Die bekannteste Erscheinung einer Randerscheinung in der US-Medienbranche: Die "Sesamstraße", hier Elmo und das Krümelmonster, kommt vom nichtkommerziellen, quasi öffentlich-rechtlichen PBS.

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Unergründliche USA verstehen: Mark Shields half dabei stets sachkundig in der "PBS Newshour".

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Beginnen wir, ausnahmsweise, mit Persönlichem. Im Juni ist Mark Shields gestorben, ein Fernsehjournalist, der einmal pro Woche das Zeitgeschehen kommentierte. Lesern in Mitteleuropa wird der Name vielleicht wenig bis nichts sagen, für mich war Shields in meinen 15 Jahren in Amerika fast eine Institution. Freitags saß er im Hauptstadtstudio von PBS, um im Streitgespräch mit einem Kollegen, meist war es David Brooks von der New York Times, die politische Woche Revue passieren zu lassen.

Zwei Beobachter mit feinen Antennen, Shields links, Brooks rechts von der Mitte, die Wichtiges von Unwichtigem trennten, die einzuordnen wussten. Das taten sie oft witzig, immer wohltuend sachlich, immer erhellend, sodass man nach zehn oder auch fünfzehn Minuten "Shields and Brooks" als Glanzlicht der tatsächlich einstündigen PBS Newshour das Gefühl hatte, ein riesiges, im Prinzip nie wirklich zu ergründendes Land ein bisschen besser verstanden zu haben. Zumindest, soweit es die Manöver, die Kämpfe, die Debatten der Politik betraf.

Gnadenlose Härte

Die gnadenlose Härte amerikanischer Wahlduelle, Shields hat sie wunderbar angespitzt auf den Punkt gebracht. Zu verlieren, sagte er, sei die amerikanische Ursünde. Habe jemand verloren, ließen sich die Leute überaus kreative Ausreden einfallen, um zu begründen, warum sie ihm oder ihr in der Stunde der Niederlage leider nicht beistehen könnten. "Gerade jetzt macht mein Neffe die Führerscheinprüfung. Wir haben einen Termin beim Tierpräparator. Solche Sachen."

360 Sender legen zusammen

Shields also war allein schon ein Grund, den Public Broadcasting Service einzuschalten. Genauer: eine der über 360 lokalen TV-Stationen, die PBS-Programm bezahlen und, in Summe landesweit, ausstrahlen.

Wobei PBS relativ jung ist, jünger als vergleichbare öffentlich-rechtliche Sender in Europa. Und auf Gebühreneinzug verzichtet. 1967 unterschrieb der damalige Präsident Lyndon B. Johnson den Public Broadcasting Act, ein Gesetz, das die Corporation of Public Broadcasting (CPB) schuf. Die wiederum ließ 1970 sowohl den von ihr finanzierten öffentlichen Fernsehsender PBS als auch National Public Radio (NPR), das Pendant dazu im Hörfunk, an den Start gehen.

Auf den Bildschirmen waren es damals noch die drei Networks, ABC, CBS und NBC, die eindeutig – und bis dahin praktisch alternativlos – dominierten. Das Symbol dafür: Walter Cronkite, über lange Jahre CBS-Anchorman, ein Muster an Seriosität, dessen Rolle einer seiner Chefs einmal so beschrieb: "Die Amerikaner glauben nicht, dass etwas passiert ist, bevor sie es nicht von Cronkite hören." An die Popularität eines Walter Cronkite reichten sie bei PBS nie ganz heran, dem mit der Gründung formulierten Qualitätsanspruch aber ist das Programm gerecht geworden.

"Zuschauer wie Sie" spenden

Die Newshour kommt fast ohne Werbung aus, abgesehen davon, dass im Vorspann die Namen der spendabelsten Sponsoren eingeblendet werden, gefolgt von der Zeile, dass auch "Zuschauer wie Sie" finanziell etwas beigesteuert haben.

Das fällt umso mehr auf, als die Programme von ABC, CBS und NBC ständig von Werbepausen unterbrochen werden, was im Übrigen auch für die Nachrichtenkanäle CNN, Fox News und MSNBC gilt. Dann wären da noch die investigativen Reportagen bei Frontline, spannender Wissenschaftsjournalismus in den Serien Nature und Nova, bei American Experience tiefe Einblicke in die Geschichte oder die großartigen Dokumentarfilme von Ken Burns. Und, nicht zu vergessen, Sesame Street, die Kindersendung.

Unaufgeregt neutral

76 Prozent der Amerikaner, fand die Marktforschungsagentur M&RR im Jahr 2017 heraus, interessanterweise wenige Monate nach dem Wahlsieg des Populisten Donald Trump, haben entweder großes oder ziemlich großes Vertrauen, dass PBS die Realität objektiv abbildet. In einer Gesellschaft, der es an Vertrauen in Institutionen mangele, in einer Medienlandschaft, die so polarisiert sei wie diese Gesellschaft, schreibt die Fachzeitschrift Columbia Journalism Review, stehe der Sender für etwas Rares. Mit seiner unaufgeregten Neutralität sei er für ein breites politisches Spektrum eine akzeptable Informationsquelle.

Polarisierte Medienbranche

Im Medienkosmos der Vereinigten Staaten sticht das besonders ins Auge, wendet sich doch Fox News ganz gezielt an das konservative Amerika, dessen Vorurteile oft noch verstärkend, während MSNBC ebenso gezielt das linksliberale Amerika bedient. Und doch. Wahrgenommen wird PBS eher als Stimme von Menschen, die in urbanem Milieu leben, akademisch gebildet sind, lieber Wein als Budweiser-Bier trinken und politisch eher zu den Demokraten tendieren.

Nach einer Studie des Pew Research Center bekennen sich 40 Prozent der Zuschauer eindeutig zur Demokratischen Partei, während sich 14 Prozent mit den Republikanern identifizieren. Was immer wieder republikanische Versuche zur Folge hat, dem öffentlichen Netzwerk den Geldhahn zuzudrehen. Trump beispielsweise plante, kaum hatte er sein Amt angetreten, drastische Kürzungen. Die Regierung, kündigte er an, wolle sich von der Finanzierung der (oben genannten) CPB zurückziehen.

475 Millionen aus Budget

Dass daraus nichts wurde, was ähnliche Vorstöße in Zukunft natürlich nicht ausschließt, liegt auch daran, wie die Mittel verteilt werden. Gerade kleinere, in ländlichen Regionen angesiedelte Stationen sind angewiesen auf Zuschüsse vom Staat, während sich Sender in Ballungsräumen auf ein solides Fundament privater Spender stützen können und selbst den kompletten Wegfall staatlicher Zuschüsse wahrscheinlich überleben würden.

Da es meist Republikaner sind, die die dünner besiedelten Landstriche im Parlament vertreten, sehen sie sich teils erheblichem lokalem Druck ausgesetzt, wenn sie nach dem Rotstift rufen.

Für 2023 hat der Kongress für PBS und NPR 475 Millionen Dollar bewilligt. 2024, auch das ist bereits beschlossen, steigen die Zuwendungen auf 525 Millionen Dollar.

Bei einer Station wie WAMU, der Station, die die Stadt Washington abdeckt, machen Staatsgelder nur fünf Prozent der Jahreseinnahmen aus. Spenden, häufig in Form freiwilliger Mitgliedschaften, steuern mehr als die Hälfte zum Budget bei. Zweitwichtigste Finanzquelle sind Sponsorengelder von Unternehmen. (Frank Herrmann aus Washington, 15.7.2022)