Sommer 1982: Thomas Salis, damals 29 Jahre jung, eröffnet im Schloss Rief, knapp 13 Kilometer von der Stadt Salzburg entfernt, eine Galerie. Die erste Ausstellung ist dem Maler und Grafiker Franz von Zülow gewidmet. Die hier nun an den Wänden verteilte Ware hat er zuvor in Wien ergattert, genauer beim Sohn des Künstlers, der sie unter einem Bett in Schachteln lagerte: Handdrucke oder auch Leporellos der ab 1909 zuerst handgemalten und ab 1912 in kleinster Auflage vervielfältigten Monatshefte, zu deren Abonnenten einst Gustav Klimt, Egon Schiele oder auch Josef Hoffmann zählten.

Das Interesse an der Ausstellung blieb mau, wochenlang. Bis ein alter Mercedes mit Wiener Kennzeichen vorfuhr, dem ein Salis unbekannter älterer Herr mit etwas vernudeltem Sakko entstieg. "Mein Name ist Leopold", stellte sich dieser vor, "Professor Rudolf Leopold", präzisierte er. Der Kunstsammler sondierte, wählte ein Konvolut Spritztechniken und begann zu feilschen. Schließlich wurde man handelseinig.

Bei der Kunstmesse Tefaf in Maastricht präsentierte die Galerie Salis im Juni bereits eine erste Auswahl an Collagen in einer Preisklasse von rund 10.000 bis 265.000 Euro.
Foto: Tefaf / Peter de Vries

Sammler in Wandermontur

Seither sind 40 Jahre vergangen, in denen Thomas Salis eine für Österreich nicht gar so typische, weil an vorwiegend internationaler Klientel orientierte Laufbahn absolvierte. Teils im Alleingang, teils mit wechselnden Geschäftspartnern – Bernhard Brenner und Laszlo von Vertes – sowie damit verbundenen Niederlassungen in Zürich oder St. Moritz. Salzburg blieb in all den Jahren der heimatliche Stützpunkt, wenngleich an unterschiedlichen Adressen.

Die Entwicklung zu einem zur Festspielzeit gut frequentierten Marktplatz erlebte der mittlerweile 70-jährige Salis nicht nur mit, sondern war daran, etwa gemeinsam mit Lokalmatadoren wie Thaddaeus Ropac, der 1983 hier seinen ersten Galeriestandort eröffnete, in unterschiedlichen Funktionen beteiligt: oft auch hinter den Kulissen, als Fürsprecher für lokale Messeformate oder Initiator von Verkaufsausstellungen mit Kollegen und Kolleginnen aus Wien.

1982 eröffnete der Salzburger Kunsthändler Thomas Salis seine erste Galerie in der Altstadt.
Foto: Friedl von Salis

Nicht allem war Erfolg beschieden, auch weil sich die Situation in der Altstadt im Laufe der Jahre massiv veränderte. Die vom Kunsthandel jährlich besonders im Sommer umgarnte internationale Klientel, die sich einst vor den Vorstellungen Zeit für Galeriebesuche nahm, wurde sukzessive von den wachsenden Massen des Tagestourismus vertrieben.

Für Kurt Schwitters Collage "Commerz und Privat Bank" von 1930 sind 88.000 Euro veranschlagt.
Foto: Galerie Salis

Er selbst war einst im Hinblick auf dieses vorwiegend mit den Sommerfestspielen verknüpfte Kundenpotenzial ins Stadtzentrum übersiedelt, wo er sich in der Goldgasse 13 – heute ein Uhrengeschäft – einquartierte. Unterstützt und motiviert wurde er dabei von "Bernie" Brenner, ein aus Graz gebürtiger und in Venezuela ansässiger jüdischer Emigrant, der in Europa wieder Fuß fassen wollte. "Wir werden zur Festspielzeit internationale Kunst anbieten", Vertreter der École de Paris, das ganze Programm, lautete der in den Folgejahren durchaus erfolgreich umgesetzte Plan.

"… und Schatten" titelt die um 1925/26 datierte Collage von Hannah Hoech, die in Berlin studierte und Schülerin von Emil Orlik war.
Foto: Galerie Salis

Arbeiten von Marc Chagall, Max Ernst oder Camille Pissarro, die man von namhaften internationalen Kollegen teils in Kommission übernahm, wechselten hier ebenso den Besitzer wie solche von Georges Braque oder Serge Poliakoff. Picasso nicht zu vergessen. Salis erinnert sich an die "wunderbare Zeichnung einer sitzenden Frau aus den 1940er-Jahren", aus einer Linie geschaffen, für die sich ein ihm damals ebenfalls Unbekannter in Wandermontur samt Rucksack interessierte: Reinhold Würth, der Schraubenfabrikant und Kunstsammler.

"Fü oi Strichle", kommentierte dieser den veranschlagten Kaufpreis von 700.000 Schilling in breitem Schwäbisch launig. Deal, das Blatt wechselte in die mittlerweile mehr als 18.500 Werke umfassende Sammlung des Unternehmers, aus der in der aktuellen Ausstellung anlässlich des 40-jährigen Geschäftsjubiläums auch unverkäufliche Leihgaben von Kurt Schwitters gastieren. Darunter die im Londoner Exil des von den Nazis als "entartet" verfemten Künstlers 1944 entstandene Collage It’s Terrific!, die auch das Cover des begleitenden Katalogs ziert.

Prinzip Collage

Prinzip Collage – von Arp bis West heißt die Schau, in der Salis mit mehr als 70 Arbeiten von 50 Künstlern einen chronologischen Bogen samt kunsthistorischer Einordnung schlägt: Mit der Einführung der Collage von Picasso, Braque und Gris in die Kunst der Avantgarde entfaltete sie von der Dada-Bewegung befeuert einen für die Kunst des 20. Jahrhunderts maßgeblichen Einfluss, "ohne den die abstrakte und zeitgenössische Kunst nicht denkbar" wäre, ist der Kunsthändler überzeugt.

Mit einer Auswahl bestritt er, seit 1987 Stammaussteller der renommierten Tefaf-Kunstmesse, in Maastricht jüngst quasi eine Vernissage und verkaufte je eine Collage von Max Ernst sowie von Hannah Höch, einer Schülerin von Emil Orlik, an institutionelle Sammlungen. Eine Finissage ist im Zuge der Art Cologne (16. bis 20. November) angedacht. Bis dahin hält Thomas Salis am Mozartplatz Nummer vier Hof, umgeben von den über einen Zeitraum von zwei Jahren eigens für dieses Ausstellungsprojekt aufgestöberten Künstlern und Künstlerinnen mit internationaler Reichweite. (Olga Kronsteiner, 16.7.2022)