Der Vorgang zur Bestellung des neuen Rektors der Universität Graz wird nun von der Justiz geprüft.
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Die Vorgänge rund um die Bestellung des neuen Rektors der Karl-Franzens-Universität Graz beschäftigen nun auch die Staatsanwaltschaft Graz, wie Der STANDARD in Erfahrung brachte. Im Raum steht der Vorwurf, dass der bisherige Vizerektor Peter Riedler aufgrund seiner Verbindungen zur ÖVP das Rennen gemacht habe.

Diese Anschuldigung wurde an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) herangetragen. Die Anzeige stehe "im Zusammenhang mit dem Auswahlverfahren", heißt es seitens der WKStA, die den Fall an die Staatsanwaltschaft (StA) Graz weiterleitete. "Es wird von uns nun der Anfangsverdacht geprüft", sagt StA-Graz-Sprecher Hansjörg Bacher dem STANDARD. Für alle Involvierten gilt die Unschuldsvermutung.

Diskussionen um Ausschreibungstext

Worum geht es? Mit der Angelobung von Martin Polaschek im Dezember als Wissenschaftsminister wurde der Rektorenposten an der Uni Graz vakant. Bereits bei der Formulierung des Ausschreibungstextes gab es Diskussionen: Von potenziellen Kandidatinnen und Kandidaten wurde Erfahrung "in wissenschaftlicher Forschung und Lehre und/oder Wissenschaftsmanagement" verlangt. Üblicherweise werden sowohl wissenschaftliche Erfahrung wie auch Managementerfahrung gefordert. Bislang war das auch an der Uni Graz Usus.

Ulrich Pöschl, Direktor am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz, der sich erfolglos für die Stelle bewarb, kritisiert die Vorgänge um die Bestellung scharf. Pöschl war von einer Headhunting-Agentur zur Teilnahme am Auswahlverfahren eingeladen worden und nahm diese "Einladung nach anfänglichem Zögern an". In einem Schreiben an Wissenschaftsminister Polaschek, das dem STANDARD vorliegt, hielt Pöschl fest: "Aus meiner Sicht ist die Wahl eines Rektors ohne nennenswerte Erfahrung in Forschung und Lehre ein Sittenverfall, der den internationalen akademischen Standards widerspricht."

Der ehemalige Vizerektor der Universität Graz, Peter Riedler, machte das Rennen um die Uni-Leitung.
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Gut in ÖVP vernetzt

Vor dem Hintergrund, dass Riedler in der Volkspartei gut vernetzt ist – er war zwischen 2000 und 2007 Berater im Kabinett Wolfgang Schüssel und auch im Büro eines steirischen ÖVP-Landesrats tätig –, ortet Pöschl "ÖVP-Freunderlwirtschaft". Pöschl wollte sich auf Anfrage zur Causa nicht mehr zusätzlich äußern.

Eva Blimlinger, Wissenschaftssprecherin der Grünen und ehemalige Rektorin der Akademie der Bildenden Künste Wien, sieht kein Problem darin, wenn Personen ohne wissenschaftliche Expertise ins Rektorsamt berufen werden: "Wie Sie dem UG entnehmen können, kann nur eine Person ‚mit internationaler Erfahrung, Kenntnissen des österreichischen und europäischen Universitätssystems und der Fähigkeit zur organisatorischen und wirtschaftlichen Leitung einer Universität gewählt werden.‘ Das Gesetz sieht also nicht einmal einen formalen Studienabschluss vor", entgegnete Blimlinger auf Pöschls Vorwurf.

Wie lief das Verfahren ab? Die Bestellung eines Rektors oder einer Rektorin wird durch das Universitätsgesetz geregelt und findet im Wechselspiel zwischen einer Findungskommission (besetzt aus Universitätsrat und Senat), dem Uni-Senat und dem Universitätsrat statt.

Einvernehmliche Entscheidung

Die Ausschreibung erfolgt durch den Uni-Rat, der eine Kontrollfunktion ähnlich wie Aufsichtsräte von Unternehmen hat. Die Vorsitzende des Grazer Uni-Rats, Caroline List, Präsidentin des Grazer Straflandesgerichts, sagt zum strittigen Punkt in der Ausschreibung: "Wir sind in enger Abstimmung zwischen Uni-Rat und Senat vorgegangen und haben uns einvernehmlich für eine Und/oder-Version entschieden."

In Graz gingen insgesamt sieben Bewerbungen ein. Nach den Hearings nominierte die Findungskommission einen Dreiervorschlag. Im nächsten Schritt war der Uni-Senat mit einem Dreiervorschlag am Zug, aus dem wiederum der Uni-Rat den Rektor wählte. Untypisch: Beide Dreiervorschläge waren gereiht und enthielten dieselben Namen in exakt derselben Reihung – mit Riedler an der Spitze.

"Absolut fair"

Senatsvorsitzender Rainer Niemann begründet die Entscheidung zur Reihung mit dem klaren Votum im Senat. Für ihn wäre es "eine Pflichtverletzung des Senats gewesen, wenn er diese Präferenzen nicht kommuniziert hätte".

Der Vorsitzende der Findungskommission Hans Sünkel weist den Vorwurf der "ÖVP-Freunderlwirtschaft" zurück. "Es war ein hervorragend abgestimmter Prozess zwischen Uni-Rat, Senat und der Findungskommission", sagt Sünkel.

Für den gewählten Rektor Riedler hat sich das Verfahren "absolut fair, sehr sachlich und aufwendig" dargestellt. Zum Vorwurf der ÖVP-Freunderlwirtschaft sagt er: "Ich bin froh, dass es nicht zu einem Nachteil geworden ist, dass ich früher im Politikumfeld tätig war."

Schon die Bestellung Polascheks zum Rektor der Uni ging 2019 nicht kritiklos über die Bühne. Der damalige Uni-Rat-Vorsitzende und ehemalige Präsident des VfGH, Gerhart Holzinger, hatte erbost den Vorsitz zurückgelegt. Laut Holzinger sei ein "wohldurchdachter und auf langjähriger Erfahrung gegründeter Vorschlag" von einzelnen Mitgliedern des Uni-Rats "aus Motiven", die sich ihm sachlich nicht erschließen würden, abgelehnt worden. (Tanja Traxler, Walter Müller, 14.7.2022)