Für frühere Meinl-Banker ist der Bestechungsskandal des Odebrecht-Konzerns noch nicht erledigt. Ermittelt wird in den USA und in Wien.

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Wien – London – Washington: Das sind die Schauplätze, an denen die Causa Meinl Bank / Odebrecht mittlerweile spielt.

In Wien ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) unter anderem gegen den Ex-Chef der früheren Meinl Bank, Peter Weinzierl, und zwei weitere Ex-Banker wegen des Verdachts auf Bestechung und Geldwäscherei im Konnex mit dem riesigen Bestechungsskandal rund um den brasilianischen Baukonzern Odebrecht. Die alteingesessene Privatbank, die 2019 in Anglo Austrian Bank AAB umfirmiert worden war, ist 2020 nach dem Lizenzentzug pleitegegangen.

In London läuft ein Auslieferungsverfahren gegen Weinzierl. Die Amerikaner haben in einem sogenannten Indictment quasi Anklage gegen ihn und einen zweiten Ex-Meinl-Banker rund um den Odebrecht-Skandal erhoben. Als Weinzierl zu einem Business-Lunch in die britische Hauptstadt angeflogen kam, wurde er festgenommen. Inzwischen ist er unter strengen Auflagen (Fußfessel, wöchentliches Melden bei einer Polizeistation) frei. Mitte Juni fanden vor dem Westminster Magistrates' Court an vier Tagen Anhörungen zur Auslieferung statt, Ende September gehen sie weiter.

Schwere Vorwürfe der US-Justiz

In Washington hat das Justizministerium im Februar ein Rechtshilfeersuchen an die österreichische Justiz aus dem Jahr 2018 ergänzt, es geht um diverse Kontoöffnungen in der früheren Meinl Bank. Die entsprechende Anordnung hat die WKStA vor kurzem erlassen, den Akt übermittelt.

Aus dem Rechtshilfeersuchen geht hervor, dass die US-Strafverfolgungsbehörden gegen mehr Ex-Meinl-Banker ermitteln als bisher bekannt. Neben Weinzierl und drei weiteren Ex-Bankern steht auch Julius Meinl V. auf ihrer Liste. Julius Meinl war die Bank zuzuordnen, bis 2007 war er ihr Chef, 2019 hat er seine Funktion als Aufsichtsratschef zurückgelegt. Zudem ermitteln sie gegen etliche Brasilianer und Firmen, darunter die Meinl Bank Antigua (in Liquidation) und zwei Meinl-Bank-nahe Unternehmen. Für alle Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung, Weinzierl hat stets alle Vorwürfe zurückgewiesen. Der Rechtsanwalt von Julius Meinl V. war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Drehscheibe Antigua

Die Vorwürfe der US-Behörden (sie "überlappen" sich zum Teil mit jenen der WKStA, wie es in einem Schriftstück heißt): Die Beschuldigten sollen mit Odebrecht zwischen 2001 und 2016 Ausschreibungen von Infrastrukturprojekten vor allem in Südamerika gewonnen haben, indem sie Regierungsbeamte, Politiker und politische Parteien in Brasilien, Angola, Argentinien und weiteren Staaten mit zumindest 788 Millionen Dollar bestochen haben. Zur Verschleierung habe es ein Netzwerk von Firmen und Bankkonten gegeben, dabei seien mit Wissen von Verantwortlichen der Meinl Bank auch deren Konten verwendet worden.

Zwischen 2006 und 2016 hätten Verantwortliche des Instituts mehrere Scheintransaktionen mit Odebrecht zuzuordnenden Scheinfirmen und mithilfe von Scheinverträgen durchgeführt, die Meinl Bank habe dabei Gebühren in der Höhe von mehreren Millionen Dollar lukriert. In den Augen der US-Behörden, so erschließt sich aus den Unterlagen, habe es sich zwischen 2010 und 2015 praktisch bei allen Geldern, die die über die Meinl Bank Antigua flossen, um Schmiergelder von Odebrecht und Scheintransaktionen gehandelt. (Die Meinl Bank Antigua wurde von ihrer Mutter in Wien sukzessive verkauft.)

Agent soll Weinzierl in Falle gelockt haben

Um diese Vorwürfe ging es auch im Juni im Londoner Auslieferungsverfahren, in dem Weinzierls dortiger Anwalt am ersten Tag der Anhörung unter anderem die Darstellung im Indictment zurückwies, sein Mandant habe die Meinl Bank "kontrolliert". Zudem erklärte er, dass die von den Behörden besonders kritisch gesehene Transaktionen mit russischen und ukrainischen Kunden keine Scheingeschäfte gewesen seien.

Womit er, wie berichtet, besonders aufhorchen ließ: Ein Geheimdienstagent habe Weinzierl nach London in die Falle gelockt, indem er ihm vorgemacht habe, ihn dort zu einem Geschäftsessen treffen zu wollen. Kaum war Pilot Weinzierl in seinem Flieger auf dem Privatflughafen Biggin Hill gelandet, wurde er verhaftet. Die bei der Anhörung für die USA auftretenden Juristen haben diese Darstellung bestritten.

Weinzierl beantragt Einstellung

Der geheimnisvolle "Agent" war dann auch Thema bei der Einvernahme eines Ex-Meinl-Bankers, der auch auf der Beschuldigtenliste der WKStA und der USA steht. Er sagte, per Video zugeschaltet, aus, der Mann habe die Bank vorübergehend auch beraten und einst Interesse am Kauf der Meinl Bank Antigua geäußert. Er und Weinzierl hätten ihn öfter getroffen; er selbst habe die von ihm behaupteten Verbindungen zu Geheimdiensten aber zunächst nicht ernstgenommen. Was aus der Aussage auch hervorging: Der Ex-Meinl-Banker war unter anderem schon 2018 vom FBI einvernommen und zu den – auch von der hiesigen Aufsichtsbehörde FMA – hinterfragten Geschäfte der Privatbank mit Russen und Ukrainern befragt worden.

Im Verfahren der WKStA hat Weinzierls Rechtsanwalt Christof Dunst am 13. Juni einen Einstellungsantrag eingebracht, wie er auf Anfrage bestätigt. Der Tatverdacht habe sich nicht erhärtet, auch nicht nach Antworten auf Rechtshilfeersuchen aus Brasilien und der Schweiz. Auch weitere Ermittlungen würden nichts bringen, die seien eher eine "fishing expedition", wie es im Antrag sinngemäß heißt. Entschieden ist über ihn noch nicht.

Offene Rechtshilfeersuchen

Und: Die WKStA wartet noch auf Antworten auf Rechtshilfeersuchen an Antigua und Barbuda (gehört zum Staat Antigua) und hat zudem am 23. Mai die USA um Rechtshilfe ersucht. Die Sache könnte also noch dauern. (Renate Graber, 16.7.2022)