Stromverbrauch wird extrem teuer. Hilft ein Strompreisdeckel dagegen?

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Wie soll der Staat gegen die Teuerung ankämpfen? Reicht es aus, den Konsumentinnen und Konsumenten sowie den Unternehmen Entschädigungen für ihre hohen Kosten zu zahlen? Oder soll die Regierung direkt in den Markt eingreifen? Diese Frage steckt im Kern der Diskussion über einen Strompreisdeckel. Bisher hat die türkis-grüne Regierung im Rahmen ihrer Antiteuerungspakete viel Geld verteilt, um damit die Folgen der Inflation zu lindern.

Doch die Rufe nach einem breiteren Eingriff werden lauter. Eine Idee dabei lautet, dass der Staat Teile der Energiekosten übernimmt, die Stromanbieter ihre privaten Kunden berechnen. Das wäre in Österreich recht einfach umsetzbar, es wäre kein Markteingriff. Dieser Vorschlag hat beispielsweise im Klimaschutzministerium Anhänger.

Die Preisdeckel, so wie er nun in vielen Ländern in Europa diskutiert wird, sieht aber einen umfassenderen Eingriff vor: Dabei würde der Staat im Strommarkt intervenieren. Dieser letztere Vorschlag ist es, der komplexe Abwägungsfragen mit sich bringt.

Für den Strompreisdeckel

Ein relativ günstiger Eingriff mit potenziell sehr großer Wirkung: Das ist kurz zusammengefasst das gewichtigste Argument für die Einführung einer Strompreisbremse. Ziel der Operation wäre, die Märkte für Gas und Strom zu entkoppeln. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine wird Gas in Europa zusehends knapp, deshalb steigen die Preise enorm. Die Gaspreise ziehen aber auch die Strompreise mit nach oben. Das, obwohl Gas bei der Stromerzeugung zwar eine Rolle spielt, andere Energiequellen aber meist gewichtiger sind. In Österreich etwa stammt nur ein Fünftel des Stroms von Gaskraftwerken oder Wärmekraftwerken, die ebenfalls Gas nutzen. Dennoch sind die Strompreise im Großhandel binnen zwölf Monaten um das Zweieinhalbfache gestiegen.

Warum dabei Gas eine so große Rolle spielt? Das liegt an der Struktur der europäischen Energiemärkte. Der Strommarkt funktioniert wie jeder andere Markt, Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. Strom wird über Auktionen verkauft. Dabei gilt, dass das Angebot mit dem höchsten Preis, das gerade noch gebraucht wird, um die Nachfrage zu befriedigen, den Gesamtpreis für alle Stromanbieter und -käufer bestimmt. Das ist der gesetzlich festgelegte Mechanismus. In der Praxis bedeutet das aktuell, dass, wenn ein paar Produzenten mit Gaskraftwerken ihre Preise anheben müssen, um kostendeckend zu arbeiten, dies die Preise am gesamten Markt nach oben treibt. Auch für Energieunternehmen wie zum Beispiel den Verbund, die kaum Gas einsetzen und ihren Strom eigentlich viel günstiger verkaufen könnten.

Strom soll billiger werden

Beim Strompreisdeckel geht es darum, diesen Mechanismus zu nutzen, um Strom billiger zu machen. Sprich: Der Staat würde Gas, das für die Stromerzeugung benötigt wird, subventionieren. So wie zuvor das teure Gas den Preisanstieg im gesamten Strommarkt angefacht hat, würde das billige Gas den Preis am gesamten Strommarkt im Idealfall drücken. Unternehmen, die den Preisanstieg schon voll abbekommen, und Haushalte, bei denen das nach und nach der Fall sein wird, würden also von dem Eingriff profitieren. Die Windfall-Profite der Stromerzeuger wären damit eingedämmt.

In Spanien und Portugal, wo dieses System bereits seit gut einem Monat erprobt wird, gibt es erste Anzeichen dafür, dass der Preisdeckel funktioniert, sagt der Energiemarktexperte Lukas Stühlinger vom Beratungsunternehmen Fingreen. Er verweist auf Daten der Energiebörse EEX: Demnach kostet eine Megawattstunde Strom mit Lieferung im Oktober in Spanien 143 Euro, in Österreich 414 Euro. Auf der Iberischen Halbinsel ist also der Strom- vom Gaspreis entkoppelt.

Drei bis vier Milliarden Euro Kosten

Natürlich sind die Kosten der Intervention hoch, der frühere Chef der E-Control, Walter Boltz, rechnet mit drei bis vier Milliarden Euro. Doch ein Teil dieses Betrags könnte durch eine Abgabe, eine Art Solidaritätsbeitrag aller Haushalte, finanziert werden.

Noch einen Vorteil hätte ein Preisdeckel: Europa steckt in einer Inflationskrise fest. Die Furcht ist, dass die Preise immer weiter steigen und die Inflation sich selbst befeuert. Weil ihre Kosten steigen, müssen Unternehmen ihre Preise erhöhen, deshalb verlangen Arbeitnehmer mehr Geld, weshalb wieder die Preise steigen. Der Staat kann Geld ausschütten, die Inflation bekämpft er damit nicht. Eine Bremse für Strompreiskosten tut das aber potenziell sehr wohl. Am Ende ist der Strompreisdeckel auch ein Inflationsdeckel.

Wider den Strompreisdeckel

Wer den Strompreisdeckel in seiner bisher avanciertesten Form analysieren will, muss nach Spanien und Portugal blicken, wo er bereits eingeführt ist. Dort zeigt sich zwar, dass er seinen Zweck erfüllt und den Preis für Elektrizität billiger macht (siehe Spalte links). Allerdings: Zugleich handelt es sich um einen ziemlich komplizierten, weitreichenden Eingriff in den Markt, dessen dahinterliegende Ziele sich auf einfacheren Wegen ebenso erreichen lassen.

Wie funktioniert das iberische Modell? Der Gaspreis wird gedeckelt, bei rund 49 Euro pro Megawattstunde. Dadurch wird Elektrizität im Ganzen billiger, weil das teuerste Kraftwerk auf dem Strommarkt den Preis bestimmt – üblicherweise ein Gaskraftwerk.

Spanien ist nicht Österreich

Die augenscheinlichste Schwierigkeit daran ist, dass sich Spanien und Portugal nicht mit Österreich vergleichen lassen. Die iberischen Länder sind kaum mit dem gesamteuropäischen Strommarkt verflochten; Österreich hingegen sehr. Das heißt: Verbilligter Strom aus Österreich würde – aufgrund großer Preisunterschiede wegen des Deckels – sogleich in umliegende Staaten abfließen. Österreich bräuchte deshalb, im Gegensatz zur Iberischen Halbinsel, einen Strompreisdeckel, der für die ganze EU gilt. Oder zumindest jene zentraleuropäischen Staaten umfasst, mit denen Österreich marktmäßig verflochten ist. Das ist kein einfaches Unterfangen, wie man sich vorstellen kann.

Dazu kommen Probleme grundsätzlicherer Natur. Wer Preise künstlich deckelt, setzt Marktsignale außer Kraft. Diese Signale weisen Unternehmen wie Haushalte derzeit eindeutig darauf hin: Es ist rentabel, auf erneuerbare Energien umzusatteln. In Spanien und Portugal hingegen geht der Gasverbrauch infolge des Deckels weniger zurück als in anderen Staaten Europas, denn der Rohstoff wird ja billig gehalten.

Die Preissignale fehlen

Der Strompreisdeckel hat also gleich mehrere gewichtige Nachteile. Gleichzeitig jedoch steht außer Streit, dass man die Menschen davor beschützen muss, wegen schwindelerregender Energiepreise in die Verarmung abzurutschen. Lässt sich dieses Ziel ohne Strompreisdeckel erreichen?

Ja – es gibt gelindere Möglichkeiten, die trotzdem wirkungsvoll sind. Man könnte bei den Endkunden ansetzen. Eine Idee: Diese bekommen schlicht einen Teil ihrer Stromrechnungen vom Staat ersetzt. Hier schwirren unterschiedliche Konzepte herum. Gabriel Felbermayr etwa, Chef des Wiener Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), schlägt vor, dass Haushalte bei der Finanzierung eines Grundverbrauchs an Energie Unterstützung bekommen sollen. Dafür wären auf jenen Konsum, der darüber hinausgeht, hohe Kosten fällig.

Markteingriff bei Marktmanipulation

Eine Möglichkeit, derartige Maßnahmen zu finanzieren, wäre eine Übergewinnsteuer auf die derzeit exorbitant hohen Gewinne mancher Energieunternehmen. Sie profitieren davon, dass der Strompreis derart hoch ist. Dieser Umstand rührt wiederum daher, dass ein Marktteilnehmer mit monopolartiger Macht – die russische Gazprom – den Gaspreis hochtreibt, was den Strompreis mitzieht.

In einer solchen Situation manipulierter Märkte ist es durchaus zulässig, dass Staaten in ebendiese Märkte eingreifen. Es gibt viele brauchbare Maßnahmen, die Menschen vor den schlimmsten Auswirkungen der Energiekrise zu schützen. Der Strompreisdeckel jedoch zählt nicht dazu. (Joseph Gepp, András Szigetvari, 13.7.2022)