München/Barcelona – Robert Lewandowski genoss seinen finalen Auftritt als Profi von Bayern München in vollen Zügen. Seine Mitspieler spendeten ihm Applaus, er richtete ein paar Abschiedsworte an das Team – und nahm dann ein letztes Mal am Mannschaftstraining des deutschen Rekordmeisters teil. Lewandowski lachte, er war erleichtert und locker – dass das zähe Ringen um einen Transfer zum FC Barcelona endlich zum Erfolg geführt hatte, war ihm anzusehen.
Bestätigung vom FC Bayern
In der Nacht zu Samstag hatten mehrere Medien den öffentlich forcierten Wechsel des polnischen Goalgetters nach Spanien als perfekt vermeldet. "Lewa" erhält bei den Katalanen einen Dreijahresvertrag – und die Bayern die gewünschten 50 Millionen Euro.
"Der FC Barcelona hat am Ende eine Summe geboten, bei der ein Verkauf für uns absolut sinnvoll ist", sagte FCB-Vorstandschef Oliver Kahn der Bild-Zeitung. Während der Verhandlungen habe man "immer im Driver’s Seat" gesessen und "aus der Position der Stärke heraus agiert". Man sei nun überzeugt, dass es "das Beste" sei, "Robert die Freigabe zu erteilen".
Der FC Barcelona hat am Ende eine Summe geboten, bei der ein Verkauf für uns absolut sinnvoll ist", erklärte Kahn. Zudem habe man zuletzt sehr erfolgreich auf dem Transfermarkt agiert und in Sadio Mané einen absoluten Weltklassespieler für die Offensive verpflichtet. "Daher haben wir uns nun mit dem FC Barcelona geeinigt", sagte Kahn. "Bisher allerdings nur mündlich, das Vertragswerk steht noch aus."
45 plus fünf Millionen
Laut Medienberichten teilt sich die Summe in 45 Millionen fixe Ablöse plus mögliche Bonuszahlungen in Höhe von 5 Millionen auf. Lewandowskis Vertrag bis 2025 soll eine Option auf ein weiteres Jahr besitzen.
Am Samstagmorgen fuhr Lewandowski an der Säbener Straße vor. Er wolle sich von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie seinen Teamkollegen verabschieden, hieß es. Dass der Pole dann tatsächlich am Training teilnahm, war überraschend – insbesondere angesichts seines Verhaltens in den vergangenen Wochen. Beim Trainingsauftakt der aus dem Urlaub zurückgekehrten restlichen Nationalspieler hatte Lewandowski am vergangenen Mittwoch zwar pflichtbewusst mitgewirkt, dabei aber sein Desinteresse zur Schau gestellt.
Für die Münchner kommt die Einigung gerade rechtzeitig, die Zeit drängt: Der Rekordmeister stellte am Samstag sein Team offiziell in der Allianz Arena vor, am Montag folgt der Abflug zur Tour in die USA. Statt mit den Bayern nach Washington zu reisen, dürfte Lewandowski beim katalanischen US-Trip nach Miami mit an Bord sein. Zumindest vorerst nicht abheben wird jedoch nach Problemen mit dem Pass Trainer Xavi.
344 Treffer in 375 Spielen
Mit Lewandowski verlieren die Bayern ihren absoluten Torgaranten: Seit seinem Wechsel von Borussia Dortmund an die Isar 2014 erzielte er in 375 Spielen für die Münchner stolze 344 Treffer. In dieser Zeit wurde der Pole als erster Bayern-Profi zweimal Weltfußballer (2020 und 2021), gewann die Champions League (2020) und knackte mit 41 Treffern in der Saison 2020/21 den "ewigen" Bundesliga-Torrekord von "Bomber" Gerd Müller.
Doch ein echter Fanliebling wie sein kongenialer Offensivpartner Thomas Müller wurde er nie. Der FC Bayern, so schien es vielen, war Lewandowski immer nur Mittel zum Zweck – mehr Titel, mehr Tore, mehr Ruhm, mehr Geld. Vom Verein bekam er mehr als genug Wertschätzung, die Bosse würdigten ihn und seinen Beitrag zum Erfolg in salbungsvollsten Worten. Doch als sie sich um Juwel Erling Haaland als möglichen Nachfolger bemühten, kühlte die Beziehung merklich ab, bis es im Frühling zum Bruch kam.
Bei der Meisterfeier sprach Vorstandschef Kahn sein inzwischen berühmtes "Basta!" aus, die Bayern blieben zunächst stur, pochten auf Einhaltung des Vertrages bis 2023. Lewandowski sah sich gezwungen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen – und gab einige bemerkenswerte Interviews. "Meine Geschichte beim FC Bayern ist vorbei", sagte er am 30. Mai, und: "Ich hoffe, sie halten mich nicht auf, nur weil sie es können."
Verhandlungsmarathon
30 Millionen Euro, dann 32, später 40 Millionen inklusive zehn Millionen an Boni – Barca war zuvor mehrfach bei den Bayern abgeblitzt. Das "Basta!" von Kahn bröckelte sehr langsam, doch jetzt konnten die Münchner nicht mehr nein sagen. Zumal sie das Geld für ihre eigenen Bemühungen auf dem Transfermarkt dringend brauchten.
So dürfte mit den Lewandowski-Millionen nun Geld für den neuen Abwehrchef frei sein. Medienberichten zufolge ist der FC Bayern an einer Verpflichtung des niederländischen Nationalspielers Matthijs de Ligt von Juventus Turin interessiert. Der 22-Jährige soll eine Ablöse in Höhe von bis zu 70 Millionen Euro kosten.
Applaus für Gnabry
Am Nachmittag wurde Serge Gnabry in der Allianz Arena bei der Teampräsentation von rund 20.000 Zuschauern lautstark beklatscht. Er hatte seinen Vertrag bis 2026 verlängert. "Es ist etwas Besonderes, weil ich hier mit meinen Freunden auf höchstem Level zusammenspielen kann. Bei einem anderen Klub würde ich das sicher nicht so erleben", begründete Gnabry nach langen Verhandlungen und Spekulationen über einen Wechsel ins Ausland seine Entscheidung. "Der Hunger auf große Titel geht nicht weg."
Nagelsmann freute sich über Gnabrys "Ja" und sah im Abgang von Lewandowski "Herausforderung" und "Chance" zugleich. "Wir haben die Möglichkeit, einen FC Bayern zu bauen ohne einen Stürmer, der verlässlich 40 Tore schießt", sagte Nagelsmann im BR. "Grundsätzlich ist der Stürmermarkt jetzt nicht so gefüllt in Europa, dass man sagen kann, da kann man sich frei bedienen und da ist alles kostengünstig. Man weiß ja, dass die Stürmer, die die Qualität haben, ihn zu ersetzen, einen gewissen Preis auch haben, den wir nicht immer zahlen können." Nagelsmann rechnet nicht damit, dass der Klub noch einen zentralen Stürmer verpflichtet – wenngleich das natürlich nicht ausgeschlossen ist. (sid, APA, red, 16.7.2022)