In den vergangenen Wochen wurden viele Namen mit der FPÖ-Spitzenkandidatur gerüchteweise in Verbindung gebracht. Walter Rosenkranz war nicht dabei.

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In den vergangenen Wochen wurden viele Namen mit der FPÖ-Spitzenkandidatur gerüchteweise in Verbindung gebracht. Walter Rosenkranz war nicht dabei.

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Die freiheitlichen Gremien beschlossen am Dienstagabend in einer knapp 45-minütigen Sitzung, wer für die FPÖ als Kandidat bei der Bundespräsidentschaftswahl antreten wird. Und es wurde eine Überraschung, die niemand auf dem Zettel hatte: Walter Rosenkranz. Der Niederösterreicher war über viele Jahre Nationalratsabgeordneter, zu türkis-blauen Zeiten freiheitlicher Klubobmann. Seit Juli 2019 ist der Jurist Volksanwalt. Nun steigt Rosenkranz, der am 29. Juli 60 Jahre alt wird, in den Kampf um die Präsidentschaftskanzlei ein.

Die Partei teilte noch am Abend mit, dass die Wahl einstimmig erfolgt sei. "Das Bundesparteipräsidium war bis auf ein Mitglied vollzählig", sagte Parteichef Herbert Kickl nach der Sitzung in einer Aussendung. "Alle Teilnehmer der Sitzung haben sich zu Wort gemeldet und ein einstimmiges Votum zugunsten von Dr. Walter Rosenkranz abgegeben. Wir freuen uns auf den Wahlkampf." Am Mittwoch um 13.30 Uhr wird Rosenkranz offiziell präsentiert.

Vor der offiziellen Entscheidung galt eigentlich Verfassungssprecherin Susanne Fürst lange als aussichtsreiche Kandidatin. Zuletzt wurden noch Petra Steger, Tochter des einstigen FPÖ-Vizekanzlers Norbert Steger, sowie Krone-Kolumnist und Rechtsanwalt Tassilo Wallentin als mögliche Kandidaten kolportiert. Letzterer soll dem blauen Frontmann Herbert Kickl aber abgesagt haben, weil er dessen Anti-Corona-Kurs nicht mittragen könne. Das berichtete zumindest das Boulevardblatt Österreich. Wallentin führe laut eigenen Angaben allerdings nun "ernste Gespräche" hinsichtlich einer eigenen Kandidatur.

Leicht verstimmt

Selbst unter Freiheitlichen schien bis zuletzt fast niemand gewusst zu haben, mit wem die eigene Partei Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei der Hofburg-Wahl herausfordern möchte. Die Gegenkandidatur war ein gutgehütetes Geheimnis. Nur ein ganz enger Zirkel um Parteichef Herbert Kickl soll in dessen Pläne eingeweiht worden sein. Mächtige Parteifunktionäre wie Manfred Haimbuchner, immerhin Landesvize in der letzten blauen Bastion Oberösterreich, gehörten dem Vernehmen nach nicht dazu.

Walter Rosenkranz und Bundespräsident Alexander Van der Bellen trafen sich am 1. Juli 2019 in der Präsidentschaftskanzlei in Wien – im Rahmen der Angelobung von Rosenkranz als Volksanwalt.
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Die Basisdemokratie à la Kickl schmeckt auch bei weitem nicht allen in der FPÖ. Ein blauer Funktionär versteht nicht, warum aus der Entscheidung über die Gegenkandidatur so ein Drama gemacht worden sei. Letztlich sei diese zwar am Ende nicht so wichtig. Aber in so mancher blauen Landesorganisation will man künftig genauer hinschauen, wer eingebunden wird, wenn es wirklich um etwas geht.

Mehrere Herausforderer möglich

Die FPÖ ist jedenfalls die einzige Parlamentspartei, die einen Herausforderer gegen Amtsinhaber Alexander Van der Bellen ins Rennen schickt. Der aktuelle Bundespräsident tritt erneut an und gilt als haushoher Favorit. Neben Rosenkranz wollen zudem weitere Herausforderer in den Ring steigen, die um einen ähnlichen Wähler-Pool wie Rosenkranz kämpfen: Ex-BZÖ-Politiker Gerald Grosz und Michael Brunner, Chef der impfkritischen Liste MFG, haben sich etwa ebenfalls dem Kampf gegen Corona-Einschränkungen verschrieben. Letztere müssen aber noch vorab die notwendigen 6.000 Unterstützungserklärungen erreichen. Das gilt übrigens auch für Dominik Wlazny alias Marco Pogo, den Vorsitzenden der Bierpartei.

"Achtbares Ergebnis" für Rosenkranz realistisch

Politikwissenschafterin Kathrin Stainer-Hämmerle hält aber ein "achtbares Ergebnis" für den als Volksanwalt bekannten Rosenkranz für möglich. Das wären mehr als 20 Prozent – also ein Wert, bei dem die FPÖ als Partei derzeit in den Umfragen steht. Dass Van der Bellen in eine Stichwahl muss, sollte er unter 50 Prozent bleiben, hält Stainer-Hämmerle aber "aus heutiger Sicht für unwahrscheinlich".

Bei der bisher letzten Bundespräsidentenwahl im Jahr 2016 gelang es dem blauen Kandidaten Norbert Hofer, im ersten Wahlgang mit 35,05 Prozent der Stimmen den ersten Platz zu erreichen. Van der Bellen schaffte 21 Prozent. Bei der Wiederholung der Stichwahl erreichte Hofer dann 46,21 Prozent, Van der Bellen gewann diese mit 53,79 Prozent.

Politologe Peter Filzmaier schätzt Rosenkranz als "sichere Variante" für die FPÖ ein. Mit dem erfahrenen Freiheitlichen als Frontmann könnten FPÖ-Positionen im Wahlkampf "auf offener Medienbühne wochen- und monatelang präsentiert werden", wie Filzmaier im ORF-Report meinte. (Jan Michael Marchart, Fabian Schmid, David Krutzler, 12.7.2022)