Autofahrerinnen und Autofahrer kennen das. Wenn man sich auf der Autobahn auf Tempo 100 beschränkt, wandert der Zeiger der Füllstandsanzeige deutlich langsamer Richtung Leerstand. Ebenso langsamer leert sich an der Tankstelle die Geldbörse.

Was sich positiv auf die Finanzen des Einzelnen auswirkt, ist auch energie- und klimapolitisch höchst notwendig. Ein strikteres Tempolimit beim Autofahren ist die Einzelmaßnahme, die die größten Einsparungen überhaupt bringt. Und zwar auf einen Schlag – per Federstrich des Gesetzgebers. Ohne einen Cent an Investitionen zu benötigen. Und ohne einen einzigen Tag an Vorlaufzeit – während andere Maßnahmen, etwa der Ausbau erneuerbarer Energien, viele Jahre brauchen.

Tempo 100 statt 130 auf der Autobahn etwa bringt laut Experten ungefähr ein Viertel Energieersparnis pro Auto. Bedenkt man, dass Österreichs Flotte aus insgesamt 7,2 Millionen Fahrzeugen besteht, zeigt sich das enorme Energiesparpotenzial, das hier schlummert.

Die neue Ölkrise bringt Zeitdruck

Dieses Potenzial zu nutzen ist umso wichtiger, weil sich die internationale Gaskrise gerade zu einer Ölkrise ausweitet. Österreichs Regierung hat staatliche Erdölreserven freigegeben. In einem Brief an Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) von Ende Juni, der der SPÖ zugespielt wurde, warnt die OMV vor "ernsthaften Versorgungsengpässen" bei Treibstoff. Der Hintergrund: Russland blockiert Häfen, an denen kasachisches Erdöl nach Europa verschifft wird. Dazu kommt ein verhängnisvoller Unfall in der OMV-Raffinerie in Schwechat Anfang Juni; seither läuft die Anlage mit einem Bruchteil ihrer Kapazität.

Gewessler begnügt sich bisher mit ein paar höflichen Hinweisen, die Menschen mögen langsamer fahren.
Foto: APA/TOBIAS STEINMAURER

Doch Tempolimits helfen nicht nur gegen Engpässe, sie bringen auch in einem Bereich Fortschritte, der seit Russlands Überfall auf die Ukraine Ende Februar fast schon als Nebenschauplatz gilt: im Klimaschutz. Einem Bericht des Umweltbundesamts von 2018 zufolge ließen sich durch Tempolimits auf Schnell- und Landstraßen jährlich 0,8 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Das entspricht knapp einem Fünftel der CO2-Reduktionsziele im Verkehrssektor, zu denen sich Österreich verpflichtet hat. Es wäre ein riesiger Schritt nach vorn.

Empfehlungen sind zu wenig

Striktere Tempolimits sind also ein vergleichsweise gelindes Mittel, das äußerst große Wirkung erzielt. Gerade in einer Phase energiepolitischer Verwerfungen – samt dringendem Gebot einzusparen – hätte man längst davon Gebrauch machen müssen. Aber was tut die türkis-grüne Regierung? Gewessler begnügt sich bisher mit ein paar höflichen Hinweisen, die Menschen mögen langsamer fahren. Auch in der angekündigten Energiesparkampagne der Ministerin wird Langsamfahren vorkommen; freilich auch hier nur als Empfehlung. Bei einer Reform der Tempolimits hätten Österreichs Landeshauptleute ein Mitspracherecht. Deren Zustimmung ist fraglich, selbst in der derzeitigen Ausnahmesituation. Doch zumindest wäre es Aufgabe des grünen Juniorpartners in der Regierung, die Forderung und deren Notwendigkeit klar und deutlich darzulegen. Und, falls notwendig, ebenso klar zu benennen, an wem es scheitert.

Doch das scheuen die Grünen – offenbar aus Angst davor, in den Augen von Teilen der Bevölkerung und der Boulevardmedien als gouvernantenhafte Verbotspartei dazustehen. In einer Situation wie dieser ist das geradezu fahrlässig. (Joseph Gepp, 13.7.2022)