In Vorarlberg sorgt der Personalmangel in Kinderbetreuungseinrichtungen für spürbare Auswirkungen: Die Stadt Feldkirch muss das Betreuungsangebot einschränken, eine berufstätige, alleinerziehende Mutter erhielt erst nach einer Intervention einen Betreuungsplatz.

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In ganz Vorarlberg mangelt es an Kindergartenpädagoginnen – und das nicht erst seit kurzem. Mittlerweile ist der Personalmangel aber schon so eklatant, dass sich manche Gemeinden bzw. Städte gezwungen sehen, das Kinderbetreuungsangebot einzuschränken. Vor wenigen Tagen gab etwa die Stadt Feldkirch bekannt, dass ab Herbst nachmittags nur noch Kinder in den Kindergarten dürfen, deren Eltern arbeiten müssen oder eine Ausbildung besuchen. Für alle anderen mit einem Platz gibt es Betreuung zwischen acht und zwölf Uhr.

Bürgermeister bedauert und verweist auf Tagesmütter

"Ich bedaure sehr, dass dieser Schritt nötig war, denn mir ist bewusst, welche Belastung dies für die betroffenen Familien bedeutet", schreibt ÖVP-Bürgermeister Wolfgang Matt in einem Beitrag auf der Website der Stadt. Er wolle an dieser Stelle "auch auf die Betreuungsmöglichkeiten durch Tagesmütter hinweisen".

Kindern im Alter von drei bis sechs Jahren stehen in Feldkirch – die Stadt hat etwas mehr als 30.000 Einwohner – acht städtische sowie vier private Kindergärten zur Verfügung. Für die Kleinkindbetreuung (bis drei Jahre) gibt es zwei städtische und vier private Einrichtungen und zwei weitere Spielgruppen. Aktuell würden in Feldkirch 21 Vollzeitangestellte in Kindergärten fehlen – in Bregenz und Dornbirn sieht es ähnlich schlecht aus, dort sind Stadtvertreter aber noch zuversichtlich, das Betreuungsangebot ab Herbst aufrechterhalten zu können.

Wenn auch Berufstätige keinen Platz bekommen

Dass aber auch berufstätige Eltern teils nicht nur mit zu wenig Betreuung, sondern mit gar keinem Platz dastehen, zeigt das Beispiel der alleinerziehenden Şahika Cakir. Die 31-Jährige arbeitet derzeit an vier Vormittagen als Disponentin in einem Autohaus, ab Herbst sollen es fünf Vormittage sein. Allerdings: Für ihren Sohn, der im Jänner vier Jahre alt wird, erhielt Cakir keinen Kindergartenplatz. "Derzeit besucht er noch eine Spielgruppe, aber da ist ab Oktober auch kein Platz mehr." Ab Herbst wäre die Mutter also ganz ohne Betreuung dagestanden. "Ich musste den Brief der Stadt zweimal lesen, weil ich so geschockt war. An eine Absage hätte ich gar nicht gedacht."

Wie kann das sein? Laut Kindergartengesetz spielt das Alter des Sohnes eine wichtige Rolle, allerdings ist das nicht das einzige Kriterium: Es hätte demnach nur Anspruch bestanden, wenn er bereits vier Jahre alt wäre und es einen Platz gibt. Gibt es aber keinen Platz, dann erfolgt die Reihung nach Alter und "erzieherischen Gründen", Berufstätigkeit gehört nicht dazu.

Eine kurzfristige Notlösung

Verzweiflung und Ratlosigkeit machten sich bei der jungen Frau breit. "Ich dachte, dass ich jetzt meinen Job kündigen müsste. Aber das geht ja auch nicht, ich brauche doch das Geld. Und meine Eltern kann ich nicht so sehr einspannen." Vergangene Woche besuchte Cakir deswegen die Stadtvertretungssitzung und wollte ihre Situation dort schildern. "Zuerst hab ich mich nicht getraut etwas zu sagen. Da waren nur Politiker, und ich habe so etwas ja noch nie gemacht. Aber dann habe ich mir gedacht, wenn ich jetzt nicht aufstehe und etwas sage, dann macht das niemand." Die Reaktionen seien relativ unspektakulär gewesen, meint die Vorarlbergerin mit türkischen Wurzeln. "Die haben gesagt, sie kennen die Lage, aber die Hände seien ihnen gebunden. Es liege eben am Personalmangel."

Ihr Vorsprechen sorgt dennoch für Bewegung: Mittlerweile hat Cakir die Zusage für einen Betreuungsplatz in einem reinen Outdoor-Kindergarten ab Oktober. Zufrieden ist sie damit aber nicht. "Das ist eine provisorische Gruppe, über die ich überhaupt nichts weiß. Mein Sohn war jetzt schon oft verschnupft, wie wird das werden, wenn er permanent draußen ist? Ich kann es mir eigentlich nicht leisten, die Hälfte der Woche bei einem kranken Kind daheim zu sein." Auch dass sie in mehr bzw. professionellere Kleidung für das Spielen im Freien bei Wind und Wetter investieren müsse, sei eine große Herausforderung. Und dann sei da auch noch die Entfernung: Cakir müsse einmal im Frühverkehr quer durch die ganze Stadt, nur um dann wieder in die ganz andere Richtung zu ihrem Arbeitsplatz zu fahren. "Ich werde noch einmal zur Gemeinde gehen und schauen, ob es nicht noch eine andere Lösung gibt. Es muss eine bessere Lösung geben."

Neos und Grüne mit Kritik

Bei der Stadtversammlung anwesend war auch die Nationalratsabgeordnete der Grünen, Nina Tomaselli, die aus einem Nachbarort von Feldkirch kommt. Sie hält die Vorgehensweise der Stadt für unverantwortlich und eine "skandalöse Untätigkeit". Tomaselli: "Frauen werden aufgrund politischer Gleichgültigkeit zu Sozialleistungsempfängerinnen gemacht." Eine verlässliche Kinderbetreuung sei das A und O für Eltern.

Johannes Gasser, Bereichssprecher für unter anderem Familien und Gleichstellung bei den Neos, empört die Geschichte. "Vorarlbergs Mütter wollen auf eigenen Beinen stehen, finanziell für ihre Familien sorgen und arbeiten gehen. Sie wollen sicher nicht zu Sozialhilfebezieherinnen degradiert werden."

Auch neues Gesetz schaffe keine Verbesserungen

Der pinke Abgeordnete übt vor allem an der Volkspartei Kritik, die es mit dem erst kürzlich formulierten Kinderbetreuungsgesetz verabsäumt habe, die Rahmenbedingungen für die Zukunft zu verbessern. Der Gesetzesentwurf sieht keinen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung vor, was von vielen Seiten gefordert wurde, stattdessen erhalten Gemeinden einen Versorgungsauftrag – ein Anspruch ist nicht einklagbar. Seit Jahren hinke die ÖVP den Bedürfnissen der Vorarlberger Familien hinterher, meint Gasser. "Es hätte vor Anfang an eine vorausschauende Personalplanung gebraucht, um den steigenden Bedarf decken zu können." Die schwarz-grüne Landesregierung habe klar versagt. Das neue Kinderbetreuungsgesetz werde an der Situation kaum etwas verbessern, solange sich die personellen und organisatorischen Rahmenbedingungen nicht ändern. (Lara Hagen, 15.7.2022)