Drei Sessel nach links rutschte am Mittwoch Wolfgang Sobotka, der dem U-Ausschuss nicht vorsaß, sondern als Auskunftsperson geladen war – und Fragen routiniert abwehrte.

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Die Verfahrensanwältin spielt im U-Ausschuss meistens eine Nebenrolle: Ihre Aufgabe ist es, Grund- und Persönlichkeitsrechte der Auskunftsperson zu wahren. Meistens bringen diese ohnehin selbst eine Vertrauensperson mit, zum Beispiel Anwälte. Diese kann die Verfahrensanwältin dann unterstützen.

Am Mittwoch stand Verfahrensanwältin Barbara Weiß jedoch plötzlich im Zentrum einer hitzigen Debatte. Verwundert bemerkten die anwesenden Medienvertreter, dass die Stimmung im Ausschuss schon vor der Befragung von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) am Boden war – meist geht es bei der ersten Auskunftsperson der Woche noch recht gutgelaunt los.

Doch zu Beginn der Sitzung diskutierten die Abgeordneten und ihre Referenten noch ohne Medien einen Eklat, der sich vor zwei Wochen zugetragen haben soll: Weiß soll Informationen der SPÖ gegen deren Willen an die ÖVP weitergegeben haben. Eine noch nie dagewesene Situation, denn auch Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl konstatierte in einem Brief an Sobotka, der ja auch dem U-Ausschuss vorsitzt, Weiß habe "fehlende Äquidistanz" gezeigt.

Gewaltvorwürfe

Was war passiert? Die SPÖ teilte vor zwei Wochen Unterlagen aus, die eine Umfrage des Instituts Demox zeigten. Offenbar hatte die SPÖ diese Unterlagen von einer Person erhalten, die an der Umfrage teilgenommen hatte. Auf den ersten beiden Seiten befanden sich noch persönliche Daten des roten Informanten, was die SPÖ offenbar übersehen hatte. Nachdem man den Fehler bemerkt hatte, ging eine Referentin reihum und riss diese ersten beiden Seiten ab, um sie wieder einzusammeln. Das geschah widerspruchslos bei allen Fraktionen.

Die Verfahrensanwältin wollte die zwei Seiten jedoch nicht zurückgeben und gab sie sogar an den ÖVP-Abgeordneten Kurt Egger weiter. Das beobachtete ein Referent des Verfahrensrichters, der darüber einen Vermerk anlegte. Pöschl forderte daraufhin von Sobotka "Konsequenzen" für diese Aktion.

Weiß, die als Richterin am Bundesverwaltungsgericht tätig ist, räumte ein, die zwei Seiten an die türkise Fraktion weitergegeben zu haben. Sie habe dafür sorgen wollen, dass alle Abgeordneten den gleichen Wissensstand hätten, meinte sie in einem Brief an Sobotka. Außerdem behauptete sie, die SPÖ-Mitarbeiterin habe ihr die Papiere "mit Gewalt" entreißen wollen.

Das wollen Opposition und Grüne so nicht stehenlassen. Auch die ÖVP selbst distanzierte sich rasch und meinte, man habe die Seiten sofort zurückgegeben.

Welche Konsequenzen nun im Raum stehen, ist unklar – einen solchen Vorfall hat es bislang nicht gegeben. Weiß selbst blieb der Befragung am Mittwoch fern, sie wurde von einem Kollegen vertreten.

Als Sobotka dann mit einiger Verspätung vom Vorsitzenden zur Auskunftsperson avancierte, war die Aufregung überraschenderweise fast geringer als zuvor. Der Nationalratspräsident kündigte gleich an, trotz laufender Ermittlungen rund um Postenkorruption in seiner Zeit als Innenminister keine Entschlagungen vornehmen zu wollen. Inhaltlich wies Sobotka die Vorwürfe von sich.

Interventionsliste

Hinter einer Interventionsliste, die eine Referentin offenbar in seinem Auftrag anlegen sollte, sei lediglich ein "Dienstleistungsgedanke" gestanden, erklärte Sobotka. Er habe verschiedene Wünsche weitergegeben und darauf vertraut, dass mit diesen rechtens umgegangen werde.

Mit vielen Chatnachrichten aus dem Handy von Sobotkas früherem Kabinettschef Michael Kloibmüller, die im U-Ausschuss vorgelegt wurden, wollte Sobotka nichts zu tun haben. Wie Kloibmüller zu schreiben, man zeige den Sozen, "wo der Hammer hängt", sei laut Sobotka "nicht meine Diktion", und das teile er auch nicht.

Gekonnt ließ Sobotka die meisten Vorwürfe an sich abprallen, indem er die Verantwortung für Förderabwicklungen oder Agenturaufträge auf die zuständigen Fachabteilungen schob – etwa auch Inserate im Ybbstaler, der Wochenzeitung im Wahlbezirk des ÖVP-Fraktionsvorsitzenden Andreas Hanger. Das Innenministerium unter Sobotka sei das einzige Ministerium gewesen, das jemals im Ybbstaler inseriert habe, monierte Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper. Sobotka erklärte das mit "sicherheitspolitischen Interessen".

Arbeit mit WKStA "friktionsfrei"

Nach Sobotka waren dann zwei Beamte des Bundesamts für Korruptionsbekämpfung und -prävention (BAK) geladen, wobei eine der beiden wegen der fortgeschrittenen Zeit nicht mehr befragt wurde. Das BAK steht seit zwei Jahren ohne Chef da, nachdem dem vormaligen Direktor Andreas Wieselthaler ungebührliches Verhalten im Job vorgeworfen worden ist. Die Opposition denkt, dass das türkise Innenministerium das BAK ausbluten lassen will, um stattdessen Ressourcen in anderen Behörden wie dem Bundeskriminalamt zu stärken. Dort war ja auch die umstrittene Soko Tape angesiedelt, die für die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) im Ibiza-Verfahren tätig war. Mittlerweile hat die WKStA durchgesetzt, wieder mehr mit dem BAK zusammenarbeiten zu können.

Das Verhältnis zur WKStA sei jedenfalls "friktionsfrei", sagte der interimistische BAK-Direktor Otto Kerbl. Warum die Soko Tape nicht mit Mitarbeitern aus dem BAK besetzt worden sei, wisse er nicht. Bei besonders sensiblen Fällen werde Kerbl vor einer Maßnahme "grob informiert", in der Causa Beinschab etwa am Tag vor den Hausdurchsuchungen in Kanzleramt und ÖVP-Zentrale. Leaks könne er ausschließen und darüber wolle er auch nicht spekulieren.

Am Donnerstag wird noch Ex-Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) befragt, dann geht es für den U-Ausschuss in die Sommerpause. Im Herbst geht es dann womöglich mit einer neuen Verfahrensanwältin weiter. (Fabian Schmid, Renate Graber, 13.7.2022)