EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola

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Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments (EP) sind bekannt dafür, politisch und moralisch hohe Maßstäbe anzulegen. Bei anderen. Gibt es Missstände bei Personalbesetzungen in der Kommission oder Budgetprobleme in anderen EU-Institutionen, sind die 705 Mandatare nicht zimperlich mit Empörung, Verurteilung und Resolutionen.

Fragwürdige politische Deals der Mitgliedsstaaten, zuletzt in der Klimapolitik, werden quer durch die Fraktionen in der Luft zerrissen. Als Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker 2018 seinen Kabinettschef Martin Selmayr zum Generalsekretär durchdrückte, gab es einen Untersuchungsausschuss.

Nun stehen die Parlamentarier und die erst im Jänner gewählte Präsidentin Roberta Metsola (EVP) im Verdacht, bei der Besetzung des neuen Generalsekretärs, der 8.000 Beamte verwaltet, selbst schmutzige Personaldeals durchzuziehen. Die Mehrheit der EU-Regierungen droht deshalb damit, das Budget des Parlaments zu blockieren. Das berichtet das Infoportal "Politico". Bei einem Treffen auf Botschafterebene werde das EP am Mittwoch mit seinen Wünschen nach mehr Geld und Beamtenposten auf Granit beißen.

Neue Generaldirektion

Das Budget macht derzeit mehr als zwei Milliarden Euro für den Normalbetrieb aus. Nach dem Willen des Präsidiums und der Quästoren im "Parlamentsbüro" soll eine neue Generaldirektion geschaffen werden (derzeit zwölf), um alle Parteiwünsche zu befriedigen. Konkret soll die Linksfraktion den Zuschlag für den neuen Chefinnenposten einer Direktion für "parlamentarische demokratische Kooperation" bekommen – und dafür stillhalten beim großen "Personalpaket".

Wie kam das? Im Zentrum der Postenschieberei steht Präsidentin Metsola von der größten Fraktion, den Christdemokraten (EVP). Ende des Jahres wird der Deutsche Klaus Welle den Posten des mächtigen Generalsekretärs nach mehr als einem Jahrzehnt räumen. Der EVPler soll durch Metsolas Kabinettschef, den Italiener Alessandro Chiochetti, ersetzt werden.

EVP, Liberale (RE) und Linksfraktion waren sich einig, dass der frühere Berlusconi-Mann den Job bekommen soll. Sozialdemokraten (S&D) wie Grüne gestehen der EVP zwar den Spitzenposten zu, wollen aber Chiochetti verhindern. Er erfülle die Voraussetzungen nicht, wegen ihm wurde in der Jobausschreibung die Gehaltsklasse gesenkt. Ende der Bewerbungsfrist: der 1. August.

Unter den Abgeordneten regt sich Unmut. Die niederländische Liberale Sophie d’Indt Feld prangert die "Tricks" an. Grüne und S&D sind skeptisch. Ob der Deal mitten in der Sommerpause im Stillen klappt, ist unsicher. (Thomas Mayer, 11.7.2022)