Das Kreischen von Affen und das Plätschern von Regentropfen beim Abspann des mit einem Apple-Design-Award ausgezeichneten Videospiels "Gibbon: Beyond the Trees": All diese akustischen Feinheiten stammen von den zwei Brüdern und ehemaligen Band-Kollegen David und Markus Zahradnicek.

Die beiden vertonen Videospiele im Keller eines kleinen Einfamilienhauses in Penzing. Von dort liefern sie nationalen und internationalen Gaming-Studios mittlerweile sehr erfolgreich nicht nur den passenden Soundtrack, sondern auch jedes andere Geräusch, das im jeweiligen Spiel zu hören ist.

Drei Alben später

Eher zufällig meldet sich 2015 das Wiener Indie-Entwicklerstudio Socialspiel bei David und bittet ihn und seine neu gegründete Firma Wobblersound um die Zulieferung einiger Musikstücke für ein neues Videospiel. Während große Blockbuster-Studios mit 1000 Mitarbeitern auf einen solchen Service nicht angewiesen sind, lagern kleine Indie-Studios – und davon gibt es immer mehr – gern einzelne Arbeitspakete aus, die sie selbst nicht abdecken können. Die Zusammenarbeit verläuft für beide Seiten zufriedenstellend, und so überlegen die Brüder, ob man das Musikerdasein nicht hintanstellen und die kreative Arbeit mit Videospielen in den Vordergrund rücken könnte.

Broken Rules

Schon in ihrer Kindheit machen die beiden Burschen aus Hohenberg in Niederösterreich gemeinsam Musik und gründen als Jugendliche ihre erste Band. Drei Alben veröffentlichen sie unter dem Namen Francis International Airport, bevor sich David dazu entscheidet, sicherheitshalber ein zweites Standbein aufzubauen. Ein Studium mit Schwerpunkt auf Programmierung wirkt für einen jungen Musiker damals unpassend, doch sollten diese neuen Fähigkeiten wenige Jahre später essenziell sein, um den Videospielen nicht einfach Musikstücke zuzuliefern, sondern selbst die Implementierung übernehmen zu können.

Mehr aus Eigeninteresse als aufgrund von Anfragen entschließen sich die beiden Brüder, sich basierend auf den Kenntnissen von David mit dem Thema Audio-Implementation auseinanderzusetzen – mithilfe sogenannter Middleware können die beiden bald sowohl Musik als auch notwendige Sounds selbst in den Code des Spiels einarbeiten, ohne dass sich der Auftraggeber selbst damit befassen muss. "Kleine Entwickler sind sehr dankbar, wenn man den gesamten Sound-Komplex an eine einzige Stelle auslagern kann. Dass wir auch noch die Implementierung ins Spiel anbieten können, macht uns fast einzigartig auf dem Gebiet", erzählt David.

Foto: DER STANDARD/Amon

Schnell erarbeiten sich die zwei Brüder in der kleinen, aber feinen Entwicklerszene Österreichs den Ruf verlässlich zu sein und gute Qualität abzuliefern. Immer voller wird das kleine Studio, in dem sich große Bildschirme, Mikrofone und etliche Musikinstrumente türmen. Es folgen Aufträge diverser Studios, etwa für das eingangs erwähnte und von Apple ausgezeichnete Affen-Spiel des Wiener Entwicklers Broken Rules. "Solche Auszeichnungen helfen natürlich fürs Portfolio, genau wie Mundpropaganda", sagt David über eines der jüngsten Projekte. So sei man aus der österreichischen Szene auch schon mehrfach international weiterempfohlen worden, doch bisher ohne erfolgreiches Release, weshalb man aufgrund von Verschwiegenheitsklauseln nicht über diese Projekte sprechen darf, erklärt Markus die Zurückhaltung, weitere Kooperationspartner zu nennen.

Angekommen

Seit 2019 können die Wahl-Penzinger von ihrem Beruf leben. Dennoch möchten die Brüder nicht nur auf das Thema Games setzen, allein der Abwechslung zuliebe. So steuerte man etwa vor wenigen Jahren die komplette Musik- und Soundgestaltung für das interaktive Augmented-Reality-Theaterstück "Vienna – All Tomorrows" bei, bei dem Besucher als Vertreter von drei verschiedenen Fraktionen ihren Einfluss in Wien durch bestimmte Aktivitäten erhöhen mussten. "Es brauchte eine Komposition, in der es möglich war, simultan die verschiedenen aktuellen Einflussstärken der drei Fraktionen dynamisch während des Spiels darzustellen. Also quasi drei Musikstücke in einem", erzählt Markus begeistert von dem Projekt. 2018 lieferte man zudem den Soundtrack für den mehrfach ausgezeichneten Kurzfilm Mathias.

Trotz dieser Seitensprünge bleiben Videospiele über die Jahre die verlässlichste Einnahmequelle. Den Wechsel von der in Österreich kulturell weit stärker verankerten Musik zu Games-Projekten haben die Brüder nie bereut. Als junger Musiker sei man in Österreich genauso in der Situation, um Anerkennung kämpfen zu müssen, erklärt David. "Hierzulande müssen alle Kunstformen außerhalb eines konservativ traditionellen Kunstbegriffs um Anerkennung und finanzielle Unterstützung etwa im gleichen Maße betteln." Man spüre deshalb keinen großen Unterschied zwischen den beiden Karriereabschnitten.

Foto: DER STANDARD/Amon

Mit dem eigenen Bruder über so viele Jahre eng zusammenzuarbeiten stellt für keinen der beiden ein Problem dar. "Wir sagen Dinge relativ geradeheraus, da wir uns gegenseitig total vertrauen. Gibt es trotzdem einmal Streit, sind wir nach 15 Minuten auch wieder versöhnt." Diese Dynamik sei speziell in stressigen Wochen Gold wert, sind sich die beiden einig.

Gut gebucht

Ein Sommerloch kennen die beiden Wiener nicht. Mehrere Projekte sind entweder in Planung oder gerade in Entwicklung, darunter die beiden heimischen Hoffnungsträger Dungeons of Hinterberg und We are Screwed!. In einem geht es um das fiktive österreichische Dorf Hinterberg und seine magischen Höhlen voller Monster. Das andere spielt im Weltall und setzt auf kurzweilige Unterhaltung mit mehreren Mitspielern.

Über mangelnde Abwechslung brauchen sich die Brüder von Wobblersound also wirklich nicht zu beschweren. Vielleicht müssen sogar neue Instrumente angeschafft werden, scherzt David. (Alexander Amon, 12.7.22)