Mittendrin statt nur dabei: Emmanuel Macron.

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Der französische Nationalfeiertag des 14. Juli stand ganz im Zeichen des Ukraine-Kriegs. Zur Truppenparade hatte Präsident Emmanuel Macron Delegationen der sechs osteuropäischen und der drei baltischen Staaten eingeladen. Sie grenzen zum Teil an die Ukraine und bilden die Ostflanke der Nato; Macron präsentierte sie aber eher als Ausdruck einer "verstärkten europäischen Verteidigung".

Die Ukraine war an dem Umzug von 6.300 Soldaten und 90 Flugobjekten nicht vertreten, was Macron indirekt damit begründete, dass sein Land mit Russland nicht im Krieg sei. Die Symbole waren allerdings präsent: Über die Prachtavenue der Champs-Elysées rollten jene französischen Caesar-Haubitzen, die der ukrainischen Armee derzeit gute Dienste leisten. Pariser Medien werteten dies als "klare Botschaft an Wladimir Putin".

Frankreichs "Kriegswirtschaft"

Nicht zuletzt an die Adresse des russischen Präsidenten erklärte Macron, Frankreich werde weiter in seine Armee investieren und die erste Streitmacht der EU "verstärken". Der Verteidigungshaushalt wird um drei auf 44 Milliarden Euro aufgestockt. Armeeminister Sébastien Lecornu sprach sogar von "Kriegswirtschaft".

Macron warf Putin vor, einen "hybriden Krieg" zu führen, indem er die Energie "wie eine Kriegswaffe" einsetze. Die Europäer müssten sich deshalb auf "ein Szenario ohne russisches Gas" einstellen. Frankreich, das nur 17 Prozent seines Gaskonsums aus Russland bezieht, wolle seinen Partnern helfen, über die Runden zu kommen: "Wir werden den Deutschen helfen", versprach der im April wiedergewählte französische Staatschef. Frankreich selbst handle Abkommen mit Norwegen, Katar, Algerien und den USA über die Lieferung von Flüssiggas aus.

Lichter früher löschen

Das genüge aber nicht, machte Macron klar. Sein Land müsse sich auf eine Ära "ohne russisches Gas" und damit auf eine "Stromverknappung" ab Herbst einstellen. Die Hauptquelle, der französische AKW-Park aus 57 Reaktoren, funktioniere derzeit nur zur Hälfte. Wenn das Gas auch rar werde, müsse sich die Bevölkerung auf Sparmaßnahmen einstellen. Die öffentliche Verwaltung werde dabei vorausgehen und unter anderem die Lichter früher löschen; aber auch die privaten Haushalte müssten dazu beisteuern. Macron deutete an, dass auch Zwangsmaßnahmen erwogen werden, wenn freiwilliges Sparen nicht genügen sollte.

Macron zeigte sich von der Notwendigkeit solcher Eingriffe umso mehr überzeugt, als sie auch klimapolitisch Sinn machten, wie er sagte. Südwestfrankreich leidet derzeit wie Spanien unter einer Extremhitze, die schon zahlreiche Waldbrände ausgelöst hat. Auch am Nationalfeiertag mussten in der Gegend zwischen Bordeaux und der spanischen Grenze zahlreiche Einwohner und Camper evakuiert werden. In vielen Departements wurden die traditionellen Feuerwerke aus Anlass des "Quatorze Juillet" verboten.

Macron verteidigt sich in Uber-Affäre

In einem TV-Interview mit den wichtigsten Sendern des Landes verteidigte sich Macron gegen Medienvorwürfe, er habe als Wirtschaftsminister Geheimabsprachen mit dem Fahrdienst Uber getroffen. "Ich stehe völlig zu dieser Marktöffnung", konterte er. Zuvor hatte der Präsident salopp gesagt, bei dieser Kritik wackelten ihm "nicht einmal beide Eier". Er beeilte sich anzufügen, der bekannte Spruch stamme vom früheren Präsidenten Jacques Chirac. Bloß verfügt Macron nicht über dessen Popularität, weshalb ihm die neueste Stillosigkeit vielenorts als neue Vulgarität angekreidet wird.

Macron wollte damit vielleicht klarmachen, dass seine politisch ungemütliche Stellung an ihm abprallt. In der Nationalversammlung verfügt sein Lager seit den Parlamentswahlen von Juni nicht mehr über die Mehrheit. Das wurde diese Woche erstmals deutlich, als Premierministerin Elisabeth Borne bei dem Versuch scheiterte, eine Anti-Covid-Testpflicht für den Grenzübertritt durchzusetzen. Sie verlor die Abstimmung mit 219 gegen 195 Stimmen.

Macron ging bei dem TV-Interview zum Gegenangriff über: Er warf den linken "Unbeugsamen" von Jean-Luc Mélenchon vor, sie hätten mit der Rechten von Marine Le Pen gemeinsame Sache gemacht. Das sei eine "barocke" Allianz. Wie er in seiner zweiten fünfjährigen Amtszeit aber seine Reformpolitik durchziehen will, wenn er schon mit seinem ersten Gesetz Schiffbruch erleidet, vermochte Macron nicht zu sagen. (Stefan Brändle aus Paris, 14.7.2022)