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Gastfreundschaft, ha! Das ist an sich schon ein Reizwort. Eines, das in seiner komplexen Bauart aus zwei Wörtern interpretationsanfällig ist. Den Begriff kann man so oder so deuten. Viele Österreicher deuten ihn so: Der Gast hat gefälligst freundlich zu sein. Erweist er sich wider Erwarten als Person großer Frustrationstoleranz, lässt sich darüber befinden, ob man von der landestypischen Haltung ein Stück abrückt. Von jener Überzeugung, die Helmut Qualtinger einmal so entkam: "Bei mir sads alle im Orsch daham."

Mit der Gastfreundschaft haben es die Österreicherinnen und Österreicher nicht so. Das würden wir natürlich nicht unterschreiben. Schließlich rennen uns die Touristen, das sind zeitweilig geduldete Fremde, ja die Türen ein, um gegen Unkostenbeiträge an unserer einzigartigen Folklore teilhaben zu dürfen. Dem Skiwedeln zum Beispiel.

Einzigartige Folklore mit zart bitterem Geschmack: Österreichische Bier.
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Doch eine Studie unter Auswanderern bescheinigt Österreich punkto Zugänglichkeit und Offenheit, also Orchideenfächern für Mimosen, dass wir da die Poleposition knapp verfehlen: Platz 49 von 52 nehmen wir im Index zur Eingewöhnung ein – laut einer Umfrage unter Expats.

Gut, wir wissen dank der ÖVP, was man von Umfragen zu halten hat. Und Expats? Das sind Fahnenflüchtige von anderswo, da weiß man eh schon. Immerhin loben diese Expatriierten unsere Infrastruktur. 85 Prozent beschreiben die hiesige Wirtschaftslage als positiv, 72 Prozent sind mit ihrer Arbeitszeit zufrieden, 68 Prozent halten ihren Arbeitsplatz für sicher.

Da ist quasi keine Luft mehr nach oben. Angesichts solcher Traumnoten fragt man sich: Wer braucht da noch einen freundlichen Beamten? Oder eine grüßende Nachbarin? Oder Autofahrer, die Fußgänger als Menschen anerkennen? Ein paar Abstriche muss machen, wer sich als Zuag’raster bei uns einhaust und keine Ahnung hat von kulturellen Errungenschaften wie Hülse, Stelze oder unserem Hausgeheimnis, dem gewissen Etwas.

Das macht uns letztlich so besonders. Bei uns ist ein "Heast G’schissener!" nicht per se eine Beleidigung, nein. Es ist vielmehr eine Anerkennung, dass sich eine derart wahrgenommene Person unserer Einschätzung nach schon auf dem Weg der Menschwerdung befindet.

Dass derlei Eigenheiten in "Studien" jemals gegen uns verwendet werden, war nicht abzusehen. Aber eines ist klar: Wegen ein paar dahergelaufener Bitte-danke-Ultras und Guten-Tag-Fundis werden wir uns nicht ändern. (Karl Fluch, 12.7.2022)