Vor Herbst 2022 wird der digitale Führerschein in Österreich wohl nicht eingeführt. Es gibt aber private Anbieter, wie hier die Scan-Lösung der Wiener Firma Anyline. Bei einer Verkehrskontrolle braucht man dennoch die Plastikkarte.

Foto: Anyline

Die Handysignatur ist tot, lang lebe die ID Austria! Schenkte man den Regierungsankündigungen Anfang des Jahres Glauben, sollten die altehrwürdige Handysignatur sowie die Bürgerkarte schon jetzt Geschichte und durch die neue ID Austria ersetzt worden sein. Doch dazu kommt es vorerst nicht. Im Gegenteil: Der Weg zur elektronischen Identität wird noch einige Monate in Anspruch nehmen – noch ist das gesamte Projekt eine digitale Großbaustelle.

Bitte das Kennwort laut vorlesen

Zwar kann man sich schon jetzt für die Testphase der ID Austria anmelden, dafür muss man aber etwas typisch Österreichisches tun: zu einer Behörde gehen. Aber bevor man sich auf den Weg macht, muss man als Nutzer ein wenig Vorarbeit leisten: Zuerst muss man sich in einer weiteren Smartphone-App namens "Digitales Amt" anmelden. Das ist technisch wenig herausfordernd, wird aber durch unbeschriftete Eingabefelder und kryptische Anweisungen zum Spießrutenlauf (siehe Screenshot).

Welche Eingaben bei der Anmeldung im Digitalen Amt verlangt werden, erschließt sich leider nicht auf den ersten Blick. Das unterste Eingabefeld bleibt völlig mysteriös.
Foto: Screenshot "Digitales Amt"

Hat man diese Hürde überwunden, muss man persönlich bei einer Registrierungsbehörde erscheinen. Diese schickt daraufhin ein Einmalkennwort – also einen TAN – an die "Digitale Amt"-App auf dem Handy des Nutzers. Dieses Kennwort muss man anschließend dem Beamten vor Ort vorlesen. Danach muss man AGBs, Signaturvertrag und Datenschutzerklärung zustimmen, bevor ein Passwort vergeben und die Signaturanfrage unterschrieben werden kann.

Kein konkreter Termin für Verbesserungen

Eine Fingerabdruck- oder Gesichtserkennung müssen am Telefon ebenfalls vorhanden sein, sonst war alles umsonst. Aber: Alternativ kann man sich einen Ausdruck der ID Austria per RSa-Brief schicken lassen. Ein analoges Passbild und einen Ausweis muss man übrigens auch dabeihaben. Damit die Übersicht nicht verlorengeht, gibt es auf oesterreich.gv.at ein Ablaufdiagramm zum Herunterladen.

Ein eigenes Diagramm hilft den Überblick auf dem Weg zur digitalen ID zu behalten. Der Ablauf sollte bis Sommer 2022 vereinfacht werden, doch daraus wurde vorerst nichts.
Foto: oesterreich.gv.at

Selbst Nutzer der bisherigen Handysignatur müssen dieses Prozedere absolvieren. Dass dies alles nicht unbedingt nutzerfreundlich ist, sieht man auch im zuständigen Finanzministerium ein, und eigentlich sollte der Ablauf bis in den Sommer 2022 vereinfacht werden. Nutzer der Handysignatur sollten mit nur wenigen Klicks und ohne Behördengang zu ihrer neuen ID Austria kommen. Doch daraus wird nichts: Die Einführung der "Vollversion" wird verschoben. Einen konkreten Termin gibt es noch nicht, aber im Herbst 2022 soll es so weit sein.

Digitaler Führerschein wird ebenfalls verschoben

Von der Verschiebung betroffen ist damit auch ein weiteres Vorzeigeprojekt: Der digitale Führerschein sollte die erste große Anwendung der ID Austria werden. Angekündigt wurde die digitale Lenkerberechtigung schon im Frühjahr von der damaligen Digitalisierungsministerin Margarete Schramböck (ÖVP). Nach ihrem Rücktritt im Mai gingen die Digitalisierungsagenden und damit auch das Projekt in das Ressort von Staatssekretär Florian Tursky (ÖVP) im Finanzministerium. Auch in diesem Fall ist von einem Launch erst im Herbst 2022 die Rede.

Ein exakter Starttermin war auf STANDARD-Anfrage im Ministerium nicht zu erhalten. Fix scheint nur zu sein: Im Ausland wird der digitale Führerschein aus Österreich vorerst nicht gelten. Grundsätzlich wurde in der angekündigten Vollversion von ID Austria der europaweite Einsatz berücksichtigt, einen konkreten Termin, ab wann dies möglich ist, gibt es aber ebenso wenig, wie der ORF berichtet.

Ministerium schweigt

DER STANDARD wollte vom Finanzministerium darüber hinaus wissen, ob Nutzer der Handysignatur mit der Anmeldung von vorn beginnen müssen, sobald diese nicht mehr gültig ist. Die Frage, ob und wann die Umstellung ohne Amtsweg erfolgt, blieb ebenso unbeantwortet wie die Frage, ob die ID Austria auch in anderen EU-Staaten gelten wird oder wie die Sicherheit der höchstpersönlichen Daten der Österreicherinnen und Österreicher gewährleistet wird.

Die Antworten sind also spärlich – vielleicht kann ja das digitale Webinar zur ID Austria neue Erkenntnisse bringen. Doch auch dieser Link führt ins Leere. (Peter Zellinger, 16.7.2022)