Ziehen oder drücken? Das ist die Frage.

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Eine Tür ist etwas Wunderbares, rein symbolisch betrachtet. Man lässt beim Durchschreiten Altes hinter sich und marschiert geradewegs in neue Abenteuer. Rein symbolisch betrachtet, ist es daher wohl bedenklich, dass ich beim Öffnen mancher Türen immer wieder ins Stocken gerate. Auch wenn auf einer Glastür klar und deutlich "Ziehen" prangt, stehen die Chancen gut, dass ich dagegendrücke. Und wenn darauf "Drücken" steht, dann ... Sie kennen das.

Vielleicht von einer der Glastüren im Einkaufszentrum Gerngroß auf der Wiener Mariahilfer Straße, die immer in die Richtung aufgehen, die man nicht erwartet. Und ich bin nicht allein, wie sich bei meinem – zugegebenermaßen wirklich seltsamen – Lokalaugenschein zeigte. Ich beobachtete Menschen beim Betreten des Gebäudes, während ich wiederum von ihnen misstrauisch beäugt wurde. Was ich dabei gelernt habe: Alle, die ins Zaudern kamen, drückten gegen die Tür – und machten es somit zuerst genau falsch, bevor sie daran zogen. Eine Erklärung für den Fauxpas hatte niemand, die Tür sei halt ein bisserl "blöd".

Wir können nichts dafür

Die gute Nachricht: Wir Nutzerinnen können nichts dafür, immerhin und ausnahmsweise. Das natürliche Habitat der Problemtüren befindet sich laut meiner streng nicht repräsentativen Umfrage in Einkaufszentren, Shops, Büros und Banken – vielleicht, um es Bankräubern besonders schwer zu machen?

Die Türen sind jedenfalls ein globales Phänomen, und sie haben einen Namen: Die "Norman Doors" sind nach dem kalifornischen Psychologen Don Norman benannt, der seine Frustration damit im Gegensatz zu uns kreativ nutzen konnte und darüber das Buch The Design of Everyday Things geschrieben hat. Sie zeichnen sich, laut Norman, unter anderem dadurch aus, dass ihr Design uns die falschen Signale sendet. Viele Glastüren haben beispielsweise auf beiden Seiten einen Griff zum Ziehen – bräuchten diesen aber strenggenommen nur auf einer Seite und verwirren uns dadurch. Denn auf die falschen Signale der "Norman Doors" folgt – erraten! – auch eine falsche Reaktion.

Das versucht man vielerorts zu korrigieren, indem die Aufforderung "Drücken" oder "Ziehen" aufgeklebt wird. Hilft das nicht, probiert man es mit etwas mehr Nachdruck: Im dritten Bezirk in Wien gibt es den schon recht deutlichen Hinweis "Achtung, Tür öffnet nach außen".

"Fest drücken"

In einem Lokal im siebten Bezirk wiederum hat man den Handlungsempfehlungen mittlerweile ein fast schon passiv-aggressives "Fest" hinzugefügt. Helfen tut’s nicht: "Die meisten trauen sich nicht, fest zu drücken", klagt die Besitzerin beim Lokalaugenschein, bei dem sie ihre Tür zur Sicherheit lieber gleich offen stehen ließ.

Immerhin hatte sich eine Journalistin mit Leidenschaft für Problemtüren angekündigt. Ganz so dramatisch dürfte die Lage aber auch wieder nicht sein: Dass Gäste angesichts des gläsernen Hindernisses hungrig wieder abgezogen sind, sei ihres Wissens nach noch nie vorgekommen, erklärte die Gastronomin, die von den eingehenden Fragen zur Eingangstür insgesamt einigermaßen überrascht schien.

Die Tiroler Psychologin Marcella Stolz hingegen ist überhaupt nicht überrascht, dass schriftliche Hinweise das Designproblem nicht lösen. Die Verarbeitung von Text dauere viel länger als die von visueller Information, erklärt sie: "Das Gehirn muss den Text erst als solchen erkennen, das Wort in seine Bedeutung übersetzen und dann dem Wort die entsprechende Handlung zuordnen." Und das alles, während man geradewegs auf das Hindernis zusteuert und nebenbei vielleicht auch noch aufs Handy schaut.

Besser zu verarbeiten sind da Piktogramme, etwa mit Pfeilen und farbigen Markierungen: rot für "Ziehen", grün für "Drücken". Die Psychologin bestätigte auch meine Beobachtung, dass man im Zweifel eher drückt als zieht, denn dabei müssen wir bequemerweise nicht einmal stehen bleiben: "Wir sind darauf ausgerichtet, möglichst ökonomisch zu handeln", sagt sie. Auch wenn man dafür bei besonders schwungvollen Manövern mit blauen Flecken bezahlt.

Stilles Örtchen

Die Türen sind jedenfalls schon bei der Planung Thema: "Solche Türen will man unbedingt vermeiden", betont der Wiener Architekt Markus Kaplan von BWM Architekten. Daher gehe es beim Planen häufig um die Aufgehrichtung von Türen, mit der der Bewegungsfluss der Menschen unterstützt und nicht gestoppt werden soll.

Auch Kaplan kennt Beispiele, bei denen das nicht funktioniert. Als Nutzer gehe man beispielsweise immer davon aus, dass Türen aus dem Gebäude nach außen aufgehen. Das ist richtig, wenn es sich um einen Fluchtweg handelt, allerdings dürfen Türen auch nicht in einen Verkehrsraum, wie etwa einen Gehsteig, hin ein aufgehen. Und dann gibt es auch noch ganz alte Häuser, deren Tore auf moderne Richtlinien pfeifen.

Apropos: Diese Richtlinien regeln sogar, dass die WC-Tür nach außen aufgehen muss, wenn das stille Örtchen kleiner ausfällt. Dort ist es bei mir immerhin noch nie zu Verwirrung gekommen. (Franziska Zoidl, 17.7.2022)