Alpiner Ausblick ins All: Michael Kleinburger schätzt die Dunkelheit im Nationalpark Gesäuse.
Foto: Michael Kleinburger

Die Spuren menschlicher Aktivitäten prägen den Planeten Erde in einem solchen Ausmaß, dass in der Wissenschaft längst über die Einführung eines neuen Erdzeitalters diskutiert wird, jenes des Menschen: das Anthropozän. Ein Aspekt, der dabei in der öffentlichen Wahrnehmung noch wenig Beachtung findet, obwohl er im Wortsinne immer stärker ans Licht kommt, ist die schwindende nächtliche Dunkelheit.

In immer weniger Regionen der Erde kehrt wirklich Finsternis ein, künstliche Lichtquellen verändern die nächtlichen Verhältnisse auf unserem Planeten erheblich. Das bringt vielfältige negative Folgen mit sich, wie zahlreiche wissenschaftliche Studien zeigen – von beeinträchtigten Tag-Nacht-Zyklen bei Tieren über Schlafprobleme bei Menschen bis hin zu Wachstumsstörungen bei Pflanzen. Auch ein Wissenschaftszweig ist von der nächtlichen Beleuchtung massiv betroffen: die Astronomie.

Lichtverschmutzter Kontinent

Der steirische Naturfotograf Michael Kleinburger, der sich auf astronomische Aufnahmen spezialisiert hat, setzt sich in seiner Arbeit intensiv mit dem Thema auseinander. "Im Prinzip sind 99 Prozent von Europa lichtverschmutzt, es gibt nur noch kleine Inseln der Dunkelheit", sagt Kleinburger. Eine solche Insel findet sich in der Obersteiermark, rund um den Nationalpark Gesäuse. Dort verbringt der Fotograf viel Zeit und hat allein im vergangenen Jahr mehr als hundert Stunden lang den Himmel per Kamera festgehalten.

Das Ergebnis hat Kleinburger nun als Video veröffentlicht – vier Minuten lang zeigt "Noctis Austria" tausende Fotos im Zeitraffer.

Michael Kleinburger

"Ich möchte darauf aufmerksam machen, wie wunderschön und erhaltenswert der dunkle Nachthimmel ist", sagt Kleinburger. Dafür wolle er auch die Dynamik zeigen, die beim Ansehen einzelner Fotos nicht sichtbar wird. "Wenn ich die Milchstraße, ferne Galaxien oder den Mond fotografiere, ist das immer ein Kampf gegen die Zeit, durch die Erdrotation bewegen sich diese Objekte am Himmel. Diesen Effekt anderen Menschen nahezubringen, funktioniert am besten im Zeitraffer."

Falsche Sterne

In 25 Bildern pro Sekunde lässt der Fotograf die Milchstraße über den steirischen Himmel wandern. Immer wieder werden die Aufnahmen durchkreuzt: Selten und kaum wahrnehmbar ziehen Sternschnuppen durchs Bild, deutlich häufiger und prominenter sind Satelliten und Flugzeuge zu sehen. Die rasant wachsende Zahl an künstlichen Erdtrabanten löst bei Astronominnen und Astronomen ernsthafte Sorgen aus: Erst im Vorjahr warnte ein Forschungsteam, dass mit bloßem Auge bald mehr falsche Sterne am Nachthimmel zu sehen sein könnten als echte.

Der steirische Nationalpark zählt für den Astrofotografen zu den letzten "Inseln der Dunkelheit".
Foto: Michael Kleinburger

Faszinierende Aufnahmen des Himmels könnten Menschen den Wert der Dunkelheit näherbringen, hofft Kleinburger, der auch in Workshops und Kursen unterrichtet, wie Laien schon mit einer bescheidenen Ausrüstung beindruckende Astrofotos gelingen. "Die Leute sind oft erstaunt, was da alles möglich ist – im Schutz der Dunkelheit." (David Rennert, 17.7.2022)