In acht Bundesländern (Wien ist die Ausnahme) gibt es mehr offene Lehrstellen als Lehrstellensuchende. Laut den Zahlen des Arbeitsmarkservice (AMS) kommt auf zwei offenen Lehrstellen aktuell ein Bewerber. Dennoch finden viele Lehrstellensuchende keine passende Stelle.

Der erste Deloitte Youth Pulse Check war Anlass für einen Roundtable zum Thema: Wie Lehrlinge und Betriebe in Österreich besser zueinanderfinden. Im Frühjahr wurden dafür 109 österreichische Unternehmen sowie 92 Schülerinnen, Schüler und Lehrling nach ihrer Motivation, ihren Erwartungen und den Herausforderungen befragt.

Beim Roundtable diskutierten (v. li.): Claudia Plaklom (Jugendstaatssekretärin, ÖVP), Johannes Kopf (Vorstand AMS), Elisa Aichinger (Partnerin bei Deloitte), Alois Grill (Ausbilder ÖBB-Lehrwerkstätte Wien) und Ina Breer (Personalmanagerin Meliá Vienna).
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Und Verbesserungsmöglichkeiten – das zeigt auch die Umfrage – gibt es viele. Zwei Drittel der befragten Unternehmen gaben an, dass man Schwierigkeiten habe, geeignete Lehrlinge zu finden. "Und auch wenn Unternehmen die Ansprüche an Lehrlinge runtergeschraubt haben, sind die Anforderungen an die Lehre eher gestiegen", sagt AMS-Vorstand Johannes Kopf.

Mit der vom ehemaligen Arbeits- und Sozialminister Rudolf Hundstorfer initiierten Ausbildungspflicht bis 18 Jahren sei zwar eine gute Idee verwirklicht worden. "Das Projekt wird aber vom Arbeitsministerium getragen, umgesetzt über eine Vormerkpflicht beim AMS", ergänzt Kopf. Die Ausbildungspflicht als gemeinsames Regierungsprojekt zu verwirklichen wäre schöner gewesen. So könne nur ein Teil des Projekts umgesetzt werden, dabei gebe es schon im Bildungssystem Ansatzpunkte. "Denn Jugendliche, die keine Lehrstelle finden, haben Defizite. Aber mit der richtigen Förderung kann vieles gelingen. Nicht nur aus ökonomischer Sicht ist es schlecht, dass nicht alle Potenziale der Kinder gehoben werden", merkt er an.

Falsche Botschaften

Für Elisa Aichinger, Partnerin bei Deloitte, liegt ein wichtiger Hebel für ein besseres Zusammenfinden von Betrieben und Lehrstellensuchenden bei den Unternehmen selbst. "Im derzeitigen Umfeld müssen sich Arbeitgeber am Markt bewerben", sagt sie. Die Studie habe gezeigt, dass über Social Media zwar die richtigen Kanäle genützt, nicht aber die richtigen Botschaften transportiert werden. "Jungen sind das Betriebsklima, die Arbeitskollegen wichtiger als ein sicherer Job", nennt sie beispielhaft.

Die ÖBB mit rund 2000 Lehrlingen setzt bei der Suche auf unterschiedlichste Initiativen. "Girls Day, Kids Day mit den Eltern oder Schulbesuche inklusive Bewerbungstrainings", zählt Alois Grill, Ausbilder der ÖBB-Lehrwerkstatt Wien, auf. Viele Jugendliche würden aber in der Schule bleiben, auch wenn ihre Notenbilanz nicht unbedingt dafürspreche. Ein Talente-Check nach der Schulzeit wäre für Grill eine geeignete Unterstützung bei der Entscheidung über den weiteren Bildungsweg.

"Verbau dir nichts, mach die Matura‘ ist nach wie vor in den Köpfen vieler Eltern. Das ist schade", sagt Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP). Denn auch nach der Lehre sei alles möglich. Wenn es darum gehe, das Image der Lehre zu verbessern, müssten verstärkt auch die Eltern von den Chancen überzeugt werden.

Die Tourismusbranche gehöre nicht zu den attraktivsten Arbeitgebern, sagt Ina Breer, HR-Managerin beim Hotel Meliá Vienna mit 180 Mitarbeitenden. Bei der Lehrlingssuche werde auf aktives Employer-Branding gesetzt. "Als kleines Unternehmen sind wir näher an den Mitarbeitern und den Lehrlingen dran", ergänzt sie. Das zeige sich auch in der Lehrlingsausbildung.

Mehr Unterstützung

Hier sieht Grill auch Handlungsbedarf in den Unternehmen. Lehrlingsausbildung brauche Zeit und Aufmerksamkeit. "Der Ausbilder muss dem Lehrling Aufgaben stellen, ihn unterstützen. Das kommt in Zeiten von Effizienzsteigerungen schnell zu kurz."

Auf die Frage, ob sich das kleine Unternehmen, die auch unter enormen Effizienzdruck stehen, leisten können, sagt Kopf: "Wenn ich aufhöre, Sport zu betreiben, dann ist das auf Dauer auch schlecht für mich." Ähnliches gelte auch bei der Ausbildung von Lehrlingen. (Gudrun Ostermann, 16.7.2022)