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Brandon Flowers im schicken Showanzug. Hier bei einem Auftritt Anfang Juni in London.

Foto: Getty Images/Micky J Sims

Las Vegas hat sich während der letzten Jahre sehr verändert. Man versucht, den halbseidenen, verruchten und ein wenig grindigen Erwachsenenspielplatz des vergangenen Jahrhunderts zum sauberen nächtlichen Freizeitpark für die ganze Familie umzubauen. Das belegt vor dem Konzert der aus Las Vegas kommenden Band The Killers auf der Bühne der Wiener Stadthalle auch ein einsamer Roadie. Der muss am Ende der Umbaupause nach dem Auftritt der deiner und meiner Oma sehr gut gefallenden britischen Pfarrheim-Popper The Lathums die Bühne mit einem Staubsauger von etwaigem Schmutz befreien. Wenn es um Sauberkeit geht, sind The Killers knallhart drauf.

Die Band um den weltweit unter jüngeren Leuten wohl bekanntesten aller Mormonen, dem im glänzenden Showanzug mit Schlaghose steckenden Brandon Flowers, passt zum neuen, auch auf der Bühne optisch gepflegten Las-Vegas-Image wie die Faust aufs Auge. Wo sonst als in der sündigen Umgebung einer Stadt der Spieler und Ehebrecher kann man besser den Versuchungen des Teufels ein wenig nachgeben, aber auch heftig widerstehen?

In When You Were Young, einem ihrer bekanntesten und in Wien natürlich auch gespielten Songs, heißt es: "They say the devil’s water, it ain’t so sweet. You don’t have to drink right now, but you can dip your feet in every once in a little while." Deshalb singt Brandon Flowers auch gleich zu Beginn unter einem schweren Konfettibombardement des Saals im vom aktuellen Album Imploding the Mirage stammenden Lied My Own Soul’s Warning: "I just wanted to get back to where you are." Der reuige Sünder kehrt heim und so weiter. Das Cover ziert ein religiöses Motiv. Auch in Stücken aus dem Liveprogramm wie Fire in Bone lassen sich zahlreiche Referenzen an das Neue Testament herauslesen.

Mehrwert mit Sonnenaufgang

Musikalisch setzen The Killers auf Mehrwert. Mehr bedeutet: Der pathetisch hochaufgeladene, nach Freiheit und Richtung Sonnenaufgang oder auch nur nach Sühne, Vergebung und Erlösung strebende Rock eines Bruce Springsteen, den Brandon Flowers sehr genau studiert hat, wird vor allem in den schneidig gesungenen Refrains noch einmal zusätzlich mit Pathos befeuert. Immerhin kennt Brandon Flowers auch das missionarische Werk von U2 sehr genau. In Wien hört man unter anderem auch Jenny Was a Friend of Mine mit seiner sagenhaften, an David Bowies experimentellere Phase erinnernden Basslinie.

Die Liebe für den natürlich ebenfalls pathetischen Synthesizer-Pomp der 1980er-Jahre offenbart sich im Stück Human ("Are we human or a we dancer?") ebenso wie die etwas räudigere Gangart des Postpunk mit einer Coverversion von Joy Divisions Shadowplay dokumentiert wird. Bevor im Song Dying Breed das Gute im Menschen mit einem Weltüberwältigungsrefrain beschworen wird, der so nur in den USA gebaut wird, hört man noch klug eingebaute Samples der deutschen Krautrock-Legenden Neu! und Can.

Das beweist, dass abseits der gottesfürchtigen Kunst der Killers, die mit neunköpfiger Band in der nicht ganz ausverkauften Wiener Stadthalle stehen, auch ein gediegener Musikgeschmack abseits christlicher Elevation und Kirchenmusik für das Neonzeitalter vorhanden ist.

Laserblitze fahren in den Saal. Der Saal singt bei den großen Hits, Human, Somebody Told Me und Mr. Brightside, begeistert mit. Schon wieder explodiert eine Konfettibombe. Da wird nach dem Konzert ein Staubsauger nicht reichen. Es muss gekärchert werden. (Christian Schachinger, 13.7.2022)