Anhänger des Ex-Präsidenten Lula fordern auf einem Schild Frieden bei einer Wahlkampfveranstaltung in der Hauptstadt Brasília.

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Worte sollen weitere Gewalttaten stoppen. Nachdem am Wochenende der Funktionär der Arbeiterpartei, Marcelo de Arruda, bei seiner Geburtstagsparty erschossen wurde, sind die politischen Leitfiguren Brasiliens bemüht, die aufgeheizte Stimmung zu beruhigen. Der ehemalige Staatspräsident und Vorsitzende der Arbeiterpartei, Luiz Inácio Lula da Silva, drückte der Familie seines Mitarbeiters sein Beileid aus und rief zu "Dialog, Toleranz und Frieden auf". Lula führt im Moment die Umfragen vor der Präsidentschaftswahl am 2. Oktober an.

Der Attentäter war ein Unterstützer des amtierenden rechten Präsidenten Jair Bolsonaro, die Geburtstagsparty stand unter dem "Lula-Motto". Bei einem Schusswechsel verwundete de Arruda vor seinem Tod seinen Angreifer noch schwer. Offiziell distanzierte sich Bolsonaro gewalttätigen Unterstützern, doch lässt es sich der Präsident nicht nehmen, in einer Serie von Tweets die Linke anzugreifen und auf ihre "unbestreitbare gewalttätige Vergangenheit" hinzuweisen.

Serie von Attacken

Dabei war der Mord an de Arruda nur der letzte Angriff von Bolsonaros Anhängern in einer Serie von Attacken auf die politischen Gegner. Vergangene Woche warf ein Mann einen kleinen Sprengkörper in die Menge einer Wahlkampfveranstaltung von Lula in Rio de Janeiro. Es wurde niemand verletzt, der Mann wurde bei seinem Fluchtversuch von der Polizei festgenommen. Im Monat davor ließ jemand im Bundesstaat Minas Gerais faule Flüssigkeit mittels Drohne über Lula-Unterstützer abwerfen.

Parteifunktionäre und Kampagnenmitarbeiterinnen sorgen sich um die Sicherheit des ehemaligen Präsidenten und linken Kandidaten. "Es reicht eine Person, um eine Tragödie zu verursachen", sagte etwa Fernando Haddad, Kandidat für den Gouverneur von São Paulo, im Interview mit "Bloomberg". Man müsse die Sicherheitsvorkehrungen verstärken.

Gewalt erlaubt

Seit der Amtsenthebung von Lula im Jahr 2016 wird der Riss zwischen den politischen Lagern Brasiliens immer tiefer. 2018 wurde der ehemalige Präsident schließlich wegen Korruption verurteilt, was ein Jahr später wieder aufgehoben wurde, weil die Staatsanwaltschaft mit dem Richter konspiriert haben soll.

Wie der Präsident des brasilianischen Menschenrechtsrats, Darci Frigo, im Gespräch mit dem "Guardian" sagte, reifte bei der politischen Rechten dadurch die Erkenntnis, dass man die Linke nicht durch Rechtsstaatlichkeit und Debatten besiegen könnte: "Bolsonaro hat die Entscheidung getroffen, die Linke zu eliminieren, und seinen Unterstützern erlaubt, Gewalt dafür einzusetzen, um zu spalten und zu hassen."

Gewalt durch Polizei

Doch im vergangenen Wahlkampf war auch Bolsonaro Opfer eines Anschlags geworden. Ein Monat vor der Wahl im Jahr 2018 wurde der nun amtierende Präsident niedergestochen und musste Wochen im Krankenhaus verbringen.

Und nicht nur die Gewalt im Zusammenhang mit politischen Wahlen steigt im südamerikanischen Land. Der UN-Menschenrechtsrat spricht Anfang Juli in einem Bericht von "rassifizierter Polizeigewalt" und fordert Reformen. Anlass war eine Polizeirazzia im Favela Cruzeiro in der Metropole Rio de Janeiro. Dabei wurden 23 Menschen – auch Kinder – getötet. Die meisten waren Afrobrasilianer. Unter Bolsonaro kam es zu einer Militarisierung des Polizeiapparats. Die UN-Menschenrechtsexperten fordern, dass diese Maßnahmen zurückgenommen werden. (bbl, 15.7.2022)