Berlin/Wien – Der deutsche Zeitungsverband BDZV arbeitet laut STANDARD-Informationen an einer Beschwerde über Online-Angebote gebührenfinanzierter Anstalten bei der EU-Kommission. Der Verband stößt sich sich am Umfang der Textbeiträge auf deren Onlineseiten, der die gesetzlichen Vorgaben übersteige. Einschränkungen der Textangebote auf ORF.at sind auch Thema bei Verhandlungen über ein neues ORF-Gesetz in diesen Tagen.

Nach STANDARD-Informationen aus Mitgliederkreisen soll es beim BDZV einen internen Beschluss über eine EU-Beschwerde gegen die Online-Angebote öffentlich-rechtlicher Anstalten geben.

"Sorge" über wachsende Textangebote gebührenfinanzierter Sender

Eine Sprecherin des Verbands kommentiert diese Informationen auf Anfrage nur allgemein: "Der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) nimmt mit Sorge die wachsenden Textangebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zur Kenntnis und diskutiert derzeit, welche Schritte als Reaktion geeignet sind."

Der Verband habe jedenfalls auch die Schlichtungsstelle mit der ARD in Sachen Textangebote angerufen. Die Schlichtungsstelle hat der BDZV vorerst mit den "textlastigen Online-Angeboten von MDR und Radio Bremen" befasst; weitere würden derzeit geprüft.

"Presseähnlichkeit" verboten

Seit 2019 schreibt der deutsche Medienstaatsvertrag vor, die Online-Angebote von ARD, ZDF und Deutschlandradio sollten "von ihrer Anmutung her" den Schwerpunkt auf Bewegtbild und Ton setzen, um sich von den Angeboten der Presseverlage zu unterscheiden; "presseähnliche" Angebote sind verboten. Bei der Gelegenheit wurde für Konfliktfälle eine gemeinsame, paritätisch besetzte Schiedsstelle von Rundfunkveranstaltern und Spitzenverbänden der Presse eingerichtet.

Deutsche Verleger brachten das Textangebot auf MDR.de vor die ARD-Schlichtungsstelle.
Foto: MDR.de Screenshot

Beschränkungen für ORF.at

Um neue Beschränkungen für Textangebote auf ORF.at geht es in diesen Tagen bei – geplant – finalen Verhandlungen von ÖVP und Grünen über eine Novelle zum ORF-Gesetz. Vor allem private Medienhäuser verlegerischer Herkunft kritisieren ORF.at als gebührenfinanzierte Konkurrenz zu ihren textorientierten Online-Angeboten. In Verlegerkreisen ist von einer existenziellen Bedrohung für private Angebote die Rede, wenn die gesetzlichen Möglichkeiten des ORF im Internet wesentlich erweitert werden. ORF.at ist die meistgenutzte Newsseite in Österreich.

Der ORF will Sendungsformate eigens für Streaming produzieren oder sie zuerst im Netz zeigen dürfen – bisher muss er sie erst in TV oder Radio senden, Ausnahmen sind sendungsbegleitende Inhalte oder Archivinhalte. Der ORF will diese Formate auch länger als – bisher vorgeschriebene – sieben Tage abrufbar machen. Diese Begrenzung wurde in Deutschland 2019 deutlich erweitert.

Private Verlagshäuser verlangen im Gegenzug für mehr Möglichkeiten des ORF im Streaming eine engere Begrenzung des ORF-Textangebots im Netz. Kolportiert wurden eine beschränkte Meldungs- und Zeichenzahl auf ORF.at – die Rede war in den seit Monaten laufenden Verhandlungen etwa von zweimal 60 Meldungen oder auch nur 60 Meldungen pro Tag mit unterschiedlichen Zeichenbegrenzungen zwischen 250 und 3000 Zeichen.

Weniger Text auf ORF.at ist Thema beim neuen ORF-Gesetz – dessen Angebot wird von privaten Medien als gebührenfinanzierte Konkurrenz zu deren Online-Angeboten kritisiert.
Foto: ORF.at Screenshot

Privatsender wiederum verlangen Werbebeschränkungen – in den Verhandlungen ist vor allem von beschränkten Werbezeiten im Radio die Rede – sowie Nutzungsmöglichkeiten von ORF-Inhalten in ihren Kanälen. Hier gab es offenbar Angebote und Verhandlungen des ORF über jährliche Kontingente mit den einzelnen Sendern.

DER STANDARD fragte beim Österreichischen Zeitungsverband VÖZ an, ob eine EU-Beschwerde über Textangebote im Online-Angebot des ORF dort Thema sind – etwa auch parallel zu einer deutschen Beschwerde. Der VÖZ formulierte in den 2000er-Jahren eine Beschwerde gegen das ORF-Gesetz, die zu wesentlichen Änderungen des Gesetzes 2010 führte. Insbesondere der öffentliche Auftrag des ORF wurde genauer definiert – der ORF darf auch nach den EU-Wettbewerbsregeln GIS-Gebühren nur einsetzen, um diesen Auftrag zu erfüllen. Eine Antwort steht bisher aus.

GIS-Streaminglücke Thema in ORF-Verhandlungen

Thema in den ORF-Verhandlungen ist laut Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) auch die sogenannte Streaminglücke in der ORF-Gebührenfinanzierung. Bisher darf der ORF nur von jenen Haushalten GIS verlangen, die empfangsbereite Rundfunkgeräte haben. Alleinige Streamingnutzung auch von ORF-Inhalten – die der ORF nun wesentlich ausbauen will – ist bisher von der GIS ausgenommen. (fid, 15.7.2022)