Eine Klingel kann auch eine Kamera sein.

Foto: Jessica Hill / AP

Überwachungskameras sind eine umstrittene Technologie. So nützlich es auch sein mag, die Vorgänge vor dem eigenen Haus oder auch in der Wohnung aus der Ferne im Blick zu haben oder im Nachhinein zu betrachten, so hoch sind die damit einhergehenden Risiken. Immerhin bedeutet gerade der Fernzugriff üblicherweise, dass diese Daten irgendwo in der Cloud zwischengespeichert werden – und im schlimmsten Fall jemand anderer darauf Zugriff bekommen könnte.

"Notfall"

Insofern dürfte der folgende Bericht nicht unbedingt vertrauensfördernd für ohnehin schon besorgte Nutzer sein: Wie aus einer Beantwortung einer Anfrage des US-Senators Ed Markey hervorgeht, gewährt die Amazon-Tochter Ring US-amerikanischen Polizeibehörden nämlich regelmäßig Zugriff auf die Überwachungskameras ihrer Kunden sowie auf die damit erstellten Ton- und Bildaufzeichnungen. Und zwar nicht nur ohne deren Zustimmung, sondern zum Teil auch ohne eine richterliche Anordnung. Insgesamt elf solchen "Notfall-Anordnungen" habe Ring bisher im Jahr 2022 nachgegeben.

Ring gehört zu den größten Anbietern in diesem Bereich und ist vor allem auf Video-Türklingeln spezialisiert. Diese sind eigentlich dazu gedacht, Boten und andere Personen, die vor der Tür stehen, zu erkennen. Allerdings sind die dabei verwendeten Kameras und Mikrofone gut genug, um die Ereignisse auf der Straße dahinter zu filmen, womit die gerade in den USA millionenfach verbreiteten Ring Doorbells über die Jahre vermehrt das Interesse der Polizei auf sich gezogen haben.

Ein eigenes Formular

Der Hersteller betont nun, dass es sich bei den erwähnten Fällen um Notfälle gehandelt habe, in denen die Polizei rasch reagieren musste. Wolle die Polizei auf diesem Weg Zugriff haben, müsste sie ein eigenes Notfalls-Antragsformular stellen, in dem die Umstände ausgeführt werden und die Rechtmäßigkeit garantiert wird. Die finale Entscheidung über eine Datenweitergabe treffe dann ein Ring-Mitarbeiter.

Eine Beschreibung, die bei Kritikern auf wenig Begeisterung stößt. So betont Matthew Guariglia von der Electronic Frontier Foundation gegenüber "Arstechnica", dass die Entscheidung darüber, was ein Notfall ist, nicht einfach von einer privaten Firma wie Ring und auch nicht von der Polizei getroffen werden sollte, die beide nicht unbedingt die beste Reputation haben, wenn es um die Wahrung der Privatsphäre gehe.

Verschlüsselung? Lieber nicht

Senator Markey fordert das Unternehmen in seiner Anfrage auch dazu auf, die optional verfügbare Ende-zu-Ende-Verschlüsselung für diese Daten von Haus aus zu aktivieren. Dies lehnt Ring allerdings ab, dieser Schutz sei nicht für alle Kunden geeignet.

Markey sieht aber noch ein weiteres, grundlegendes Problem. Die biometrische Überwachung werde durch Firmen wie Ring zu einem zentralen Bestandteil eines riesigen Netzes von Überwachungssystemen, die in der Hand von privaten Technologieunternehmen seien.

Vorgeschichte

Ring musste sich in der Vergangenheit immer wieder Kritik für die Zusammenarbeit mit der Polizei gefallen lassen. Zumal diese offenbar auch äußerst ineffektiv ist. Wie eine Untersuchung des US-Senders NBC vor einigen Jahren aufzeigte, führt diese nämlich kaum zur Aufklärung von Verbrechen, erhöht aber gleichzeitig die Angst vor Kriminalität.

In Österreich sind solche Video-Türklingeln derzeit nicht nur weniger verbreitet als in den USA, die Rechtslage ist auch deutlich komplizierter. So darf damit nur das eigene Grundstück gefilmt werden. Aufnahmen von öffentlichen Bereichen oder gar Nachbargrundstücken sind hingegen explizit verboten und können zu einer Strafe führen. In einem Mietshaus in der Stadt dürfte es damit ohnehin kaum möglich sein, eine solche Video-Türklingel legal zu betreiben. (red, 15.7.2022)