Die hohen Temperaturen machen auch britischen Wasserreservoirs zu schaffen.

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Die brutale Hitze hat auch die Insel erreicht: Dieser Tage sollen die Temperaturen auf bis zu 41 Grad steigen und damit den Rekord von 38,7 aus dem Jahr 2019 deutlich übertreffen. Für weite Teile Englands hat der Wetterdienst Met Office erstmals eine "rote Warnung" ausgegeben: "Es besteht Gefahr für Leib und Leben selbst für Gesunde."

Ventilatoren gelten auf den britischen Inseln derzeit als Verkaufsschlager.
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Es werde "heißer als in der Sahara", verkündete das Boulevardblatt "Sun". Von "grimmiger Hitze" schrieb der "Guardian". Die Hitze werde "das Land zum Stillstand bringen", prophezeite der "Telegraph". Immerhin stehe, beruhigte der "Express", "nicht das Ende der Welt" bevor.

Davon kann schon deshalb keine Rede sein, weil weite Teile von Wales, Nordirland und Schottland bisher von der Hitzewelle verschont geblieben sind. Im Norden der Insel klagen Gastwirtschaft und Hotels sogar über allzu kühle Temperaturen und jenen Regen, der in England seit Wochen Mangelware ist und wo privatisierte Wasserunternehmen schon zu kürzerem Duschen und gezielterer Gartenbewässerung raten.

Krisenmanagement

Fast täglich tagt der Krisenstab der Regierung unter Leitung von Kabinettsbürominister Kit Malthouse. Sein Noch-Chef, Premier Boris Johnson, agiert ausnahmsweise einmal als Vorbild: Sogar die konservative Regierung, sonst dem Homeoffice eher abgeneigt, riet nun dazu, unnötige Trips zu vermeiden und von daheim aus zu arbeiten.

Ähnliche Parolen gaben der Bahnbetreiber Network Rail sowie die Londoner Verkehrsbehörde TfL aus: Reisende müssten mit stark eingeschränktem oder verlangsamtem Verkehr rechnen, denn die Infrastruktur auf der Insel sei nicht auf die aktuellen Temperaturen ausgelegt – man befürchte verbogene Gleise und überhitzte Zugmotoren. Die Verkehrsbehörde warnte vor schmelzendem Teer auf den Straßen.

Kurz vor den Sommerferien sollen die Schulen zwar geöffnet bleiben – viele Bezirke aber haben den Eltern freigestellt, ihre Kinder schon mittags abzuholen anstatt wie normalerweise erst nachmittags. "Wir machen viel im Garten, die Fenster sind weit offen, die Kinder sollen Spaß haben", erzählt eine Nordlondoner Primarschullehrerin.

"Im Schatten bleiben"

Auch andere eigentlich Hauptbetroffene der Hitzewelle ließen sich von den düsteren Warnungen nicht beirren. Eine Gruppe von Pensionisten aus der Grafschaft Essex reiste vergnügt zur Mittagszeit in die Metropole, um sich einer Besichtigung ihrer Hauptstadt hinzugeben. "Ich versuche halt, immer schön im Schatten zu bleiben", umreißt Stadtführer Owen Joseph seine Strategie. Außerdem erzählt der Londoner seinen Besuchern eine warnende Geschichte: In der auch schon beträchtlichen Hitze gegen Ende vergangener Woche hatte sich ein beleibter, älterer Besucher allzu begeistert seiner Portion Fish and Chips gewidmet: Ein Kreislaufkollaps bereitete dem fettigen Festmahl ein jähes Ende. (Sebastian Borger aus London, 18.7.2022)