Kurz-Karikatur mit Handschellen am "Falter"-Cover.

Foto: afp, JOE KLAMAR

Wien – Der ehemalige Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in Handschellen und Medienmacher Wolfgang Fellner mit pinker Unterwäsche in der Hand, aber ohne Kleidung am Leib: Der Presserat sah in den beiden im Vorjahr im "Falter" erschienenen Karikaturen keinen Grund für die Einleitung eines Verfahrens. Ein Leser wandte sich an das Selbstkontrollorgan, da er in Hinblick auf Kurz die Unschuldsvermutung verletzt sah. Bei Fellner solle nach Ansicht eines Lesers Verächtlichmachung wie auch "Bodyshaming" vorliegen.

Der Senat 3 des Presserats hielt fest, dass die Presse- und Meinungsfreiheit bei Satire und Karikatur besonders weit auszulegen seien. Die kritisierte Kurz-Karikatur bezieht sich auf die strafrechtlichen Ermittlungen gegen den ehemaligen ÖVP-Politiker. Vor diesem Hintergrund weise die zugespitzte Darstellung mit Handschellen einen entsprechenden Sachbezug auf und greife zudem ein Thema von großem öffentlichen Interesse auf, befand der Senat.

Öffentliches Interesse

Auch die satirische Darstellung Fellners weise in Hinblick auf die Gerichtsverhandlungen rund um sexuelle Belästigungsvorwürfe ehemaliger Mitarbeiterinnen einen Sachbezug auf. Diskussionen über sexuelles Fehlverhalten seien von öffentlichem Interesse. Die Nacktdarstellung Fellners – sein Kopf wurde auf einen nackten, übergewichtigen Oberkörper montiert – betreffe zwar grundsätzlich die Intimsphäre des Abgebildeten.

Im vorliegenden Kontext sei sie jedoch damit zu rechtfertigen, dass die Fotomontage auf die in der Öffentlichkeit breit diskutierten konkreten Vorwürfe der sexuellen Belästigung anspielt und nicht darauf zielt, übergewichtige Personen als solche zu diskriminieren. Zudem sei aufgrund der plumpen und übertriebenen Gestaltung erkennbar, dass es sich um eine Montage und nicht den echten nackten Körper des Medienmachers handelt, meinte der Senat 3 des Presserats.

"Durch den offenkundig satirischen Charakter liegt weder eine Verletzung der Unschuldsvermutung von Sebastian Kurz noch ein Eingriff in die Intimsphäre von Wolfgang Fellner vor", so der Presserat, "die Veröffentlichungsinteressen des Mediums sind gegenüber den Persönlichkeitsinteressen der Abgebildeten stärker zu gewichten". (APA, red, 13.7.2022)