Der Eurokurs sank zuletzt.

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Erstmals seit gut zwanzig Jahren ist der Euro weniger als einen US-Dollar wert. Am Mittwoch fiel die Gemeinschaftswährung kurzzeitig unter die Marke von einem Dollar. Im Tief wurde ein Kurs von 0,9998 Dollar markiert. Es ist das erste Mal seit Ende 2002, dass der Euro unter Parität zur US-Währung fällt. Darunter versteht man ein Tauschverhältnis eins zu eins. Am Dienstag war der Euro genau auf Parität zum Dollar gefallen. Was sind die Ursachen und Folgen?

Warum ist der Euro so schwach?

Fachleute erklären die Euroschwäche vor allem mit zwei Entwicklungen. Zum einen geht derzeit die Furcht vor einem wirtschaftlichen Absturz um. "Die Rezessionsängste in Europa verschärfen sich", kommentieren Analysten der Commerzbank. Die Experten der Dekabank pflichten bei: "Konjunkturangst greift um sich."

Dafür gibt es einige Gründe, vor allem aber hat der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine die hohe Abhängigkeit Europas von russischen Gaslieferungen drastisch vor Augen geführt. Russland hat seine Lieferungen bereits stark reduziert. Sollten sie ganz ausbleiben, könnte dies eine tiefe wirtschaftliche Rezession auslösen.

Es gibt einen zweiten wichtigen Grund für die ausgeprägte Euroschwäche, nämlich die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB).

Welche Rolle spielt die Europäische Zentralbank?

Viele andere Notenbanken, allen voran die mächtige US-Notenbank Federal Reserve, haben den Kampf gegen die hohe Inflation bereits aufgenommen und ihre Leitzinsen meist deutlich angehoben.

Die EZB stellt allerdings eine der wenigen Ausnahmen dar, sie hat sich bisher nur zu einer Ankündigung durchgerungen. Im Juli sollen die Leitzinsen im Euroraum erstmals seit elf Jahren steigen – allerdings nur um 0,25 Prozentpunkte. Das ist im Vergleich zu anderen Zentralbanken wenig.

Der Euro hat an Strahlkraft verloren.
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Was sind die Nachteile eines schwachen Euro?

Die zunehmende Schwäche des Euro kommt im aktuellen Umfeld mit sehr hohen Inflationsraten äußerst ungelegen. Denn je niedriger der Wechselkurs der Gemeinschaftswährung ist, desto stärker werden im Verhältnis andere Währungen wie beispielsweise der US-Dollar. Das führt dazu, dass nach Österreich eingeführte Waren teurer werden. Die bereits hohe Inflation wird dadurch zusätzlich angefacht.

Verbraucher und Verbraucherinnen müssen bei sinkendem Eurokurs also noch tiefer in die Tasche greifen, um ihre Lebenshaltungskosten zu stemmen. Vor allem die bereits hohen Energie- und Rohstoffpreise drohen weiter zu steigen.

Denn gezahlt wird international üblich in US-Dollar. Und der auch Greenback genannte Dollar wertet auf, wenn der Euro abwertet. Auch der Urlaub in vielen Ländern ohne die Gemeinschaftswährung dürfte mit fallendem Euro tendenziell teurer werden. Und natürlich wird der Inflationskampf der EZB noch schwieriger.

Gibt es auch Profiteure?

Ja, insbesondere in den Exportnationen Deutschland und Österreich. Denn dortige Waren werden mit fallendem Eurowechselkurs für andere Länder günstiger. Ein wechselkursbedingter Nachfrageschub könnte also dazu führen, dass die befürchtete wirtschaftliche Abschwächung zumindest abgebremst wird.

Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die wirtschaftliche Lage in vielen anderen Ländern ähnlich ungünstig wie in Deutschland ist. Die Auslandsnachfrage dürfte konjunkturell bedingt also eher fallen als steigen – was den positiven Nachfrageeffekt durch den schwachen Euro zumindest ausbremst.

Wie geht es nun weiter?

Besondere wirtschaftliche Auswirkungen hat ein Kursverfall auf Parität oder darunter zwar nicht. Allerdings ist die Signalwirkung groß: So wurde zur Einführung des Euro für die Kursdarstellung nicht wie zuvor für die D-Mark eine Notierung gewählt, die fragt: "Was kostet der US-Dollar?" Stattdessen hat man sich für die umgekehrte Sichtweise entschieden, bei der gefragt wird: "Was kostet der Euro?"

Damit wollte man wohl auch ein Zeichen für die wirtschaftliche Stärke und Unabhängigkeit der Währungsunion setzen. Sinkt der Kurs dauerhaft unter Parität, dürfte das dem internationalen Ruf des Euro eher schaden als nutzen. (APA, 13.7.2022)