Unter Ausschluss der Öffentlichkeit berichtet eine 14-Jährige, wie ein 32-jähriger Angeklagter ihr mehrmals Geld für sexuelle Handlungen zahlte.

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Wien – "Mir haben sie leid getan", erklärt der Angeklagte Mohammed M. dem Schöffengericht unter Vorsitz von Stefan Apostol. "Sie" sind in diesem Fall drei Mädchen, 13, 14 und 15 Jahre alt, die aufgrund ihrer schwierigen Lebenssituation in einer betreuten Wohngemeinschaft untergebracht sind. M.s Mitleid äußerte sich darin, dass der 32-Jährige den Minderjährigen Geld für Sex zahlte und ihnen Marihuana besorgte, was er auch zugibt. Dass er die älteste in seiner Ein-Zimmer-Wohnung aber mit Gewalt zum Oralverkehr gezwungen habe und mit zweien gegen ihren Willen Geschlechtsverkehr hatte, wie die Staatsanwältin behauptet, bestreitet er aber vehement.

"Mein Mandant ist mit Sicherheit kein Engerl", konzediert der Verteidiger des Unbescholtenen. Aber es sei ein "sehr, sehr schwieriger Fall." Denn die "Mädels", wie der Anwalt sie nennt, würden seinen Mandanten wohl hineinreiten wollen, da zwei von ihnen am 15. März statt der vereinbarten 70 Euro plötzlich 100 Euro gefordert hätten, argumentiert er.

Unbescholtener Angestellter

Ursprünglich hat der unbescholtene Angestellte, der 2.200 Euro im Monat verdient, die 14-Jährige auf einer Internetplattform kennengelernt; über sie kam auch der Kontakt zu den beiden anderen zustande. Interessanterweise hat die Polizei festgestellt, dass sich der afghanische Akademiker im Internet über das Schutzalter in Österreich informiert hat – er wusste also, dass sexuelle Handlungen erst ab 14 legal sind. Dass eines der Mädchen unmündig war, will er nicht gewusst haben – "sie haben gesagt, sie sind 16 und 18", beteuert er.

Zweimal habe er jeweils zwei Mädchen in seine Wohnung geladen und ihnen Geld für wechselseitige Masturbation gezahlt, sagt er. Warum die beiden älteren behaupten, dass er mit ihnen am 15. auch Geschlechtsverkehr hatte und die 15-Jährige zum Oralverkehr gezwungen habe, kann er sich nur mit Verleumdung aufgrund der nicht erfüllten höheren Geldforderung erklären.

15-Jährige flüchtete barfuß aus Wohnung

Der Vorsitzende Apostol und seine Beisitzerin Eva Brandstetter bleiben emotionslos, hinterfragen die Darstellung des Angeklagten aber pointiert. "Die 15-Jährige ist ohne Schuhe aus Ihrer Wohnung geflüchtet, hat eine Freundin angerufen, die dann die Polizei alarmiert hat. Warum sollte sie das machen?", fragt der Vorsitzende mit Unschuldsmiene. "Es ist um Geld gegangen. Sie war wütend", versucht es der Angeklagte. "Aber barfuß zu flüchten und die Polizei zu rufen bringt ja auch kein Geld?" – "Das versteh ich auch nicht", ist M. ratlos.

Beisitzerin Brandstetter zweifelt die Aussage an, dass der Angeklagte die 14-Jährige, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen wird, nur einmal bezahlte. Schließlich wurde eine Textnachricht von M. an das Mädchen sichergestellt, in der er fragte, ob sie sich rasiert habe und ob er "diesmal rein darf, wie versprochen mit Kondom". Der Angeklagte bleibt bei seiner Aussage: Es habe keinen Geschlechtsverkehr gegeben, und die 14-Jährige, die ihm ihr Alter nicht verrate habe, sei nur einmal bei ihm gewesen.

Rätselhaftes Wort in Textnachricht

Noch etwas fällt Brandstetter und der Staatsanwältin auf: In einer anderen Nachricht schreibt M. davon, dass er ein Mädchen gerne "kecken" möchte. "Was meinen Sie damit?", fragt die Anklägerin. Der 32-Jährige sagt, er wisse es nicht mehr. "Was könnten Sie sich denn im Zusammenhang mit Sex vorstellen, was so ähnlich wie 'kecken' klingt? Ich denke, den meisten Anwesenden im Saal würde etwas einfallen", entgegnet die Beisitzerin darauf.

Überrascht sind die Beteiligten auch über M.s Begründung, warum er die 15-Jährige sicher nicht mit Gewalt zum Oralsex gezwungen habe. Denn: "Oral ist für mich nicht angenehm", sagt er. Er habe es einfach erstmals ausprobieren wollen, es sei ihm aber "peinlich" gewesen, daher habe er den Akt abgebrochen. Dass die 15-Jährige behauptet, er habe sie mit den Worten "Es ist unhöflich, einen Mann unbefriedigt zurückzulassen" zum Oralverkehr aufgefordert, streitet der Angeklagte nicht ab. Das sei aber nicht böse gemeint gewesen, behauptet er.

Vergewaltigungsvorwurf wird ausgeschieden

Da die jüngste Zeugin nicht erscheint, werden die schwerwiegendsten Vorwürfe ausgeschieden und dieser Komplex auf den 6. Oktober vertagt. Für die Weitergabe der Drogen an die 14-Jährige und ihre mehrmalige Bezahlung für Sex wird er dagegen rechtskräftig zu sechs Monaten bedingt verurteilt. Bei ihrer Einvernahme durch das Gericht sagte sie zwar im Widerspruch zum Polizeiprotokoll, sie wisse nicht mehr, ob sie M. ihr wahres Alter verraten habe. Die Tatsache, dass der Angeklagte aber öfters nachgefragt habe, ob sie über 14 sei, reicht dem Gericht als Eventualvorsatz.

Die Staatsanwältin will, dass seine seit vier Monaten bestehende Untersuchungshaft bis zum nächsten Verhandlungstermin im Oktober fortgesetzt wird, der Senat beschließt nach kurzer Beratung aber M.s Enthaftung, um ihm die Möglichkeit zu geben, seine Wohnung und seinen Arbeitsplatz zu behalten. Die bisherige Zeit im Gefängnis sei ausreichend, um ihn von einer neuerlichen Tatbegehung abzuhalten, erklärt Apostol. Außerdem zweifelt das Gericht nach der bisherigen Aktenlage am dringlichen Tatverdacht der Vergewaltigung. (Michael Möseneder, 12.7.2022)