In der Nähe des NS-Konzentrationslagers Soldau (Działdowo) wurden mindestens 8.000 Menschen ermordet.
Foto: APA/AFP/JANEK SKARZYNSKI

Das Konzentrationslager Soldau – polnisch: Działdowo – zählt zu den weniger bekannten SS-Lagern. Es befindet sich im Nordosten Polens, Schätzungen zufolge wurden hier 10.000 bis 13.000 Gefangene ermordet. Unter den Opfern waren vor allem politische Gefangene, Jüdinnen und Juden, Geistliche sowie Patientinnen und Patienten psychiatrischer Anstalten. Nun könnte der Verbleib der Getöteten geklärt sein: In der Nähe des ehemaligen Konzentrationslagers stieß man in einem Waldgebiet auf etwa 17,5 Tonnen menschlicher Überreste.

Am Mittwoch fand eine Zeremonie zum Gedenken der Opfer statt. Tomasz Jankowski vom polnischen Institut für Nationales Gedenken (IPN) vermutet, dass die Opfer vor allem der polnischen Elite angehört hatten und "vermutlich um das Jahr 1939" ermordet wurden. Im September 1939 wurden nach dem Angriff Nazideutschlands auf Polen die ersten Gefangenen nach Soldau gebracht, das sich etwa 150 Kilometer nördlich von Warschau befindet und nach der Annexion zu Ostpreußen gezählt wurde.

Am Mittwoch fand eine Gedenkfeier in jenem Wald statt, in dem die Massenmorde durchgeführt wurden.
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Ursprünglich als vorübergehendes Lager für etwa eintausend Gefangene gedacht, wurde das KZ Soldau mit der Zeit ausgebaut. Es diente als Durchgangslager, aber auch als "Arbeitserziehungslager" für Zwangsarbeit und wurde vom Internationalen Suchdienst (heute Arolsen Archives) zur Klärung der Schicksale von NS-Verfolgten nach dem Zweiten Weltkrieg durch die große Anzahl an Ermordeten als Vernichtungslager eingestuft.

Vertuschte Kriegsverbrechen

Die Insassen des Soldauer Lagers lebten unter verheerenden hygienischen Bedingungen: Offenbar gab es keine Toilettenbaracke, lediglich provisorisch gebliebene Bodenlöcher unter freiem Himmel. Bekannt ist auch, dass im Lager mitunter frühe Versuche zur Vergasung durchgeführt wurden. Neben Mitgliedern der polnischen Elite wurden unter anderem psychisch Kranke aus Sanatorien in Ostpreußen nach Soldau transportiert und im Zuge der "Euthanasie"-Vernichtungsaktion T4 umgebracht. Allein innerhalb von knapp drei Wochen im Sommer 1940 wurden 1.558 Patienten in einem Gaswagen ermordet. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass auch verurteilte Deutsche und sowjetische Kriegsgefangene bei den Massenvernichtungen umkamen und insgesamt bis zu 20.000 Menschen an diesem Ort getötet wurden.

In einem Waldstück in der Nähe, dem Białucki-Wald, wurden massenhaft Insassen ermordet und in großen Gruben verscharrt. Vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs, im Jahr 1944, wurden jüdische Gefangene angewiesen, die Leichen der verstorbenen Lagerinsassen auszugraben und zu verbrennen: So sollten die deutschen Kriegsverbrechen verheimlicht werden. Die Gefangenen wurden anschließend ermordet.

Genetische Analysen

Genau lässt sich anhand der gefundenen Asche nicht sagen, wie viele Menschen zu den Opfern gehörten. Die forensische Anthropologie nutzt dazu einen Näherungswert. Für die Schätzung der Opferzahlen wurde angenommen, dass zwei Kilogramm menschlicher Asche und Knochenspuren ungefähr einem Leichnam entsprechen. Die in einem Waldgebiet in Ilowo-Osada gefundenen Überreste "erlauben uns die Feststellung, dass hier mindestens 8.000 Menschen gestorben sind", sagte IPN-Vertreter Jankowski. Nur rund 3.000 Opfer des Soldauer Lagers seien bisher namentlich identifiziert worden.

Neben den Knochenresten entdeckten Archäologinnen und Archäologen auch Spuren von Kleidung und Knöpfen, jedoch keine wertvollen Gegenstände, was darauf hindeutet, dass die Ermordeten vor dem Verbrennen ihrer Wertsachen beraubt wurden. Im weiteren Verlauf der Untersuchungen sollen DNA-Analysen durchgeführt werden – so ließe sich mehr über die Identität der Opfer erfahren, sagte der Genetiker Andrzej Ossowski von der Pommerschen Medizinischen Universität in Stettin (polnisch Szczecin) der Nachrichtenagentur AFP. Vergleichbare Analysen seien unter anderem bei den Opfern der großen NS-Vernichtungslager Treblinka und Sobibor durchgeführt worden, die sich ebenfalls im Osten des Landes befanden. (sic, 14.7.2022)