Elon Musk vs. Twitter: Wer zuletzt lacht, ist längst noch nicht gesagt.

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Es war eine Eskalation mit Anlauf. Bereits in den vergangenen Wochen hatte sich immer deutlicher abgezeichnet, dass der vor einigen Monaten von Tesla-Chef verkündete Twitter-Kauf in einem Rechtsstreit enden dürfte. Gaben doch beide Seiten zunehmend Statements von sich, die eher an ein Gericht als an die breite Öffentlichkeit gerichtet schienen.

Ein Ausstieg, der nicht so einfach ist

Vor einer Woche war es dann so weit: Elon Musk verkündete den "Ausstieg" aus dem Vertrag mit Twitter. Die Reaktion kam nicht minder prompt: Die Betreiber des Kurznachrichtendiensts kündigten umgehend Klage gegen den Tesla-Chef an. Dieser habe einen bindenden Vertrag unterzeichnet, aus dem man nicht so einfach "aussteigen" könne, insofern müsse er den 44-Milliarden-Dollar-Deal durchziehen.

Mittlerweile wurde die offizielle Klageschrift eingereicht, und diese zeigt: Twitter war offenbar bereits gut auf den Schritt von Musk vorbereitet. Und dabei bedient man sich eines durchaus interessanten Arguments: Gleich an 13 Stellen werden Tweets von Musk als Beweismittel angeführt.

Wechselseitig Vorwürfe

Die Argumentation: Nicht Twitter, sondern Musk verstoße die gesamte Zeit gegen die Abmachung. Gehört dazu doch auch, dass er keine abwertenden Bemerkungen über das Unternehmen machen darf. Wenn der Nun-doch-wieder-nicht-Möchtegernkäufer also auf einen Tweet von Twitter-Chef Parag Agrawal – wie es tatsächlich passiert ist – mit einem Kackhaufen-Emoji reagiert, so sei dies ein klarer Verstoß.

Musk selbst führt eine angeblich viel höher als von Twitter öffentlich zugegebene Zahl an Fake-Accounts als Grund für seinen Rückzug an. Dabei wirft er Twitter auch vor, nicht auf seine Anfragen reagiert zu haben. Das sieht man bei Twitter anders, vielmehr sei es so, dass Musk ihm angebotene Treffen zur Erklärung der Zahlen nicht wahrgenommen habe. Zudem seien ihm in den vergangenen Wochen Unmengen an Informationen zur Verfügung gestellt worden.

Viele Nebelgranaten

Unterdessen betonen Experten wie der auf Finanzrecht spezialisierte Rechtsanwalt und Bloomberg-Autor Matt Levine, dass die Chance, dass Musk mit diesem Argument Erfolg hat, ziemlich gering ist. Selbst wenn die von Twitter genannten Zahlen zu Bots falsch wären, müsste es einen "materiellen Unterschied" geben, um über diese Argumentation aus einem Vertrag zu kommen.

Ebenso vielfach missverstanden ist eine Bemerkung im Vertrag, die eine Strafe von einer Milliarde Dollar bei Nichtzustandekommen des Deals vorsieht. Diese sei dafür gedacht gewesen, falls es Musk nicht gelingen sollte, die Finanzierung aufzustellen. Das heißt aber nicht, dass er einfach mit einer Strafzahlung in dieser Höhe nach Belieben aus dem Vertrag aussteigen kann. Ein bindender Vertrag bleibe ein bindender Vertrag, sonst wäre das gesamte Unternehmensrecht bald nichts mehr wert.

Strafe

Das heißt auch, dass es für Musk deutlich teurer werden könnte. Bei Twitter wird man wohl argumentieren, dass die Aktionen von Musk dem Unternehmen massiv geschadet haben. So haben mittlerweile zahlreiche Angestellte das Unternehmen verlassen, die Aktie hat stark nachgegeben. Das zwar auch durch die allgemeine Marktsituation, die aktuellen Unbilden verstärken dies aber noch. Dieses Geld wird man wohl von Musk einfordern – und da ist man dann schnell im zweistelligen Milliardenbereich.

Insofern geht es Musk wohl auch gar nicht um die Bots, vielmehr steckt der Versuch dahinter, Twitter mit so vielen Anfragen zu überhäufen, dass man dort nicht mehr mit dem Antworten nachkommt. Das wäre dann nämlich wirklich ein Verstoß gegen das Vertragsrecht.

Auf Zeit spielen

Unterdessen setzt Musk noch auf einen anderen Faktor: Zeit. So wollen seine Anwälte nun eine Verschiebung des Verfahrens erreichen. War dieses ursprünglich – grob – für Mitte September anvisiert, sprechen die Anwälte nun von einem "unverhältnismäßig schnellen Verfahren" und wollen erreichen, dass eine Anhörung nicht vor Februar 2023 stattfindet.

Das würde den Druck auf Twitter erhöhen, immerhin schadet die aktuelle Unsicherheit vor allem dem Betreiber des Kurznachrichtendiensts, dessen Zukunft komplett unklar bleibt, und dem wohl immer stärker langjährige Mitarbeiter davonlaufen werden. Musk hofft also wohl auf einen Vergleich mit Twitter – und zwar einen, bei dem der Ausstiegspreis möglichst niedrig bleibt. Zumal Twitter natürlich auch nur begrenztes Interesse daran haben kann, sein Unternehmen an jemanden zu verkaufen, der das gar nicht will. (red, 17.7.2022)