Die Kykladen gehören erst seit den 1970er-Jahren zu den touristischen Sommerzielen. Hunderte Eilande, manche seit Jahrtausenden unbewohnt, andere seit kurzem überrannt, bilden diese Inselgruppe zwischen Athen und Kreta. Während Mykonos als Hotspot der Region inzwischen vom eigenen Erfolg komplett überfordert wirkt und eine dubiose Mischung von ungezähmten Hedonisten und organisierten Kriminellen anzieht, versuchen andere Inseln, eher tief- als hochzustapeln und mit durchdachten Hotelprojekten ein entspanntes Publikum anzuziehen.

Sifnos: Weniger ist mehr

Der Infinity-Pool des Verina Astra auf Sifnos.
Foto: Verina Astra

Im südlichen Teil der Inselgruppe, zweieinhalb Stunden mit dem Schnellboot vom Athener Stadthafen Piräus entfernt, befindet sich Sifnos. Die Insel war einmal eine ganz große Nummer – im fünften Jahrhundert vor Christus. Damals machten Gold- und Silberminen die Einwohner reich. Danach verblasste der Glanz langsam, und es wurde einsam auf der Insel. Knapp 2500 Menschen leben heute auf ihr. Die relative Ruhe und Unzugänglichkeit hat einen entscheidenden Vorteil: Touristenmassen finden kaum dorthin.

"Weniger ist mehr" gilt in den 16 romantischen Zimmer und Suiten.
Foto: Verina Astra

"Weniger ist mehr" gilt auch für das frisch eröffnete Verina Astra an der Ostküste von Sifnos. Nur 16 romantische Zimmer und Suiten stehen Urlaubern zur Verfügung, jedes nach einem Sternzeichen benannt – wenn man nachts auf der Terrasse steht und in den Himmel blickt, weiß man, warum. Das Resort klebt an einem Hang über dem Dorf Patouli, von den Veranden haben Gäste einen unverstellten Panoramablick auf die Ägäis. Tagsüber kann man im Infinity-Pool auf dem Gelände schwimmen oder zu den Sandstränden in der Nähe fahren. Das Hotel organisiert zudem Ausflüge zu den Töpferhandwerkern, für die Sifnos inzwischen berühmt ist.

Antiparos: die Welt rundherum

The Rooster hat wenig mit den weiß getünchten Architekturklischees anderer Inseln am Hut.
Foto: The Rooster

Noch so eine kleine Unbekannte: Antiparos. Das Eiland ist nicht aufregend, hat weder großartige Sehenswürdigkeiten noch Michelin-Sterne-Restaurants oder Weltklasseklubs – und verfügt nur über eine Infrastruktur, die man als ausreichend bezeichnen könnte. Eine Minifähre, die sieben Minuten für die Überfahrt von der gegenüberliegenden Insel Paros (Kosten: 1,20 Euro) benötigt, verbindet Antiparos mit dem Rest der Welt. Das örtliche Taxi – Einzahl! – muss man spätestens eine halbe Stunde vor Fahrtantritt buchen, obwohl die Strecke höchstens zehn Minuten dauert.

Genau deswegen ist Antiparos so anregend. Auf der Insel hat sich ein gewisser Vibe erhalten, eine Losgelöstheit von der Welt rundum. Ein Gefühl, dass alles, was mehr als fünf Kilometer weiter weg passiert, eigentlich egal ist. 1200 Menschen leben auf der Insel, im Sommer kommen noch ein paar Tausende Touristen hinzu, vor allem griechische Familien, die in den kleinen Hotels einkehren, oder Villenbesitzer, die sich in den vergangenen 20 Jahren hier ein Refugium erschaffen ließen. Einer davon heißt übrigens Tom Hanks, im echten Leben spielt er in recht erfolgreichen Hollywoodfilmen mit. Im Sommerspektakel von Antiparos ist er nur einer von mehreren Akteuren neben Immobilienhaien, Schiffsmagnaten und Popsternchen.

Antiparos wirkt wie losgelöst von der Welt herum zu sein
Foto: The Rooster

Aus einer vermögenden Familie stammt auch Athanasia Comninos, die an der Westküste das Resort The Rooster erdacht hat. Vor elf Jahren besuchte sie zum ersten Mal die Insel, hat am wilden Strand, zu dem nun ihr Hotel führt, bei Trance-Partys gefeiert und sich von der Energie des Ortes einnehmen lassen. Vor zehn Jahren kaufte sie das erste Stück Land, baute zunächst ein Haus um, vergangenes Jahr eröffnete schließlich das spektakuläre Villendorf mit 16 Unterkünften.

Was auffällt: dass hier erst einmal nichts auffällt. The Rooster besticht durch keine weißen Griechenland-Klischees, sondern eine Camouflage-Architektur. Die minimalen Farben der Landschaft – Erdbraun, Korngelb – spiegeln sich an und in den Gebäuden wider. Robuste Natursteinkästen ducken sich hinter Schilfgürteln und Koniferenhecken, von weitem könnte man glauben, es handle sich um ein altes Kastell, aufgemotzt von einer geschmackssicheren Instanz.

Und das ist es irgendwie auch. Athanasia Comninos hat lange Zeit für die griechische Vogue Inneneinrichtung in Szene gesetzt, nun hat sie daraus ein ganzes Hotelprojekt gemacht. Nichts wirkt überladen, alles sorgfältig ausgewählt. Von den stabilen Holzbetten über die schlichten Bastmatten bis hin zu den formschönen rostroten Kaffeetassen.

The Rooster ist ein cleveres Hotel mit eigener Farm und hochwertigem Spa. Jeden Morgen können Gäste an einem kostenlosen Yoga kurs teilnehmen, mehrmals pro Sommer besucht ein Schamane das Resort und hält Sonnenuntergangsessions ab. "Die richtigen Leute", sagt Athanasia Comninos zum Abschied, machen den Zauber von Antiparos aus. Es scheint, im The Rooster haben sie bereits eingecheckt.

Syros: wie bei reichen Verwandten

Die Gebäude auf Syros verströmen Eleganz.
Foto: Hotel Aristide

Oana Aristides Vorhaben ist grandios gescheitert. Eigentlich wollte sie vor vier Jahren nur ein kleines Ferienapartment auf Syros kaufen, nun führt sie ein Boutiquehotel in einem neoklassizistischen Prachtbau. Vergangenes Jahr öffnete das Aristide seine Pforten, neun individuell umgebaute Zimmer warten auf Gäste, jeweils zwischen 25 und 40 Quadratmeter groß. Die studierte Ökonomin, die bis vor ein paar Monaten in einer Ratingagentur in der Londoner City arbeitete, lebt seitdem das gesamte Jahr über auf der Insel.

Eine unfreiwillige, aber leidenschaftliche Hotelbesitzerin ist sie geworden. Sie hat den Umbau des Hauses geleitet, sich mit Installateuren, Zimmermännern und sonstigen Handwerkern gestritten – und sich ein "Bauarbeitergriechisch" angeeignet, wie sie im schattigen Hof zugibt. Mächtige Ficusbäume beschützen die Gäste, die unter den Zweigen ihr Frühstück einnehmen – frisches griechisches Joghurt oder Omelett mit Spargel. Wasser rauscht an einer Mauer herunter und wird in einem Becken aufgefangen, Efeu rankt sich um einen schneeweißen Kasten mit Kreuz – die Familienkapelle der einstigen Besitzer.

Am Anfang stand ein ganz normaler Urlaub, der Oana Aristide 2012 auf die Insel führte. Daraus wurde ein Ferienflirt. Sie verliebte sich in diesen Ort, der so anders war als die übrigen griechischen Inseln. Statt weißgekalkter Häuser stehen in Ermoupoli, der größten Stadt auf Syros, prächtige Villen mit pastellfarbenem Anstrich, die Kirchen glänzen mit dunkelroten, ockergelben und königsblauen Farben. Syros knallt, Understatement heißt hier, auf schlichte Säulen und elegante Marmortreppen zu setzen. Das im 19. Jahrhundert eröffnete Opernhaus – es ist das einzige auf den Kykladen – wurde nach der Mailänder Scala entworfen, das Rathaus – ein imposanter Bau mit Freitreppe und natürlich viel Marmor – hat der deutsche Architekt Ernst Ziller errichtet.

Die Dachterrasse des Hotel Aristide
Foto: Hotel Aristide

Die Stadt ist das Verwaltungszentrum der Kykladen und daher nicht vom Tourismus abhängig. Was ihr eine gewisse Eleganz verleiht. Lauter Villen säumen die Straßen, die Ausblicke von den Dachterrassen auf die umliegenden Inseln sind grandios – unbedingt abends das Rooftop-Dinner im Aristide probieren –, und die Inneneinrichtung ist, gelinde gesagt, spektakulär. Im Aristide haben die Zimmer fünf Meter hohe Decken, einige Säulen protzen mit Kapitellen, Holzdielen und Mosaikfußböden wechseln einander ab.

Die Aristides sind in Schweden großgeworden, daher finden sich im Hotel viele skandinavische Möbel, die einen tollen Kontrast zum Neoklassizismus bilden. Als Gast schläft man wie bei reichen Verwandten, alles scheint privat, ruhig und weit weg vom Partygetümmel auf Mykonos. Im Frühjahr und Herbst wohnt ein Artist in Residence im Gebäude, in der ersten Etage gibt es eine kleine Galerie mit Kunstwerken der Artists, um den Geist anzuregen.

Tinos: Weitblick und Wind

Das Infinity View Hotel auf Tinos
Foto: Infinity View Hotel

Nur eine halbe Stunde braucht die Fähre von Syros zum benachbarten Eiland Tinos. In der Antike hielt man die Insel, 165 Kilometer südöstlich von Athen, für die Geburtsstätte von Aiolos, dem Gott der Winde. Ihm ist noch heute ein Felsenrelief gewidmet. Die Botschaft: Auf Tinos legt man sich lieber nicht mit dem Wind an. Er stürmt wohl öfter über die Insel.

Der Glockenturm der Kathedrale, die weit sichtbar auf einem Hügel am Hafen thront und den größten Marienschrein Griechenlands hütet, wurde deshalb nach seiner Fertigstellung um einige Meter verkürzt – weil die Menschen befürchteten, die Kirchenglocke könnte zu heftig schwingen und den Glöckner von seinem Posten wehen.

Windgeschützer Ausblick
Foto: Infinity View Hotel

In einer windgeschützten Bucht nahe dem Fährhafen hat – zwischen zwei Pandemie-Lockdowns – das Infinity View Hotel eröffnet. Ein helles Gebäude, das von der Seeseite so aussieht, als hätte der Architekt großen Spaß daran gehabt, riesige Lego-Bausteine neben- und übereinanderzustapeln.

Der Name verrät es schon: Von den (ebenfalls) 16 Zimmern und der sonnendurchfluteten Lobby hat man eine atemberaubende Aussicht aufs Meer. Automatisch öffnet sich der Instagram-Blick im Kopf. Einige Zimmer verfügen über einen direkten Zugang zum Swimmingpool, der wie ein großes T das Hotel teilt. Außerdem führt ein Pfad hinunter ans Meer, wo eine Bar, Liegen und eine Betonplattform für das Bad im Mittelmeer warten. Eintauchen, abschalten und dem fernen Hupen der Fähren lauschen.

Santorin: wohnliches Amphitheater

Abseits vom Trubel auf Santorin liegt das Perivolas Resort.
Foto: Perivolas Lifestyle Houses

Doch noch Lust auf mehr Menschen? Santorin ist nun wirklich kein Geheimtipp mehr. In den Sommern vor der Pandemie schoben sich Tausende durch die schmalen Gassen der Kykladeninsel, im beliebten Ort Oia waren diese so gut gefüllt wie die Straßen Westberlins nach dem Mauerfall.

Der Blick auf die Ägäis.
Foto: Perivolas Lifestyle Houses

Etwas abseits vom Trubel in Oia harrt nun das Perivolas Resort auf Besucher, eine Hotelanlage, die sich ähnlich einem Amphitheater terrassenförmig an den Hang und hinunter zum Mittelmeer schmiegt. Natursteinwände wechseln einander mit weißgekalkten Bögen ab, in den 20 Zimmern überwiegen schneeweiße Töne und himmelblaue oder magentarote Farbtupfer. Einige Suiten entstanden aus traditionellen Höhlenwohnungen, in denen die Insulaner früher vor der Hitze flohen und Abkühlung suchten.

Spektakulär ist der Blick von der Terrasse auf die Caldera, den berühmten Vulkankessel vor Santorin, der inzwischen vom Meer geflutet ist und dessen Felszacken aus dem Wasser herausstechen. (Ulf Lippitz, 17.7.2022)