Im Gastblog zeigt Bernhard Führer die zukünftigen Schwierigkeiten des österreichischen Pensionssystems und erläutert mögliche Lösungsansätze mit Fokus auf sozialer Gerechtigkeit.

Viele Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen unterschätzen das kommende Pensionsloch. Mittlerweile verlieren die Österreicher und Österreicherinnen jährlich rund zehn Milliarden Euro durch Spareinlagen. Zwischen 1970 und 2010 erzielten Bundesanleihen im Durchschnitt noch etwa 3,6 Prozent an jährlicher Rendite. Diese Zeit der positiven Erträge ist vorbei, und die positive Wertentwicklung muss anderweitig erzielt werden.

2030 werden voraussichtlich auf eine Person im Pensionsalter nur mehr zwei aktive Erwerbspersonen kommen – 1951 waren es noch vier.
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Viele Menschen im regulären Erwerbsleben fragen sich, wo der Mittelstand geblieben ist oder warum sie mit über 2.000 Euro netto Gehalt nach dem neuen Gesetz zur Finanzierung von Eigentum zu wenig verdienen, um kreditwürdig zu sein. Erst kürzlich sprach ich mit einer Bekannten (in Pension und über 70 Jahre alt), die mir mitteilte, immer noch arbeiten zu gehen, um über die Runden zu kommen. In Österreich gibt es die Alterssicherungskommission, aber diese kann über die Verschlechterungen der unzähligen Pensionsreformen seit den 1990er-Jahren für die Arbeitnehmenden nicht hinwegtäuschen.

Probleme der Finanzierung von Pensionen

Viele Länder in Europa haben das Pensionsalter geändert, um staatliche Pensionen wirtschaftlich nachhaltig zu gestalten. Die Grundidee ist gut, man kann den Ruhestand um ein paar Jahre hinausschieben und erhält dafür höhere Leistungen aus der Sozialversicherung oder anderen staatlichen Mitteln. Wer vorzeitig in den Ruhestand gehen muss oder will, kann dies tun, muss aber entweder auf spätere staatliche Rentenzahlungen warten oder ein geringeres Pensionseinkommen in Kauf nehmen.

Da wir alle heute viel länger leben als zu Zeiten der Gestaltung der Pensionssysteme, von denen wir profitieren, ist es im Durchschnitt sinnvoll, Menschen, die vorzeitig in den Ruhestanden gehen und ihre Pensionen voraussichtlich länger beziehen, im Durchschnitt eine niedrigere Rente zu zahlen. Aber das Problem mit dieser Politik, wie mit so vielen von Makroökonomen und Makroökonominnen entworfenen Politiken, ist, dass sie zwar im Durchschnitt funktioniert, aber nicht die Unterschiede zwischen Individuen widerspiegelt.

Im Jahr 2022 ist das Pensionsantrittsalter nach vielen Jahren der Stagnation angestiegen. Männer traten im Schnitt mit 61,8 Jahren in den Ruhestand und Frauen mit 59,8 Jahren. Frauen sind damit schon sehr nahe am gesetzlich festgelegten Regelpensionsalter von 60 Jahren. Männer fehlen hingegen auf die 65 Jahre noch ein paar Jahre. Die allgemeine Erwerbsquote der 15- bis 64-Jährigen liegt bei etwa 76 Prozent. Bis zum Jahr 2040 soll diese auf über 78 Prozent ansteigen.

Die höhere Lebenserwartung führt jedoch zu einer Veränderung des Verhältnisses der Erwerbspersonen zu jenen im Pensionsalter. So kamen 1951 auf eine Person im Pensionsalter noch vier aktive Erwerbspersonen. Heute sind es hingegen nur noch drei Personen und 2030 voraussichtlich nur noch zwei aktive Erwerbspersonen. Das umlagefinanzierte System wird daher vor einer Bewährungsprobe stehen.

Pension für viele ein Muss

Ein Großteil der Bevölkerung geht also vorzeitig in den Ruhestand, obwohl dadurch Pensionseinkommen verloren werden. Und ja, viele dieser Frührentner und Frührentnerinnen tun es nicht, weil sie es wollen, sondern weil sie es müssen. Ein großer Treiber davon ist die Altersdiskriminierung sowie der Unwille, Menschen mit Beeinträchtigung einzustellen.

Menschen, die ihren Job verlieren, wenn sie über 55 sind, haben es schwer, einen neuen Job zu finden. Dazu kommt, dass Menschen mit körperlich anstrengenden Jobs möglicherweise vorzeitig in den Ruhestand gehen müssen, weil ihr Körper sie nicht mehr arbeiten lässt.

Und hier kommt das Problem ins Spiel, denn Menschen, die in körperlich anstrengenden Jobs arbeiten, verdienen auch tendenziell weniger als Angestellte in einem Büro, in dem die größte körperliche Belastung für ihren Körper darin besteht, gerade auf einem Stuhl zu sitzen. Wenn man einen körperlich anstrengenden Job hat, kann man über die gesetzliche Rente hinaus wahrscheinlich nicht viel für den Ruhestand sparen. Dann muss man jedoch eine geringere Rente in Kauf nehmen, weil der Körper überfordert ist und einen daher zur vorzeitigen Pensionierung zwingt.

Am Ende haben Arbeitende, die vorzeitig in den Ruhestand gehen, einen viel größeren Einkommens- und damit Konsumverlust als Büroangestellte. Die Einkommensungleichheit, die vor der Pensionierung bestand, wird nach der Pensionierung verstärkt.

AK-Experte Grünberger fordert Alternativen

Das Patentrezept gibt es nicht, jedoch steht fest, dass die beiden anderen Säulen der Pensionsvorsorge mangelhaft konstruiert wurden und teils negative Erträge für die Arbeitnehmenden erzielen. Die nationale Ausrichtung und die damit einhergehenden Beschränkungen dieser Vorsorgeprodukte auf die Eurozone erhöhten deren Krisenanfälligkeit. Was ist die Lösung für das Problem der Finanzierung der Pensionen? Welche alternativen Lösungsansätze gibt es?

Konsumentenschutzexperte Thomas Grünberger von der Arbeiterkammer (AK) vertritt die Auffassung, dass es eine Erweiterung der möglichen Vorsorgevarianten und der finanziellen Rahmenbedingungen braucht. Laut dem AK-Verbraucherexperten könnten Kapitaleinkommen oder sogenannte leistungslose Einkommen (zum Beispiel Vermögenswerte aus Hinterlassenschaften) die Beitragsbasis erweitern.

In diesem Zusammenhang könnten ebenso gesellschaftlich und sozial erwünschte Tätigkeiten, zum Beispiel jahrzehntelanger freiwilliger Dienst bei Feuerwehr oder Rettung, auf die Pension angerechnet werden. Vielfach engagierte Geringverdienende hätten so die Möglichkeit, ihre Pensionsleistungen zu erhöhen.

Pensionsalter nach Arbeit staffeln?

Ein weiterer Lösungsansatz ist, über die herkömmlichen Reformvorschläge so hinaus zu denken, dass das Pensionsalter von der Art der Arbeit abhängen sollte. Menschen mit einem körperlich anstrengenden Job sollten ein niedrigeres Pensionsantrittsalter haben als Menschen mit einem Bürojob. Im Wesentlichen würde dies das Pensionsalter mehr in Richtung eines Prozentsatzes der Lebenserwartung verschieben, ohne es zu komplex zu machen.

Es wäre wirklich gut, wenn die Politik überall anfangen würde, auf diese Weise über die Pensionsreformen nachzudenken, anstatt darüber nachzudenken, wie man die Pensionen kürzen kann, ohne es tatsächlich als Kürzung bezeichnen zu müssen. Die derzeitige Geldentwertung aufgrund hoher Inflation und dadurch gestiegener Steuereinnahmen bringt dies deutlich zum Ausdruck. (Bernhard Führer, 13.7.2022)