Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) bezifferte das Entlastungspaket auf 28,8 Milliarden Euro. Die Zahl wirft Fragen auf.

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Wann immer eine Regierung ein Entlastungspaket präsentiert, sind die Zahlen mit Vorsicht zu genießen. Als die türkis-grüne Koalition Mitte Juni ihre angeblich 28,8 Milliarden Euro schweren Antiteuerungsmaßnahmen vorlegte, rückten schon bald Experten aus, um auf Unschärfen in der Rechnung hinzuweisen. Ein Beispiel: Der größte Teil der Entlastung kommt zustande, weil die kalte Progression ab 2023 abgeschafft wird, weil also Steuerstufen künftig mit der Inflation mitwachsen und diverse Sozialleistungen valorisiert werden.

Zwischen 2023 und 2026 werden dadurch den Bürgerinnen und Bürgern zusätzlich 16,3 Milliarden Euro zusätzlich im Börserl verbleiben, rechnete das Finanzministerium vor. Der Fiskalrat beziffert dagegen die Entlastungswirkung auf 14,2 Milliarden Euro. Wie die gewaltige Differenz zustande kommt? Das liegt vor allem daran, dass das Finanzministerium in allen Folgejahren eine recht hohe Inflationsrate annimmt. Eine höhere Inflation bedeutet, dass die Maßnahme teurer wird.

Während hier Annahmen für weit in die Zukunft für die Differenz sorgen, hat der Budgetdienst des Nationalrats einen recht konkreten Fall von Zahlenkosmetik im Antiteuerungspaket entdeckt.

Fragen zum Absetzbetrag

Konkret geht es dabei um den Teuerungsabsetzbetrag von 500 Euro. Dieser soll Arbeitnehmern in Österreich mit geringen und mittleren Einkommen zugutekommen.

Nach Angaben des Finanzministeriums bringt der Absetzbetrag eine Entlastung von insgesamt einer Milliarde Euro. "Die Berechnungen des Budgetdienstes haben ein deutlich geringeres Entlastungsvolumen ergeben", heißt es in einem Bericht des Budgetdienstes dazu. Zuerst berichtet darüber hat die Wiener Zeitung. Wie groß diese Differenz ist, zeigt der Bericht nicht auf. Auch nicht, wodurch der Unterschied zustande kommt. Hat sich das Finanzministerium verrechnet, verschätzt? Das Finanzministerium dürfte optimistische Annahmen zur Beschäftigungsentwicklung getroffen haben. Je mehr Beschäftigung, umso höher die Entlastung hier.

Wie groß die Lücke ist? Je nach Rechenart soll es sich dem Vernehmen nach um mindestens 100 und um bis zu 300 Millionen Euro handeln.

Der Absetzbetrag kann bei der Veranlagung 2023 beantragt werden. Er vermindert also die Steuerschuld, beim Steuerausgleich ergibt sich dann eine Rückzahlung oder eine Gutschrift. Die maximale Entlastung erreicht der Absetzbetrag bei einem monatlichen Bruttolohn von 1100 bis 1800 Euro, wer mehr als 2500 Euro brutto verdient, bekommt den Absetzbetrag nicht mehr. Aber: Auch wer zu wenig verdient und keine Steuern zahlt, profitiert vom Absetzbetrag.

Im Finanzministerium heißt es, man könne die Rechnung des Budgetdienstes nicht nachvollziehen, solange nicht alle Annahmen offengelegt seien. Hausinterne Rechnungen kämen auf die Milliarde.

Grünes Anliegen

Der Absetzbetrag war vor allem den Grünen ein Anliegen. Im Vergleich mit anderen Maßnahmen des Antiteuerungspakets ist die Entlastung hier relativ treffsicher, weil Gutverdiener ausgenommen sind, dafür aber Geringverdiener auch etwas bekommen. "Wichtig ist mir, dass die 500 Euro auch wirklich bei den Menschen ankommen, und dafür haben wir bereits alle rechtlichen Voraussetzungen geschaffen", sagt der grüne Finanzsprecher Jakob Schwarz zu der Debatte.

Die Opposition zeigt sich erzürnt. Der Budgetdienst habe die Regierung "auf frischer Tat beim Schummeln ertappt", sagt SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch. Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker sprach vom "Märchen der großen Entlastung", er sieht das nächste Kapitel in einer unehrlichen Regierungspolitik geschrieben. Immer mehr Menschen gelangten durch die Inflation an die Grenze des Machbaren, die Regierung verteile "wirkungslose Einmalzahlungen". (András Szigetvari, 14.7.2022)