Spar habe sich gezwungen gesehen, die "erforderlichen rechtsstaatlichen Mittel zu nutzen".

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Es sind aufsehenerregende Aktionen, mit denen der Verein gegen Tierfabriken (VGT) immer wieder seinen Weg in die Medien findet: Vergangenen April etwa, als die Tierschützer mit Fotos aus einer AMA-zertifizierten Schweinezucht skandalöse Zustände aufdeckten. Oder Ende Juni, als der Verein vor einer Spar-Filialen gegen Vollspaltenböden demonstrierte und dabei das Logo des Unternehmens mit tropfendem Blut darstellte. Letztere Aktion brachte der Organisation nun eine Klage des Konzerns ein – mit einem Streitwert von 62.500 Euro.

Der VGT hatte bei den Protesten unter anderem vor dem Flagship-Store am Wiener Schottentor nicht nur das veränderte Logo von Spar verwendet, sondern auch ein Transparent mit dem Schriftzug "SPART Euch die Vollspaltenboden-Tierquälerei" hochgehalten. Da der Verein vor Spar-Filialen demonstrierte, nicht aber vor Geschäften anderer Händler, habe er das Unternehmen im Vergleich zur Konkurrenz schlecht dargestellt. In der Klage fordert Spar nun die Unterlassung weiterer Proteste, den Widerruf der Kritik und die Beseitigung der Demo-Materialien. Das Handelsgericht Wien könnte schon im Sommer eine erste Entscheidung fällen.

"SLAPP-Klage"

Martin Balluch, Obmann des Vereins, zeigte sich in einer Aussendung am Dienstag "erschüttert" über die Klage. Es sei "unfassbar, mit welchen Mitteln die große Supermarktkette Spar gegen uns als vergleichsweise sehr kleinen Tierschutzverein vorgeht". Auch die Vorwürfe selbst seien nicht überzeugend. Spar stützt sich in der Klage unter anderem auf das Wettbewerbsrecht. Der Tierschutzverein sei allerdings kein wirtschaftlicher Konkurrent des Unternehmens. Das Logo von Spar sei erkennbar als Persiflage verarbeitet worden – dessen Verwendung also von der Meinungsfreiheit gedeckt gewesen.

Warum sich der Protest in erster Linie gegen Spar richtete, beantwortet Balluch auf STANDARD-Anfrage wie folgt: Zum einen könne man nicht gegen alle Supermarktketten gleichzeitig demonstrieren. Zum anderen habe er den Eindruck, dass Spar nicht gewillt ist, beim Tierwohl etwas weiterzubringen. Im Gegensatz zu anderen Händlern sei Spar in Gesprächen über das frühzeitige Ende von Vollspaltenböden nicht auf ihn eingegangen. Ein gänzliches Verbot kommt erst im Jahr 2040.

Sollten die Gerichte in der Unterlassungsklage nun für Spar entscheiden, würde der Spielraum für Proteste aus Sicht von Balluch "dramatisch eingeschränkt". Abgesehen davon könne bei Verurteilung des VGT eine existenzgefährdende Schadenersatzklage folgen.

Ähnlich sieht das seine Anwältin Maria Windhager. Es handle sich um eine "SLAPP-Klage" – also eine strategische Einschüchterungsklage. "Es geht eindeutig um einen politischen Konflikt, der im Wege der Klage in den Gerichtssaal verlagert wird", sagt Windhager, die auch für den STANDARD tätig ist. "Der hohe Streitwert setzt den kleinen Verein enorm unter Druck." Zudem stütze sich Spar nicht nur auf klassisches Zivilrecht, sondern auch auf Wettbewerbsrecht und Urheberrecht. "Dadurch kann das Unternehmen die Klage mit einem höheren Streitwert einbringen und so den finanziellen Druck erhöhen."

Spar rechtfertigt Klage

Spar bestätigte auf STANDARD-Anfrage, gerichtlich gegen "kreditschädigende Behauptungen" des VGT vorzugehen. Der Verein habe wiederholt behauptet, Spar würde Verbesserungen für das Tierwohl bewusst verhindert. Das Gegenteil sei der Fall: Spar beziehe bereits jetzt die meisten Schweine aus Tierwohl-Haltung in Österreich und forciere mit unterschiedlichsten Programmen eine tiergerechte Haltung. Das Unternehmen sei "österreichweit der größte Abnehmer von Schweinen aus heimischer Landwirtschaft, die ohne Vollspaltenboden aufgezogen wurden".

Trotzdem protestiere der VGT ausschließlich vor Spar-Märkten, was das Unternehmen nun zur Klage bewogen habe. Das Unternehmen habe "volles Verständnis für Proteste von NGOs als demokratisches Mittel". Spar habe dem VGT sogar zeitweise erlaubt, in den Märkten direkt vor der Fleischtheke zu demonstrieren. "Die derzeitige Kampagne geht jedoch zu weit", heißt es in einer Stellungnahme. Spar habe sich daher gezwungen gesehen, die "erforderlichen rechtsstaatlichen Mittel zu nutzen", um den Ruf des Unternehmens zu schützen. (Jakob Pflügl, 14.7.2022)