"Man man kann das politische Verantwortung nennen", sagte Christopher Drexler über Sebastian Kurz' Rückzug aus der Politik.

Foto: APA/Erwin Scheriau

Der neue steirische Landeshauptmann Christopher Drexler (ÖVP) will die Bundesregierung und seinen ÖVP-Bundesparteichef Karl Nehammer angesichts der stark steigenden Energiepreise von der Notwendigkeit einer Strompreisdeckelung überzeugen. Er setzt auf Gespräche und spricht sich gegen ein Festhalten an Dogmen aus. Den Vorschlag von WIFO-Chef Gabriel Felbermayr, einen Teil der Stromrechnungen der Haushalte zu übernehmen, begrüßt Drexler.

Der steirische Landeshauptmann bekräftigt in Interviews mit "Ö1" und der "Wiener Zeitung", dass die Diskussion über einen Strompreisdeckel "als letzte Maßnahme" zu führen sei. Jede andere Maßnahme, die den Menschen das Leben und die Teuerungswelle erträglicher mache, sei ihm aber auch recht.

Auf die Frage, ob Nehammer seine ablehnende Haltung zu einem Deckel korrigieren werde müssen, verweist Drexler zunächst auf die Wirtschaftshilfen in der Pandemie, die man sich zuvor auch nicht vorstellen habe können, und sagt dann in der "Wiener Zeitung": "Daher braucht niemand auf Dogmen beharren. Es braucht sich niemand genieren, wenn man sich in der inhaltlichen Positionierung weiterentwickelt. Es braucht Dialog, Diskussion, pragmatischen Zugang auf die täglichen Herausforderungen."

Drexler sieht keine Obmann-Debatte

Dass er mit seinen Vorschlägen Nehammer ins Lenkrad gegriffen habe, sieht Drexler "überhaupt nicht" so. Er glaubt auch nicht, dass der Bundeskanzler und ÖVP-Bundesparteichef in seinen Funktionen gefährdet sei, nachdem die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner eine Führung durch die Regierung eingemahnt hatte. Dies sei nicht als Drohung oder gar als Beginn einer Obmann-Debatte zu werten, befand der steirische Landeshauptmann. Nehammer habe die ÖVP in einer schwierigen Phase übernommen und mache seine Sache "exzellent".

Von "Ö1" auf die Korruptionsvorwürfe gegen die ÖVP, türkise Politiker und auf die Zeit unter Sebastian Kurz angesprochen, strich Drexler einmal mehr den Unterschied zwischen strafrechtlicher und politischer Verantwortung heraus. Ob er eine solche politische Verantwortung bei Kurz sehe? "Ich respektiere seine Entscheidung, sich aus der Politik zurückzuziehen" erklärte Drexler. "Man man das politische Verantwortung nennen oder wie auch immer." Nun gehe es darum, "nicht über Gebühr diesbezüglich Vergangenheitsbewältigung zu betreiben."

Am Rande des Gesprächs gab Drexler übrigens auch eine indirekte Wahlempfehlung für Alexander Van der Bellen für die Hofburg-Wahl im Herbst ab. Vonseiten der ÖVP gibt es eine solche bekanntlich nicht. Van der Bellen sei ein "exzellentes Angebot" für Bürgerliche, so Drexler. Er selbst habe Van der Bellen bereits 2016 mehrmals gewählt: "Sie können davon ausgehen, dass ich mich nicht getäuscht habe."

Preisgipfel wäre "sehr sinnvoll"

In puncto Energiepreise begrüßte Drexler auch die Forderung des Wiener SPÖ-Bürgermeisters Michael Ludwig nach einem Preisgipfel: "Ja, der Dialog, das Gespräch ist wichtig. Ich brauche nicht gleich alles als Gipfel bezeichnen, aber Gesprächsrunden wären sehr sinnvoll."

Positiv bewertet Drexler auch den Vorschlag von WIFO-Chef Felbermayr, den Haushalten einen Teil ihres Strombedarfs zu günstigeren Konditionen zukommen zu lassen, aber für den Rest die hohen marktwirtschaftlichen Preise zu verlangen. Die Diskussionen darüber seien "durchaus erfolgversprechend", meinte der steirische Landeshauptmann.

Ähnlich argumentierte zuletzt auch der neue Tiroler ÖVP-Obmann Anton Mattle. Auch er kann sich vorstellen, einen Sockelbetrag zu unterstützen, der bei einer Standardgröße verbraucht wird. "Alles, was darüber hinausgeht, ist zu bezahlen". Mattle würde aber angesichts der spezifischen Tiroler Situation beim Gas und nicht beim Strom hinsichtlich eines Preisdeckels ansetzen.

Harsche Kritik von FPÖ und SPÖ

Die Opposition bekräftigte unterdessen die Kritik an der Regierung. Angesichts der hohen Spritpreise warf FPÖ-Obmann Herbert Kickl der Koalition vor, die Autofahrer an den Zapfsäulen "bluten" zu lassen und den Mineralölkonzernen Rekordgewinne zu beschweren. Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) hofiere die Mineralölfirmen anstatt einen Preisdeckel einzuführen, meinte Kickl in einer Aussendung.

SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner forderte, die Sprit-Steuern zu senken und die schon auf den Herbst verschobene Einführung der CO2-Bepreisung weiter zu verschieben. Für Rendi-Wagner wäre es "unklug und zynisch", die Preise mit einem solchen weiteren Kostenfaktor weiter zu erhöhen. Deshalb solle die CO2-Bepreisung heuer auf keinen Fall eingeführt werden. Dem Argument, dass die CO-2-Bepreisung aus Klimaschutz-Gründen notwendig sei, kann Rendi-Wagner im "profil" wenig abgewinnen: "Die dringendste Aufgabe muss jetzt sein, eine soziale und wirtschaftliche Krise zu verhindern. Es braucht Klimapolitik mit Pragmatismus." (APA, red, 16.7.2022)