Eines ist weitgehend unbestritten: Die Services von Google sind nützlich. Gleichzeitig hat all das aber auch eine Schattenseite, und zwar eine, die in den vergangenen Jahren immer stärker in die Kritik gekommen ist – geht diese Bequemlichkeit doch mit einer massiven Datensammlung einher. Zum Teil mag das für einzelne Features auch notwendig sein, in anderen Fällen dient dies aber primär den finanziellen Interessen des Konzerns, der auf Basis dieser Informationen sein Werbegeschäft betreibt.

Widerspruch

Kritiker nennen diese Praxis gerne "Überwachungskapitalismus". Definitiv in diese Riege gehört Gaël Duval. Der in früheren Jahren bereits als Gründer von Mandrake Linux aufgefallene Franzose hat sich allerdings irgendwann dazu entschlossen, es nicht bei Worten zu lassen. Im Jahr 2018 gründete er die E Foundation mit dem Ziel, eine vollständig Google-freie und doch für die breite Masse taugliche Android-Variante zu schaffen. Eine, die noch dazu einen expliziten Fokus auf den Schutz der Privatsphäre setzt.

Das Ergebnis ist ein – etwas sperrig – /e/OS genanntes Betriebssystem, von dem vor kurzem die Version 1.0 veröffentlicht wurde – also der erste als "stabil" bezeichnete Release. Alternative Android-Versionen gibt es zwar viele, um die breite Masse zu erreichen, braucht es aber ein Gesamtpaket. Also bietet der mittlerweile Murena genannte Hersteller auf seiner Webseite auch Smartphones direkt zum Kauf an, auf denen /e/OS bereits vorinstalliert ist. Wer will, kann sich hier etwa ein gebrauchtes Galaxy S9 oder auch ein Fairphone 4 in einer entsprechenden Version kaufen.

Ein neuer Anfang: Murena One

Doch seit kurzem gibt es noch eine andere Option: Beim Murena One handelt es sich um das erste wirklich eigene Smartphone mit /e/OS. Noch dazu eines, das preislich auf die Mittelklasse abzielt, also für eine breite Masse gedacht ist. Das klingt doch schon mal spannend, also hat sich DER STANDARD gleich mal ein entsprechendes Testgerät besorgt, das wir uns in den vergangenen Wochen näher angesehen haben. Die zentrale Frage dabei: Wie alltagstauglich ist so etwas wirklich, und welche Kompromisse müssen eingegangen werden?

Das Murena One läuft mit dem Google-freien /e/OS 1.0.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Erster Eindruck

"Generisch" ist ein Ausdruck, der für das Design vieler aktueller Smartphones gelten kann. Das ist auch per se nichts Verwerfliches. In Zeiten, in denen bei einem Smartphone üblicherweise der Bildschirm die gesamte Vorderseite einnimmt und auf der Rückseite ein mehr oder weniger hässliches Kameramodul herausragt, gibt es nun mal nur begrenzt Gestaltungsspielraum.

Beim Murena One könnte man aber schon fast von "extrem generisch" sprechen. Das Gerät präsentiert sich als schwarzer Block mit wenigen Auffälligkeiten – leider aber auch einer mit recht mittelmäßiger Verarbeitung. Sowohl an der Vorder- als auch an der Rückseite finden sich Spalten, in denen Schmutz und (Bart-)Haare einen Zufluchtsort finden. Das Klickgefühl der Knöpfe ist ebenfalls nur "okay", die glatte Rückseite dafür ein echter Fingerabdruckmagnet. Um auch noch ein paar konkrete Eckdaten zu nennen: Das Murena One hat Abmessungen von 161,8 x 76,9 x 8,9 Millimeter, das Gewicht liegt bei 186 Gramm.

Biometrie

Ein Fingerabdrucksensor ist an der Seite angebracht, warum auch immer aber auf der linken. Das ist zumindest für Rechtshänder eine äußerst unpraktische Position. Ebenfalls verwundert, dass der Sensor nicht gleich mit dem Einschaltknopf kombiniert wurde, wie es viele andere Smartphones machen. An sich erledigt die Hardware ihre Aufgaben zur Entsperrung des Geräts aber zuverlässig.

Ein Verdacht

Doch noch einmal zurück zum "generischen Aussehen", das löst beim notorisch misstrauischen Tester natürlich Interesse aus. Zumal üblicherweise so ein kleines Unternehmen wie Murena nicht einfach Mal über Nacht zum Smartphone-Designer wird. Kann es also sein, dass sich da wer einfach irgendwo ein fertiges Modell eingekauft hat?

An der linken Seit befindet sich die Fingerabdruckerkennung – und der Slot für MicroSD und NanoSIM-Karte(n)
Foto: Proschofsky / STANDARD

Auf der Webseite steht davon natürlich nichts – wer aber ein bisschen genauer sucht, der wird ein "Project Phoenix" genanntes Smartphone einer Firma namens Secure Group finden. Das Murena One wird denn auch von der auf Hardwaredetails spezialisierten App Inware als Modell X2 der Marke Secure Phone erkannt. Das bedeute natürlich nicht, dass das Murena One von der Secure Group zugekauft wurde, es ist durchaus auch möglich, dass sich beide bei der gleichen Quelle bedient haben.

Display

Der Bildschirm ist 6,5 Zoll groß, er bietet eine Auflösung von 1.080 x 2.242 Pixel, was ein Seitenverhältnis von 19,5:9 sowie eine Pixeldichte von 395 PPI ergibt. Die gelieferte Bildqualität ist ordentlich, die maximale Helligkeit ebenfalls. Mit aktuellen Topgeräten kann das aber natürlich nicht mithalten, und auch in der Mittelklasse gibt es viele Smartphones mit besseren Displays.

Ein Chip aus uralten Zeiten

Einen kleinen Schock gibt es dann beim Blick auf den SoC, der schließlich das gesamte Werk antreiben soll: Handelt es sich dabei doch um einen Mediatek Helio P60. Nun könnte man was von Achtkerner und einer Taktfrequenz von 2,1 GHz und einem als Grafikchip verbauten Arm Mali-G72 mit 900 MHz erzählen. Viel wichtiger ist aber ein anderer Umstand: Dieser SoC stammt aus dem Jahr 2018 – und war damals schon ein Mittelklasse-Chip. So kam er etwa im Nokia 5.1 Plus zum Einsatz, das im Dezember 2018 veröffentlicht wurde.

Wieso ein dermaßen alter SoC genutzt wird, darüber lässt sich zunächst natürlich nur spekulieren. Der Preis ist sicher ein Punkt, aber so viel teurer sollten aktuelle Mediatek-SoCs eigentlich auch nicht sein. Zudem hat ein Chip aus dem Jahr 2018 natürlich den Nachteil, dass es nur schwer möglich ist, dafür noch Support zu bekommen – von der Unterstützung aktueller Android-Generationen mal ganz abgesehen.

Bescheidene Performance

Die Leistungsfähigkeit des mit 4 GB RAM kombinierten Chips ist denn auch wie zu erwarten bescheiden. Bei Geekbench gibt es einen Single-Core-Wert von 286 Punkten, das Multi-Core-Ergebnis ist 1149. Das ist ein Drittel bis ein Viertel der Performance aktueller Smartphones. Leistungsmäßig ist das Gebotene damit eher mit einem Einsteigergerät aus dem Niedrigpreissegment zu vergleichen.

Ein offenbar zugekauftes Modell in Kombination mit einem uralten Chip führt zu einer ziemlich bescheidenen Leistung.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

In der Praxis sieht das dann so aus: Für die grundlegenden Aufgaben ist das Murena One durchaus ausreichend, bei anspruchsvolleren Aufgaben wird es dann aber schwierig. Auch zeigen sich immer wieder mal Hänger im User Interface, der App-Start ist ebenfalls gemächlich.

Kamera

Weiter geht es mit der Kamera. Die Hauptkamera nutzt einen 48-Megapixel-Sensor (Größe: 1/2,0 Zoll, f/1.8, HDR), der 2x2 Binning betreibt, woraus dann wieder Bilder mit 12 Megapixeln resultieren. Der Hersteller betont, dass man an dieser Stelle bewusst nicht sparen wollte, da man wisse, wie wichtig Smartphone-Usern heutzutage die Kamera sei.

Das ist eine schöne Geschichte, in der Realität sind die gelieferten Fotos aber einfach nicht gut. Die Bildqualität erinnert an (viel) ältere Smartphones. Es mangelt dabei an so vielen Stellen, dass es sich nicht wirklich rentiert, das im Detail zu zerlegen. Bei dem langsame SoC ist zudem nicht verwunderlich, dass beim Druck auf den Auslöser immer eine merkliche Verzögerung zu bemerken ist, bevor das Foto aufgenommen wird. Über abendliche Aufnahmen sei besser der Mantel des Schweigens gebreitet.

Eine Aufnahme bei Kunstlicht liefert ein Bild von eher überschaubarer Qualität
Foto: Proschofsky / STANDARD
Überstrahlter Himmel ist für alle Smartphones eine schwierige Situation, hier ist das Ergebnis besonders danebengegangen. Der Himmel wird zu einer weißen Fläche, die Farben stimmen überhaupt nicht.
Foto: Proschofsky / STANDARD
Hübsches Motiv, bei der die Kamera allerdings einen reichlich seltsamen Fokus gewählt hat. Auch sonst wird aus der Steilvorlage so ziemlich das Schlechteste herausgeholt.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Doch das Murena One bietet noch eine zweite Kamera: eine Ultraweitwinkel mit 8 Megapixeln und f/2.0. Also theoretisch zumindest. Beim Testgerät ließ sich diese nämlich nicht aktivieren. Der Hersteller verspricht zwar, dass das mit einem Software-Update behoben werden soll, allzu viel sollte man sich angesichts der Schwächen der Hauptkamera aber ohnehin nicht erwarten. Wirklich da ist hingegen die 25-Megapixel-Frontkamera, deren Ergebnisse aber ebenfalls nicht begeistern können.

Vermischtes

Die restliche Hardware im Schnelldurchlauf: Es gibt einen 4.500 mAh umfassenden Akku, das ist durchaus ordentlich, auch wenn die Lauf- und vor allem die Standby-Zeit nicht ganz an die zu erwartenden Werte heranreicht.

Der lokale Speicherplatz umfasst 128 GB und kann mittels MicroSD-Slot erweitert werden. Wer eine MicroSD nutzen will, muss dafür allerdings auf Dual-SIM-Support verzichten, dieser Platz wird also wie bei vielen anderen Smartphones geteilt.

Details, Details ...

Apropos: Es gibt LTE-Support mit theoretischer Unterstützung für VoLTE und VoWifi. Wer aber weiß, dass dies immer auch von den Providern unterstützt werden muss, der kann sich in etwa ausrechnen, wie groß die Chance ist, dass man dies in der Realität auch nutzen kann.

Dazu kommen dann noch WiFi5 – also 802.11ac -, Bluetooth 4.2 und NFC. Auch Letzteres war bei unserem Testgerät noch nicht zu finden, der Hersteller verspricht aber, dass dies bei den im Handel erhältlichen Geräten anders sein soll. Eine Kopfhörerbuchse gibt es hingegen wirklich nicht.

Nur ein Nebenschauplatz

Das klingt jetzt alles bisher recht unerquicklich, gleichzeitig muss es aber auch richtig eingeordnet werden. Um es deutlich zu sagen: Ein Murena-Smartphone kauft sich niemand wegen der Hardware. Nach klassischen Preis-Leistungs-Kriterien darf man dieses also nicht bewerten – steht hier doch ganz die Software und vor allem die Unabhängigkeit von Google im Vordergrund, die die Relevanz anderer Punkte in den Hintergrund treten lässt.

Endlich: Die Software

Der Homescreen von /e/OS mit gewissen iPhone-Anklängen aber auch einer eigenen Widget-Ansicht. Ebenfalls zu sehen: der auf Chromium/Bromite basierende Browser.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Ein nahezu perfekter Übergang: Wie einleitend schon erwähnt, ist das Murena One mit /e/OS 1.0 ausgestattet. Klingt gut, aber was ist das eigentlich? Technisch gesehen ist /e/OS ein Ableger des Community-Android LineageOS, der allerdings mit einer eigenen Oberfläche versehen wurde, die gewisse Ähnlichkeiten zum iPhone nicht verleugnen kann. So gibt es etwa keinen Android-typischen App Launcher, bei den Oberflächenelemente ist die Verwandtschaft zu Googles Betriebssystem aber unübersehbar.

Generell ist das alles durchaus hübsch gemacht. Links neben dem Homescreen gibt es etwa einige Widgets für Suche oder Wetter. Vor allem aber merkt man, dass Murena wirklich viel Zeit in den Aufbau von Google-Alternativen investiert. Also eine App-Auswahl zu bieten, die zumindest einen ähnlichen Komfortlevel bietet wie ein klassisches Android-Smartphone.

Apps

Das Rad hat man dabei natürlich nicht neu erfunden, das wäre auch ziemliche Ressourcenverschwendung. Also finden sich unter den Apps viele angepasste Varianten bekannter Open-Source-Tools. Der Browser basiert etwa auf Chromium/Bromite, der Mail-Client nutzt K9 als Grundlage. Zur Navigation wird Magic Earth genutzt, auch sonst werden eigentlich alle zentralen Aufgaben eines solchen Geräts abgedeckt – von der Galerie bis zum Dateimanager.

Einige der bei /e/OS vorinstallierten Apps.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Mit der Funktionsvielfalt der Google-Pendants kann man damit natürlich nicht immer mithalten, das muss aber auch nicht sein. Immerhin kommen viele Nutzer auch mit weniger aus – oder sind bereit, sich zu beschränken, um der ewigen Datensammelei zu entkommen. Ein anderer Teil der gelieferten Apps setzt wiederum gleich auf Programmen aus dem Android Open Source Project (AOSP) auf – darunter der Taschenrechner und die Uhren-App.

Die Vision eines massentauglichen Smartphones bedeutet für Murena auch, dass man zugehörige Clouddienste im Angebot hat, und zwar auf Basis von Nextcloud und Onlyoffice. Über das eigene Murena-Konto lassen sich dann all die üblichen Dienste wie Mail, Kalender und Kontakte oder auch Fotos, Dokumente sowie Task-Listen mit der Cloud abgleichen. Doch nicht nur das, diese Dienste haben alle auch eine Weboberfläche, können also über den Browser am Desktop verwendet werden. Der kostenlos zur Verfügung gestellte Speicherplatz ist mit 1 GB zwar eng bemessen – wer will, kann sich aber 20 GB um 20 Euro im Jahr kaufen, für 128 GB müssen dann schon 60 Euro bezahlt werden.

Wer den Clouddienst nutzt, kann die eigenen Daten auch online editieren.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Ein neuer App Store, mehr oder weniger

Doch wie sieht es auf solch einem Google-freien Gerät eigentlich mit dem App-Angebot aus? Immerhin ist genau das oft der Schwachpunkt entsprechender Smartphones. Das ist auch Murena bewusst, also geht man einen Kompromiss ein. Durch die Installation von MicroG wird eine Alternative zu den Google Play Services geboten, womit dann auch die meisten bekannten Android-Apps laufen.

Das bleibt aber nicht der einzige Kompromiss in Fragen "kein Google". Der von /e/OS genutzte App Store namens "App Lounge" ist nämlich in Wirklichkeit nichts anderes als eine alternative Oberfläche für den Play Store, greift also auf Googles Angebot zurück. Allerdings – wenn gewünscht – anonymisiert, ein Google-Konto ist insofern nicht zwingend notwendig.

Wer die Welt Google-freier Android-Varianten kennt, den wird das an den Aurora Store erinnern. Tatsächlich nutzt die "App Lounge" die Schnittstellen von Aurora für die anonymisierte Kommunikation mit dem Play Store, baut darum aber eine andere Oberfläche.

Schwierige Situation

Das Problem dabei: Rechtlich gesehen sind beide Lösungen nicht unproblematisch – verstoßen sie doch gegen die Nutzungsbedingungen des Play Stores. Das muss freilich die User nicht notwendigerweise interessieren. Vor allem aber ist das noch immer besser als der zuvor von /e/OS genutzte Ansatz, wo man die Apps aus vielen externen – und nicht immer vertrauenswürdigen – Quellen besorgt hat.

Die App Lounge ist ein alternatives Interface für Googles Play Store, das eine anonyme Nutzung des Angebots erlaubt – und vor Trackern warnt.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Das Interface der App Lounge ist recht simpel gehalten. Positiv fällt auf, dass bereits vor der Installation über in der jeweiligen App versteckte Tracker informiert wird. Für diesen nützlichen Service greift man auf die Informationen der Non-Profit-Organisation Exodus Privacy zurück. Weniger schön ist hingegen, dass sich die App im Testverlauf immer wieder direkt beim Starten aufgehängt hat. Ganz generell sind doch einige Bugs in der Software zu finden – Version 1.0 hin oder her.

Advanced Privacy

Während weite Teil der Oberfläche an klassisches Android erinnern, ist der Fokus auf das Thema Privatsphäre unübersehbar. So findet sich in den Einstellungen ein Untermenü namens "Advanced Privacy", in dem sich ein Trackerschutz aktivieren lässt. Darüber hinaus ist es möglich, die eigene IP-Adresse zu verschleiern, es ist also ein VPN enthalten, auch wenn der im Test nicht immer zuverlässig funktionierte.

Ebenfalls interessant ist die Möglichkeit, Apps gezielt einen falschen Standort zu liefern. Dieser kann entweder frei gewählt werden, oder man überlässt die Wahl eines "glaubwürdigen" Orts gleich der Systemsoftware.

Die Einstellungen für die "Advanced Privacy".
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Es wird düster

All diese Sicherheit- und Privacy-Bemühungen werden aber durch einen anderen Umstand konterkariert: e/OS/ 1.0 basiert nämlich nicht einfach nur auf Lineage OS, sondern auf einer ziemlich alten Version davon, nämlich 17.1. Diese wiederum nutzt Android 10 als Grundlage, also eine vor drei Jahren veröffentlichte Version von Googles Betriebssystem. Und zwar eine, die Google schon lange nicht mehr zertifiziert. Das gleiche Gerät könnte mit einem Google Android also gar nicht mehr auf den Markt kommen.

Durch die Nutzung dieser veralteten Softwaregeneration entgehen den Nutzerinnen viele in den vergangenen Jahren vorgenommene strukturelle Verbesserungen – darunter ironischerweise die Möglichkeit, Apps nur den ungefähren statt eines exakten Standorts zu liefern. Zudem hat Google in den vergangenen Jahren die Berechtigung für den Zugriff auf den lokalen Datenspeicher filetiert, was ein großer Gewinn für die Privatsphäre war. Von all dem hat man hier aber wie gesagt nichts.

Eine schlechte Kombination

Die Versionsangaben sprechen eine deutliche – und äußerst unerfreuliche – Sprache.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Das irritiert auch deswegen, weil es sehr wohl auch neuere /e/OS-Versionen gibt. So verwendet die Ausgabe für das Fairphone 4 zumindest Android 11 als Basis. Noch immer nicht aktuell, aber immerhin ein Jahr weniger schlimm. Die Vermutung liegt nahe, dass der alte SoC mit seinem nicht mehr vorhandenen Support das Problem ist.

Wer jetzt meint, sich verhört zu haben: Nein, das stimmt schon so. Der besagte Chip wird von Mediatek ganz offensichtlich schon länger nicht mehr gewartet. Der Sicherheits-Patch-Level für die proprietären Komponenten – also Treiber und Firmware – hängt jedenfalls auf dem 5. November 2020 fest. Das heißt, bei diesen Komponenten stehen bereits fast zwei Jahre an Sicherheitslücken offen. Vor allem aber: Ein Update, das diesen Umstand ändert, wird es ziemlich sicher nicht mehr geben.

Aktuell ist was anderes

Bei den Open-Source-Komponenten von Android sieht es etwa besser aus, hier steht der Sicherheits-Patch-Level zumindest auf dem 5. April 2022. Trotzdem nichts, womit sich ein auf das Thema Privacy fokussiertes Smartphone rühmen kann, immerhin ist Sicherheit essenziell für den Schutz der Privatsphäre.

Wie es mit Fragen der Hardware- und Lieferkettensicherheit bei einem aus unbekannten Quellen zugekauften Billigmodell aussieht, wäre dann noch einmal separat zu beleuchtendes Thema. Allerdings stellt sich diese Frage bei vielen kostengünstigen Android-Geräten mit Google-Diensten nicht minder, insofern blenden wir das mal aus.

Verfügbarkeit

Was kostet das nun alles? Eigentlich sollte das Murena One bereits seit Ende Juni – unter anderem – in der gesamten EU um 350 Euro verfügbar sein. Aber eben nur "eigentlich". Nachdem man mit der ersten Charge an gelieferten Geräten nicht zufrieden war, wurde der Marktstart mittlerweile auf September verschoben. Dann soll es aber eben Hardware geben, die auch wirklich NFC kann, und die noch dazu Verbesserungen beim Mobilfunk-Support vornimmt.

Für den Test sollte all das aber substanziell wenig ändern, immerhin geht es hier vor allem größer Fragen, die nicht einfach in ein paar Wochen verändert werden können. Sollte sich durch Updates aber noch etwas Relevantes verändern, wird der Artikel natürlich entsprechend aktualisiert.

Die Rückseite des Murena One wird vor allem vom Kameramodul dominiert.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Fazit

Was bleibt, ist zunächst einmal viel Respekt für das Engagement von Murena. Das Bestreben, ein Google-freies Smartphone für die breite Masse zu bauen, ist uneingeschränkt zu begrüßen. Dass man sich hier in einigen Punkten lieber an den Bedürfnissen der Nutzer als an ideologischer Reinheit orientiert, ist verständlich. Das Angebot der eigenen Murena-Cloud-Dienste ist ebenfalls ein netter Bonus für alle, die von Google wegwollen, aber nicht generell ein Problem damit haben, ihre Daten irgendwo online zu speichern. Und wer das nicht will, muss es ja nicht verwenden.

Gleichzeitig muss man aber auch sagen: Wer kein Problem damit hat, ein bisschen zu basteln, ist beispielsweise – und das entbehrt nicht einer gewissen Ironie – mit einem Pixel-Smartphone von Google, auf dem eine alternative Software wie GrapheneOS geflasht wird, um ein Vielfaches besser dran. Und zwar in jeder Hinsicht. Was die Hardware anbelangt sind da sowieso Welten dazwischen, aber auch beim Software-Support und der Sicherheit des Geräts ist der Unterschied groß.

Doch selbst für jene, die ein fix fertiges Gerät mit vorinstalliertem /e/OS haben wollen, ist nicht klar, warum es ausgerechnet das Murena One werden sollte. Gibt es doch etwa das Fairphone 4 ebenfalls mit dem Google-freien Betriebssystem. Selbst das in Smartphone-Zeiten gerechnet schon uralte Galaxy S9 ist deutlich leistungsfähiger – und kostet in einer "Refurbished"-Ausgabe mit /e/OS ebenfalls nicht mehr. Oder aber man spielt sich das System doch lieber selbst auf ein anderes Smartphone, 269 unterschiedliche Modelle werden dabei derzeit unterstützt. (Andreas Proschofsky, 17. Juli 2022)