Vor den französischen Baracken stehen ein circa zwei Meter hoher Eiffelturm und ein Triumphbogen. Bei den Österreichern versprüht der Gemeinschaftsraum namens Edelweiß hingegen fast schon Alpenhüttencharme. 38 weitere Staaten versuchen ihren insgesamt 10.000 Einsatzkräften die Zeit im Libanon zu verschönern, während diese den Frieden zwischen Israel und dem Libanon als neutrale UN-Peacekeeper wahren. Ein Ghanaer aus der Militärmusik erkundigt nach Abspielen der österreichischen Hymne, ob sie eh gefallen habe. Man schwindelt ein wenig und bejaht eifrig.

Im sowjetischen Helikopter auf Friedensmission: Bundeskanzler Karl Nehammer.
Foto: APA/BKA/FLORIAN SCHRÖTTER

Bundeskanzler Karl Nehammer und Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (beide ÖVP) sind soeben mit einem 50 Jahre alten sowjetischen UN-Helikopter aus Beirut auf Truppenbesuch bei den Blauhelmsoldaten im südlichen Libanon angekommen. Dass sie, die Delegation und die Medienvertreter ausgerechnet von einer russischen Crew zu einer Friedensmission geflogen werden, entbehrt nicht einer gewissen Ironie.

Beide sind jedenfalls sichtlich stolz und bedacht darauf, die österreichischen Beiträge zum Frieden in aller Welt zu betonen und zu loben. Bei der Truppe fühlt sich Nehammer, der selbst drei Jahre lang Berufssoldat war, sichtlich wohl. Viele freuen sich über den Besuch, ein anderer sehnt sich aber nur nach dem Frühstück, das ob des Delegationsbesuches nach hinten verschoben wurde. In der glühenden Hitze im Ostmittelmeer ist die Rede des Kanzlers kurz, es überwiegt der Dank für die Leistung der 185 österreichischen Soldatinnen und Soldaten und all ihrer Vorgänger.

Drei Millionen Euro

Mit im Gepäck haben Nehammer und Tanner drei Millionen Euro an Soforthilfen; nicht für das UN-Kontingent, das da und dort doch ein wenig in die Jahre gekommen scheint und die Finanzspritze auch vertragen würde, sondern zur akuten Versorgung von Flüchtlingen via Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) für den wirtschaftskrisengebeutelten Libanon. 500.000 Euro davon gehen an NGOs, welche die berühmte "Hilfe vor Ort" liefern sollen, die die ÖVP seit Jahren propagiert.

Die Lage vor Ort sei angespannt, aber grundsätzlich ruhig, sagt ein Soldat. Ein anderer ist – wie Nehammer auch – pessimistischer und erklärt, dass die ohnehin eingeschränkte Bewegung aktuell deutlich reduziert werden musste. Im angrenzenden Städtchen Tyros hat es unlängst gekracht, Schießereien wegen Bandenkriminalität machen es unmöglich, freie Tage ohne spezielle Genehmigung dort zu verbringen.

Außerdem feuerte die Hisbollah im März Raketen über die "Blaue Linie" nach Israel. Sie wurden abgefangen. Die Israelis reagierten mit 15 Präzisionsschlägen in unbewohntes Gebiet. Vor ein paar Wochen dann unbewaffnete Hisbollah-Drohnen über dem umstrittenen Gasfeld Karish im Westen der Blauen Linie. So oft wie die Israelis den libanesischen Luftraum verletzt hätten, sei dieser Vorfall aber halb so schlimm, argumentiert man nördlich der Pufferzone in Beirut. Die bilaterale Situation bleibt äußerst angespannt.

Inflationsraten jenseits der 200 Prozent

Dass die NGO "Green without Borders" nahe der Blauen Linie "Beobachtungshäuschen" aufstellt – angeblich ohne jeglichen militärischen Hintergrund –, sorgt jedenfalls für Sorgenfalten bei den Blauhelmen. Schon jetzt würden sich manche Patrouillen schwieriger gestalten. Doch das österreichische Kontingent, das im Libanon vor allem logistische Fragen und Feuerwehraufgaben im Camp übernimmt, ist geschult. Viele Soldatinnen und Soldaten kommen immer wieder und bringen jedes Mal wieder viel Erfahrung mit.

Bei der volatilen Lage im Libanon ist das nicht selbstverständlich. Aktuell leidet die Bevölkerung vor allem unter Inflationsraten jenseits der 200 Prozent. Es ist ein ständiges Reagieren auf Krisen. "Überlebenskünstler" nennt Nehammer das libanesische Volk. In etwa drei Stunden Strom täglich habe man aktuell im UN-Quartier. Der Rest läuft über Generatoren. Und auch in den Supermärkten auf dem Land und in der Stadt komme es regelmäßig vor, dass nur der Kühlschrank über Strom verfügt. Der Rest bleibt dunkel.

Darüber hinaus gibt es auch fast zwei Jahre nach der extrem schweren Explosion im Hafen von Beirut viel zu tun. Von einem wahren Wiederaufbau kann keine Rede sein, weshalb Nehammer auch das EU-Versprechen erneuert, beim Wiederaufbau zu helfen. Gebunden ist dies jedoch an eine Reformregierung. Abseits davon könne man aber auch jederzeit auf Österreich zukommen. Man wolle mit Know-how und Technologie helfen, wo es geht und so sie angefordert wird. (Fabian Sommavilla aus Beirut, 14.7.2022)