Statt verharmlosender Reaktionen ist es endlich an der Zeit, klare Linien und Grenzen zu ziehen, sagt Bernd Pekari, Pressesprecher beim Land Steiermark, im Gastkommentar.

Beim GP im steirischen Spielberg kam es zu sexistischen Übergriffen.
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Es ist nicht unbedingt ein Zufall: Während in Deutschland und Österreich der Ballermann-Hit "Layla" über die "Puffmama", die "schöner, jünger, geiler" ist, auf Platz eins der offiziellen Charts stürmt, sorgen rund um den Formel-1-GP in Spielberg Berichte über Sexismus, sexuelle Belästigung sowie homophobe und rassistische Äußerungen auf den Zuschauertribünen für so viele Schlagzeilen.

Ein sexistisches Mitgröllied an der Spitze der Hitparaden, die größte Sportveranstaltung Österreichs im Schatten von sexistischen Eskapaden – hat #MeToo gar nichts verändert? Diese Frage stellen sich nun viele (Medien), sie ist aber nicht einfach zu beantworten.

Kein Spaß

Die Reaktionen auf die Vorwürfe in der Obersteiermark gehen zum Beispiel gleich in drei Richtungen: Dass die offizielle Formel 1, aber auch zahlreiche Fahrer wie Lewis Hamilton oder Sebastian Vettel schnell und deutlich reagierten, zeigt nicht nur, dass die Formel 1 spätestens seit sie von der US-amerikanischen "Liberty Media" vermarktet wird, keinen Spaß bei Sexismus versteht. "Diese Art von Verhalten ist inakzeptabel und wird nicht geduldet" – und damit Punkt.

Seitens der Polizei hieß es auf Twitter hingegen knapp, dass keine Übergriffe oder Zwischenfälle gemeldet wurden. Der Boulevard wiederum erkannte rasch, dass "es primär um niederländische Fans gehen" dürfte, wie die "Krone" schrieb, die festhielt: "Dass es sich bei dieser Masse an Menschen nicht ausschließlich um die geistige Elite des Landes handelt, scheint durchaus logisch und wurde in Spielberg auch das eine oder andere Mal auf traurige Art und Weise bestätigt."

"Begeistert feiern"

Andere glauben, dass nach zwei Jahren Corona im heurigen Sommer nicht nur die Rückkehr des Partyurlaubs zelebriert wird, sondern dass nach zwei Jahren "Pause" mehr denn je eskaliert wird. "Es verwundert wahrscheinlich nicht nur uns, wie extrem gut diese Nummer nach zwei Jahren Corona, Unterhaltungsverbot und dem Krieg in der Ukraine angekommen ist ... Aber wahrscheinlich ist das genau der Grund, warum die Leute den Song so begeistert feiern", sagte Dominik de Léon, Produzent von "Laya", dem "Spiegel".

Man lernt: Zwischen dem deutschsprachigen Raum und den USA gibt es einen großen Unterschied, wie sehr Sexismus Spaß ist. Passend dazu trat ein Kärntner Sportfunktionär auf Facebook sein Unverständnis breit, wieso auf den Sportseiten in den Zeitungen überhaupt darüber berichtet werde ...

Das bittere Fazit: Auch im Jahr 2022 ist Sexismus noch immer (und wieder) ein Thema, bei dem es hierzulande viel Handlungsbedarf gibt. Und statt sich weiter in Verharmlosungen zu üben (etwa mit dem Totschlagargument, man werde ja wohl noch flirten dürfen), ist es höchst an der Zeit, dass es auch bei uns klare Linien und Grenzen gibt: Sexismus ist nicht lustig, sexuelle Belästigung ist kein Kavaliersdelikt, und wenn Frauen sexuelle Belästigungen offen anprangern, dann ist es nicht die naheliegende Erstreaktion, sich über die Aufregung zu wundern. (Bernd Pekari, 14.7.2022)