Freudestrahlend und mit Lust am Flirt teilt Ljubica Vraneš reihum betörende Blicke aus, gesanglich stolziert sie scheinbar mühelos durch ihren Part.

Zum Opfer wurde Carmen bei den Opernfestspielen in Gars am Kamp bereits vor Erklingen der ersten Töne. Pandemiebedingt musste die ursprünglich für 2020 vorgesehene Produktion abgesagt und dann noch einmal verschoben werden. Im letzten Jahr stemmte man auf der Garser Burg ersatzweise immerhin Mozarts "Entführung aus dem Serail" in reizvoller Urfassung mit reduziertem Ensemble.

Jetzt aber konnte George Bizets Hitmaschine endlich angeworfen werden – und auch eine kurze Unterbrechung wegen eines Regengusses konnte sie nicht mehr stoppen. Intendant Johannes Wildner führte das durchwegs jung besetzte Garser Orchester mit vollem Einsatz routiniert, wenngleich man Bizets bekannteste Themen, die – man glaubt es kaum – erst posthum zum Erfolg wurden, schon beschwingter, akzentuierter vernommen hat.

Regisseur Dominik Wilgenbus wollte seiner ersten "Carmen"-Inszenierung eine Art Gerichtsprozess ohne Urteil voranstellen, was zwar gut gedacht war, sich ohne Blick ins Programmheft aber leider kaum erschließt. Abgesehen von eingestreuten, direkt ans Publikum gerichteten Sprechakten auf Deutsch, die ein dankbarer Leitfaden sind, blieb diese Carmen ansonsten unangetastet. Zurückhaltend fällt auch die Bühnenausstattung aus (Franz Zlatar, Asim Dzino), was weder stört noch besonders begeistert.

Die ersten zwei Akte gehören ohnehin einzig und allein der Carmen, wunderbar besetzt mit Ljubica Vraneš, Ensemblemitglied am Belgrader Nationaltheater und als Carmen bereits in einer Rockversion der Oper zu hören gewesen. Freudestrahlend und mit Lust am Flirt teilt Vraneš reihum betörende Blicke aus, gesanglich stolziert sie scheinbar mühelos durch ihren Part.

Selbstparodistische Männer

Man merkt denn auch, dass diese Carmen mit den lebenslustigen Momenten offenbar mehr anzufangen weiß, als mit der düsteren Todesahnung im dritten und vierten Akt, wo es dann etwas an Dramatik fehlt. So stark aber, wie Vraneš ihre Figur zeichnet, so schwach und bis zur Selbstparodie unfähig, mit starken Gefühlen umzugehen, nehmen sich die männlichen Charaktere aus. Dass hier letztlich ein Femizid verübt wird, wofür man zu Bizets Zeit noch kein Wort hatte, wird deutlich, ohne dass dafür übersteigerte Brutalität gezeigt werden müsste.

Oscar Marin als Don José (links) und Ljubica Vraneš als Carmen.
Foto: Andreas Anker

Oscar Marín, mittlerweile Dauergast auf der Burg Gars, hält sich als verschmähter Liebhaber Don José vornehm zurück, lässt seinen variantenreichen Tenor aber an den richtigen Stellen aufblitzen. Neven Crnić gibt den Torero Escamillo überzeugend als gockelhaft überdrehte Napoleon-Figur.

Zum Star in einer Nebenrolle wird aber Bariton Wolfgang Resch. In Gars zuletzt als Papageno zu hören gewesen, schafft es der Tiroler, etwas Slapstick und Mienenspiel daraus mitzunehmen und dem Offizier Moralès milchbubihafte Diabolik mit Komikanteilen einzugeben. Das ist überraschend, ebenso wie die vielfältige Besetzung des Chors. Die ist schön anzusehen, und anzuhören allemal auch. (Stefan Weiss, 15.7.2022)