Die nachhaltigste Art zu bauen ist, es bleiben zu lassen. Schon seit einigen Jahren wird in Kreisen von Architektinnen und Stadtplanern immer wieder die Forderung laut, dem Klima zuliebe auf Neubauten komplett zu verzichten und stattdessen mit dem zu arbeiten, was wir schon haben: dem Bestand, der viel zu oft leer steht.

Die Ästhetik leide darunter nicht, denn Wiederverwendung, heißt es im Buch "Building for Change", möge vielleicht den Anschein erwecken, dass sie die Kreativität einschränke – doch das Gegenteil sei der Fall: Sie fördert mitunter viel fantasievollere Lösungen, die die Gesamtqualität der Architektur in keiner Weise schmälern. Die gezeigten Beispiele geben dem Recht. So wird etwa eine Sofafabrik zum Co-Working-Hub, Viadukte zu Gemeinschaftsgärten oder Kaufhäuser zu Kulturzentren.

Im Bild: Die EOI Melilla Language School beherbergt heute eine Musikakademie, eine Sprachschule und ein Bildungszentrum für Erwachsene. Bis zu seiner Schließung im Jahr 2003 war das Gebäude rund 90 Jahre lang der zentrale Markt der autonomen spanischen Stadt, die an der afrikanischen Küste an der Grenze zu Marokko liegt.

Geplant haben den Umbau der 7.500 Quadratmeter großen Anlage Ángel Verdasco Arquitectos aus Madrid. Für die Verkleidung der Außenflächen wurden lokale Materialien und Muster neu interpretiert. Keramikfliesen sitzen in einem Rautenmuster hinter Aluminiumgittern, deren Dichte sich ändert, um je nach Ausrichtung Ausblicke und Licht zuzulassen oder einzuschränken.

Foto: Ángel Verdasco Arquitectos, Building For Change, gestalten 2022

Herausgegeben wurde das Buch von der Architektin und Kuratorin Ruth Lang, die am Royal College of Art und der London School of Architecture unterrichtet. Ihre Arbeit widmet sich der Frage, wie zeitgenössische Baupraxis auf Diversität und Klimawandel eingehen kann. "Building for Change" zeigt dies eindrucksvoll anhand zahlreicher reaktivierter und nachhaltiger (Um-)bauten. Der Bildband erscheint Anfang August im Gestalten-Verlag.

Im Bild: Das Gebäude im tschechischen Vřesovice, das früher der Kirche gehörte, wurde vom Architekturbüro Public Atelier and Fuuze Studios in eine Grundschule umgebaut. Eine verputzte Fassade mit einem Dach aus roten Ziegeln hebt die historischen Räumlichkeiten hervor, während die neuen Bereiche durch würfelförmige Formen, Kupferverkleidungen und leuchtende Farben definiert sind.

Foto: BoysPlayNice, Building For Change, gestalten 2022

Neben kreativen Neunutzungen zeigt das Buch zudem Gebäude, deren Rückbau und Wiederverwertung bereits bei der erstmaligen Erbauung mitgedacht wurde. (bere, 19.7.2022)

Im Bild: In der chinesischen Region Yangshuo hat das in Peking ansässige Büro Vector Architects eine stillgelegte Zuckermühle in ein Resort-Hotel umgewandelt. Ursprünglich bestand die Anlage aus mehreren Gebäuden sowie einem Tragwerk, von dem aus Zuckerrohr auf Schiffe verladen wurde. Die bestehenden sowie einige neu errichtete Gebäude, die die industrielle Ästhetik der alten ergänzen, sind um einen Teich sowie einen versenkten Platz im Zentrum des Komplexes angeordnet.

Foto: Vector Architects/Su Shengliang, Chen Hao, Building For Change, gestalten 2022

"Building for Change"
Gestalten & Ruth Lang
2022 / 256 Seiten
Gestalten / € 51,40

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Foto: Building For Change, gestalten 2022