Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen, soeben auf Kurzbesuch in Wien gewesen, ist der beliebteste Politiker seines Landes. Weil er gute Nachrichten zu verkünden hat? Nein. Er wird geschätzt, sagen die Experten, weil er den Leuten reinen Wein einschenkt. Einer seiner vielzitierten Aussprüche: "Wir werden alle ärmer werden."

Seit die Gaskrise wirklich akut geworden ist, ist überall guter Rat teuer. Bei uns führt das zu einer einigermaßen unbefriedigenden Diskussion. Opposition und Medien veranstalten ein Dauerfeuer gegen eine Regierung, die "streitet", "nichts tut", keinen "Masterplan" hat, "zuschaut", keine "Lösungen" anbietet. Vonseiten der Regierung kommen Signale, man erwäge Maßnahmen und hätte alles unter Kontrolle. Über all dem schwebt die unausgesprochene Erwartung, dass "man" – also der Staat – wirklich schlimme Entwicklungen völlig verhindern kann.

Schlechte Zeiten werden kommen

Da wirkt es erfrischend, wenn jemand offen sagt: Schlechte Zeiten werden kommen, und zwar nicht vielleicht, sondern sicher. Es geht den Menschen dabei so ähnlich wie einem Patienten, dem sein Arzt unverblümt erklärt, dass er schwerkrank ist. Besser, er weiß, wie er dran ist, als er wird darüber in Unsicherheit gelassen. Dabei spielt auch die Tatsache eine Rolle, dass die jetzt aktive Generation in ihrer Lebenszeit immer nur Verbesserungen ihrer Lebensumstände erlebt hat. Die Jahrzehnte von der Nachkriegszeit bis jetzt waren goldene Jahre. Wiederaufbau. Wirtschaftswunder. Globalisierung und steigende Einkommen. Dass es nicht immer so weitergehen muss, ist eine Vorstellung, die dieser Generation fremd ist.

Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck wird geschätzt, weil er den Leuten reinen Wein einschenkt.
Foto: DHK / Günther Peroutka

Die Alten können sich noch an Kriegsnot und Nachkriegselend erinnern. Und die Jungen haben bereits die Erfahrung gemacht, dass ein sicherer Job keine Selbstverständlichkeit mehr ist und dass etwa in der Wissenschaft, im Journalismus, auch im öffentlichen Dienst befristete Verträge heute gang und gäbe sind. Arbeitslosigkeit ist ein Schicksal, mit dem jeder rechnen muss. Und wer nach Osteuropa oder auch in die USA blickt, dem dämmert es mittlerweile allmählich, dass der Sozialstaat und die Demokratie keineswegs uneinnehmbare sichere Festungen bilden. Sie können schneller weg sein, als man es sich noch vor kurzem vorstellen konnte.

Wir halten das aus

Schlechte Zeiten hat es in der Geschichte immer gegeben. Jahrzehntelange Perioden des Friedens und des Wohlstands waren Ausnahmen, nicht die Regel. Bedeutet das, die Menschen müssten in der derzeitigen Situation in Resignation und Pessimismus verfallen? Nein. Robert Habeck sagte es im Fernsehen vor kurzem so: Für die Unterstützung der Ukraine in diesem Krieg müssen wir einen Preis zahlen. Das wird uns Wohlstand kosten. Aber wir können viel aushalten.

Ein hartes Wort. Und wie war die Reaktion der deutschen Öffentlichkeit? Empörung und Protest? Nein. Weitgehende Zustimmung. Gut, dass jemand unverblümt die Wahrheit sagt, meinten die Leute, auch wenn diese unangenehm ist. Anzunehmen, dass die Österreicher nicht viel anders reagieren würden. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 14.7.2022)