Kein Händeschütteln, dafür Fist bump: US-Präsident Joe Biden bei Mohammad Bin Salman in Jeddah.

Foto: AP/Saudi Press Agency

Ein Faustgruß, ein fester Blick in die Augen, kein Lächeln: Sowohl US-Präsident Joe Biden als auch der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman wählten bei ihrem ersten Zusammentreffen in Jeddah vor den Augen der Weltöffentlichkeit eine gesichtswahrende Reserviertheit. Über die Vorgeschichte konnten und wollten sie sich nicht hinüberschwindeln. Im Gespräch – das mit drei Stunden viel länger als geplant dauerte, so schlecht also nicht gelaufen sein kann – packten sie den Stier bei den Hörnern. Die perverse Ermordung des saudischen Publizisten Jamal Khashoggi im saudiarabischen Generalkonsulat in Istanbul im Oktober 2018 durch Schergen des Regimes wurde nicht ausgespart.

Einen Konsens, ob es dazu einen Auftrag gab oder das Ganze ein bedauerlicher, vom Kronprinzen nicht gewollter Unfall war, konnte es natürlich nicht geben. Dass MbS, wie der Kronprinz abgekürzt genannt wird, nach dem Treffen mit Biden die Tötung der palästinensischen Journalistin Shireen Abu Akleh, mutmaßlich durch israelische Kugeln, und die US-Folterungen im irakischen Gefängnis Abu Ghreib in die Meinungsschlacht warf, deutet nicht auf Einlenken hin.

Rein politische Versöhnung

Es ist eben nur eine rein politische Versöhnung. Und bei der Begegnung mit König Salman, dem Vater des Kronprinzen, sah man den vorsichtige Biden – laut seiner Delegation ist der Faustgruß der Covid-Pandemie geschuldet – dann doch wieder beim Händeschütteln. Wie übrigens auch in Israel. Ein Shakehand-Foto mit MbS wollte Biden nicht. Freunde werden sie wohl nicht mehr.

Über Bidens Anspruch der wertebasierten amerikanischen Außenpolitik haben Pragmatismus und Realpolitik gesiegt. Das Programm der Reise, als deren Anlass dem US-Präsidenten der arabische Gipfel von Jeddah diente, lässt sich in folgendem Satz von Samstag zusammenfassen: "Wir werden im Nahen Osten kein Vakuum hinterlassen, das von Russland und China gefüllt wird." Man könnte einwenden, dass dieses US-Vakuum längst da ist, Folge einer Entwicklung, die spätestens unter Barack Obama, also vor einem guten Jahrzehnt, begonnen hat.

Ein paar Jahre, bevor Biden die Saudis wegen des Khashoggi-Mords "Paria" schimpfte, nannte sie Obama sicherheitspolitische "Trittbrettfahrer". Und man sollte auch nicht die Entfremdung nach den Attentaten vom 11. September 2001, verübt von vorwiegend saudi-arabischen Tätern, vergessen. Präsident George W. Bush besuchte erst gegen Ende seiner Präsidentschaft das Königreich. Nur Donald Trump war das alles egal, solange die Kasse stimmte.

Die großen Brocken bleiben

Die großen Überraschungen bei Bidens Aufenthalt in Jeddah blieben zumindest bis Samstagnachmittag aus: Ja, dass der saudische Luftraum jetzt für Flüge aus Israel geöffnet ist, ist eine wunderbare Sache, und die letzten Hürden gegen die Übergabe der Inseln Tiran und Sanafir von Ägypten an Saudi-Arabien werden fallen, wozu man laut israelisch-ägyptischem Friedensvertrag auch die Zustimmung Israels braucht. Kleine, aber signifikante Schritte. Aber die großen Brocken bleiben, und die sind innerhalb und außerhalb der Region angesiedelt.

Saudi-Arabien, von dem 2002 das Friedensangebot der Arabischen Liga an Israel stammte, bleibt bei seinen Forderungen, was die Palästinenser betrifft. Eine Zwei-Staaten-Lösung will auch Biden, aber er ist nicht bereit, dafür einen Finger zu rühren. Viel war auch von einer integrierten israelisch-arabischen Luftverteidigungsallianz gegen den Iran die Rede gewesen. Überraschend deutlich kam die Absage aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE): Kooperation ja, aber nicht gegen ein Land in der Region. Offenbar überlegt Abu Dhabi, um die Beziehungen zu verbessern, die Entsendung eines Botschafters nach Teheran. Auch die saudisch-iranische Gesprächsschiene läuft weiter, ohne Amerikaner.

Eigentlich reicht es zu lesen, was die USA und Saudi-Arabien in ihrem gemeinsamen Statement zum Punkt Ukraine sagen – oder besser, nicht sagen: Es hat nicht einmal zu einem Aufruf zum Frieden gereicht. Die Saudis berücksichtigen den russischen Standpunkt mindestens so wie jenen Washingtons, und dabei wird es vorerst bleiben. Das amerikanische Zeitalter im Nahen Osten ist zu Ende. (Gudrun Harrer, 16.7.2022)