Im Gastblog beschreibt der Jurist Henry Ogunrinde, welche rechtlichen Herausforderungen der technische Fortschritt von Fortbewegungsmitteln mit sich bringt.

Mobilität, wie wir sie heute kennen, muss und wird sich verändern. Durch die zunehmende Urbanisierung unserer Lebensräume und den demografischen Wandel sieht sich unsere Gesellschaft einem stetig wachsenden Mobilitätsbedarf ausgesetzt. Dem stehen jedoch begrenzte Infrastrukturen mit steigenden Verkehrslasten sowie Umweltprobleme gegenüber, deren Lösung als gesellschaftliche Herausforderung nach innovativen Beförderungskonzepten und flexibleren Mobilitätsangeboten verlangt.

In der Wiener Seestadt wurde vergangenes Jahr ein erstes Experiment mit einem autonomem E-Bus durchgeführt.
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Im Mittelpunkt dieser neuen Mobilität werden perspektivisch elektrobetriebene autonome Fahrzeuge stehen. Vor allem im Shuttlebetrieb besitzen sie das Potenzial, sowohl auf dem Gebiet des Individualverkehrs als auch des öffentlichen Personennahverkehrs die Grundlage für eine bedarfsgerechte, nachhaltige und sichere Mobilität zu bilden. Dies gelingt, indem autonome Fahrzeuge mittels intelligenter Verkehrssteuerung zur infrastrukturellen Entlastung der Städte beitragen und so dabei helfen, CO2- und Lärmemissionen zu reduzieren. Zudem sind sie in der Lage, die Lebensqualität der Fahrzeugnutzenden zu erhöhen, indem diese die Fahrzeit durch Abgabe der Fahraufgabe an autonome Fahrsysteme besser nutzen können. Diese Entwicklung hat aber auch ihren Preis.

Der Datenhunger autonomer Fahrzeuge

Bereits heute erfassen moderne Fahrzeuge fast aller Baureihen und Hersteller per Fahrzeugsensorik zahlreiche Daten innerhalb und außerhalb des Fahrzeuges. Viele dieser Daten werden zur Bereitstellung von Fahrassistenzsystemen benötigt, wie etwa in Form von elektronischen Einparkhilfen oder Stauassistenten, bei denen das Auto im dichten Verkehr automatisch dem Auto davor folgt. Andere wiederum entstehen durch die Interaktion der Insassen mit dem Entertainment- und Navigationssystem der Fahrzeuge.

Wie Menschen sind die Fahrzeuge darauf angewiesen, ein verlässliches Bild ihrer Umgebung und des Fahrzeuginneren zu erhalten, um sicher auf dynamische Verkehrssituationen reagieren zu können. Die Grundlage hierfür bildet ein umfassendes Datenmaterial.

Von der Sitzeinstellung bis zum Fingerabdruck: Autonomes Fahren stellt große Herausforderungen an den Datenschutz.
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Die Bandbreite der hierbei erfassten Daten ist vielfältig und reicht von Zustands- und Verhaltensdaten, die die technische Beschaffenheit des Fahrzeuges in Echtzeit wiedergeben, über GPS-generierte Bewegungs- und Umfelddaten, die zum Beispiel die exakte Position und Geschwindigkeit des Fahrzeugs festhalten. Während Radar, Laserscanner und Stereo-Kameras mit 3D-Funktionalität Objekte in der Fahrzeugumgebung erfassen, werden auch "Komfortdaten" wie Sitzbelegungen, Sitzeinstellungen, aber auch Fingerabdrücke, etwa zum Zugang zu bestimmten Diensten, und Passwörter zu sozialen Netzwerken und Telefonkontakte gespeichert.

Es verwundert daher nicht, dass der wirtschaftliche Wert der Fahrzeugdaten mit ihrer hohen Informationsdichte von zahlreichen Marktteilnehmern erkannt wurde.

Ein klarer Fall für den Datenschutz

Datenschutzrechtlich relevant werden Fahrzeugdaten immer dann, wenn es sich bei ihnen um personenbezogene Daten handelt – also um Daten, die eindeutig einer bestimmten natürlichen Person wie zum Beispiel den Fahrzeuglenkenden zugeordnet werden können oder bei denen diese Zuordnung zumindest mittelbar erfolgen kann. Diese Art von Daten ist nach der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in Bezug auf unsere informationelle Selbstbestimmung besonders schützenswert.

Dieses Kriterium wird durch die meisten Fahrzeugdaten erfüllt. Dies gilt selbst für solche Daten, die auf den ersten Blick lediglich technischer Natur sind. Bei genauerer Betrachtung lässt sich auch ihnen häufig ein Personenbezug attestieren. So ist es möglich, etwa anhand von Bewegungsdaten aussagekräftige Bewegungsprofile der Fahrzeugnutzenden zu erstellen, die darüber Auskunft geben, welche Orte zu welcher Zeit angefahren wurden. Die Zustandsdaten aus der Sensorik in den Sitzen zeigen zugleich an, wie viele Personen die Fahrt unternommen haben und anhand der Informationen aus den Entertainmentsystemen lässt sich ermitteln, welche digitalen Dienste dabei bevorzugt genutzt wurden.

Diese Beispiele zeigen, dass es sich bei den meisten Fahrzeugdaten um sehr sensible Daten handelt, die unter den Anwendungsbereich der DSGVO fallen.

Datenschutzrechtliche Herausforderungen

Die Anwendbarkeit der DSGVO stellt Fahrzeughersteller und andere datenverarbeitende Marktteilnehmer vor nicht unerhebliche datenschutzrechtliche Herausforderungen.

Ein Beispiel ist die Rechtsmäßigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten. Nach der DSGVO ist eine solche nur zulässig, wenn hierfür eine Erlaubnis durch Rechtsvorschrift oder eine Einwilligung der Fahrzeugnutzenden als betroffene Personen vorliegt. Entscheidend ist zudem, dass die betroffenen Personen von der datenverarbeitenden Stelle über den Zweck, den Empfänger und den Umfang der Datenerhebung transparent und in allgemein verständlicher Form unterrichtet werden. Da allerdings beim autonomen Fahren eine komplexe Datenverarbeitung unter Beteiligung verschiedenster Akteure wie zum Beispiel aus den Bereichen Fahrzeugherstellung, Softwareentwicklung oder Infrastrukturbetreibung stattfindet, besteht die Gefahr, dass die Betroffenen zum Beispiel bei Abgabe einer Einwilligung die Folgen beziehungsweise die Tragweite ihrer Entscheidung nicht vollumfänglich einschätzen können.

Wie es Fahrzeugherstellern künftig dennoch gelingen kann, vor dem Kauf oder der Nutzung autonomer Fahrzeuge eine Einwilligung zur Datenverarbeitung von den Fahrzeugnutzenden rechtsgültig einzuholen, wird aktuell in verschiedenen Projekten erforscht.

Eine weitere Herausforderung stellen die datenschutzrechtlichen Prinzipien der DSGVO dar, welche diese an eine datenschutzkonforme Datenverarbeitung stellt. Das gilt insbesondere für die Prinzipien der Zweckbindung, Datensparsamkeit und Speicherbegrenzung, denn diese Prinzipien stehen häufig in einem Spannungsverhältnis mit dem Umstand, dass autonome Fahrzeuge auf (personenbezogene) Daten angewiesen sind, um effektiv und damit wirtschaftlich sinnvoll genutzt werden zu können. Wie kann dieses datenschutzrechtliche Spannungsfeld in Zukunft aufgelöst werden?

Autonomes Fahren und Datenschutz stehen in keinem grundsätzlichen Widerspruch, aber bislang haben weder Marktteilnehmer noch die Gesetzgeber adäquate Lösungen gefunden, um die Vorteile der datenintensiven autonomen Mobilität zu realisieren, ohne die Risken des Datenmissbrauchs zu minimieren. (Henry Ogunrinde, 18.7.2022)