 2017 bis September letzten Jahres verwendet. Binance habe die Iraner für sich wegen der einfachen "Know-Your-Customer"-Kontrollen überzeugt. Händler hätten mit Angabe einer E-Mail-Adresse einfach ein Konto eröffnen können.

Elf weitere Personen teilten auf ihren LinkedIn-Profilen mit, dass auch sie nach 2018 noch Kryptoassets gehandelt hätten. Keine der Personen antwortete allerdings auf Nachfragen. Innerhalb von Binance war die Popularität der Börse im Iran bekannt. Langjährige Angestellte wussten laut Mails, die sie einander 2019 und 2020 versandten, um die Beliebtheit der Börse im Iran.

Sekundärsanktionen möglich

Das Unternehmen selbst hielt sich bedeckt: Binance antwortete auf Fragen zum Iran nicht. In einem Blogbeitrag vom März, der in Reaktion auf die westlichen Sanktionen gegen Russland veröffentlicht wurde, hatte das Unternehmen unter anderem mitgeteilt, es halte sich streng an internationale Sanktionsregeln. Die iranische Vertretung bei den Vereinten Nationen in New York reagierte auf die Frage nach einer Stellungnahme nicht.

Die Kryptobörse, deren Holdinggesellschaft auf den Cayman Islands ihren Sitz hat, hat nach eigenen Angaben keine Firmenzentrale. Details zur Gesellschaft hinter der Hauptbörse Binance.com, die keine Kunden aus den USA akzeptiert, werden nicht genannt. US-Kunden werden vielmehr auf eine separate Plattform Binance.US verwiesen, die nach einer Pflichtmitteilung aus dem Jahr 2020 letztendlich von Binance-Gründer und Konzernchef Changpeng Zhao kontrolliert wird.

Aus Sicht von Anwälten hat diese Firmenstruktur zur Folge, dass Binance vor direkten US-Sanktionen geschützt ist, die Firmen aus dem USA verbieten, im Iran Geschäfte zu machen. Denn Händler im Iran nutzen die Hauptbörse von Binance, die jedoch kein US-Unternehmen ist. Binance geht Anwälten zufolge aber das Risiko sogenannter Sekundärsanktionen ein. Diese zielen darauf ab, zu verhindern, dass ausländische Firmen Geschäfte mit Gesellschaften eingehen, gegen die Sanktionen verhängt wurden, oder Iranern dabei helfen, das US-Handelsembargo zu umgehen. Solche Sanktionen können nicht nur den Ruf eines Unternehmens schädigen, sondern auch dazu führen, dass dieses den Zugang zum US-Finanzsystem verliert. (APA, 11.7.22)