Der Straßenverkehr gehört zu den größten Baustellen im Klimaschutz in Österreich. Dort steigen die CO2-Emissionen wieder kräftig.

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Wien – Die Treibhausgasemissionen in Österreich weisen nach einer aktuellen Wifo-Schätzung sinkende Tendenz auf – mit Ausnahme des Transportsektors. Das geht aus der jüngsten Schätzung des Wirtschaftsforschungsinstitutes hervor. Erreichbar ist das im Regierungsprogramm festgeschriebene Ziel, bis 2040 klimaneutral zu werden, allerdings nicht, sagt Wifo-Umweltökonomin Claudia Kettner bei der Vorstellung des neuen Prognosetools "Alice", mit dem das Wifo analog zur Konjunkturprognose die Entwicklung der CO2-Emissionen monitoren will.

Trotz des für heuer prognostizierten Wirtschaftswachstums von 4,3 Prozent dürften die Emissionen heuer um 1,8 Prozent und 2023 bei schwächerer Konjunkturlage um weitere 1,1 Prozent sinken. Würde dieser Trend fortgeschrieben, sei das geschätzt wohl erst bis etwa 2065 oder 2070 möglich, rechnete Wifo-Direktor Gabriel Felbermayr am Mittwoch in einem Pressegespräch vor. "Wir müssen alles mobilisieren, um Energie auch bei privaten Haushalten einzusparen", mahnt Felbermayr.

Leichter Rückgang

Wiewohl der Ausbau der erneuerbaren Energie und die Gebäudesanierung Früchte zu tragen beginnen: Lorbeeren zum Ausruhen gibt der Trend nicht her. Denn die aktuelle Gaskrise mit exorbitant steigenden Preisen ist in der Schnellschätzung noch gar nicht berücksichtigt, ebenso wenig der Krieg in der Ukraine. Beides führt aktuell zu Reaktivierung von Öl- und Kohlekraftwerken, die den Treibhausgasausstoß mit Sicherheit nicht senken.

Der Rückgang der Emissionen im Jahr 2020 war Corona geschuldet und somit ein Einmaleffekt, der 2021 bereits wieder verpuffte. 2020 sanken die Emissionen laut Umweltbundesamt gegenüber 2019 um 7,7 Prozent auf 73,6 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente.

Vor diesem Hintergrund sei eine allfällige weitere Verschiebung der CO2-Bepreisung in den Sektoren Verkehr, Hausbrand (Gebäude) und in der Industrie, die noch nicht dem EU-Emissionshandelssystem unterliegt, keinesfalls empfehlenswert, sagen die Wifo-Ökonomen. Bereits die Verschiebung in den Herbst sei "keine gute Idee" gewesen. "Die Preissignale müssen bei den Verbrauchern und in der Wirtschaft ankommen und sozial abgefedert werden", sagt Felbermayr. "Wir müssen alles, was wir können, mobilisieren, um Energie einzusparen." Das habe kurzfristig den größten Hebel und könnte, wie berichtet, über eine Stützung des Grundbedarfs abgefedert werden. Alles darüber hinaus sollte zum Marktpreis konsumiert werden, sonst spare niemand Energie. Ein Preisdeckel hingegen wäre das falsche Signal.

Viel Verkehr trotz hoher Treibstoffpreise

Größte Baustelle in Sachen Emissionssenkung ist unverändert der Verkehrsbereich – obwohl die hohen Energiepreise 2022 und 2023 erwarten lassen, dass die Ausstöße im Straßengüterverkehr und im motorisierten Individualverkehr gedämpft wachsen dürften.

Insgesamt rät Wifo-Ökonomin Claudia Kettner trotz Dringlichkeit von Hauruckaktionen ab. Besser wäre eine zügige Festlegung von konkreten Reduktionszielen für jeden einzelnen Sektor, von Energie, Industrie, Bergbau und Bau über Transportwesen, Dienstleistung, Wohngebäude bis hin zu Land- und Forstwirtschaft. Das Monitoring mit vierteljährlichen Analysen soll dabei helfen, allfällige Abweichungen aufzuspüren und frühzeitig gegenzusteuern. "Die Nichterreichung der Ziele wird auch teuer, weil als Ersatz Zertifikate zugekauft werden müssen", warnt Felbermayr. Denn selbst wenn die Energiepreise irgendwann wieder sinken, würden Sparbedarf und Einsparanreize bleiben. (ung, 13.7.2022)