Rund 70 Millionen Tonnen Methan entweichen jährlich aus Müllhalden. Im Bereich der Abfallwirtschaft gibt es großes Einsparungspotenzial, schon die Abdeckung mit einer Schicht Erde würde die Emissionen eindämmen.
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Wir stehen aktuell bei etwa 1,2 Grad Celsius. Um diesen Wert hat sich die Erde seit Beginn des industriellen Zeitalters bereits erwärmt, mit wesentlicher Mithilfe des Menschen. Langfristig gibt es nur eine Maßnahme, um den Klimawandel einzudämmen: die starke Reduktion der weltweiten Kohlendioxidemissionen, die für die Erderwärmung hauptverantwortlich sind. Doch CO2 ist keineswegs das einzige Treibhausgas, das an der Klimakurbel dreht. Insbesondere das lange Zeit unterschätzte Methan (CH4) fällt ins Gewicht, es ist die zweitgrößte Klimagefahr. Nach Angaben des Weltklimarats ist Methan für rund 0,5 Grad der bisherigen Erderwärmung seit 1880 verantwortlich.

"CO2 ist das Hauptproblem, das wir lösen müssen, das dürfen wir nie aus den Augen verlieren", sagt Euan Nisbet von der Royal Holloway University of London, der seit Jahrzehnten zum menschengemachten Klimawandel forscht. "Nur leider haben wir darüber völlig auf Methan und seine Besonderheiten vergessen. Im Moment ist es das, was uns die Einhaltung der Pariser Klimaziele kosten könnte." Der 2015 geschlossene Klimavertrag von Paris sieht vor, die Erderwärmung auf unter zwei Grad Celsius zu begrenzen – ein Ziel, dessen Erreichung längst von vielen Expertinnen und Experten bezweifelt wird.

Das Methan-Paradox

Doch es gibt noch Hoffnung. Der Einfluss des Menschen auf den Methanausstoß ist viel größer als lange Zeit angenommen. Und das ist paradoxerweise eine gute Nachricht, denn viele Methanquellen unserer Zivilisation ließen sich schnell und einfach beseitigen oder wenigstens eindämmen – mit einem raschen positiven Effekt. Methan ist kurzfristig etwa 80-mal klimaschädlicher als Kohlendioxid, wird in der Atmosphäre aber auch viel schneller wieder abgebaut. Während freigesetztes CO2 das Klima über Jahrhunderte hinweg beeinflusst, ist CH4 schon nach weniger als zehn Jahren wieder verschwunden. Würde es also gelingen, den Methanausstoß schnell zu verringern, könnte auch sein erwärmender Effekt rasch abnehmen. Was ist also zu tun?

Rund 600 Millionen Tonnen Methan werden jährlich freigesetzt (Tendenz steigend), etwa 60 Prozent davon gehen auf menschliche Aktivitäten zurück. Der größte Anteil entfällt auf fossile Brennstoffe und die Landwirtschaft, aber auch aus Mülldeponien entweichen große Mengen des Gases. Das Einsparungspotenzial für jeden dieser Bereiche ist enorm – und nicht ansatzweise ausgeschöpft.

Im Bereich der fossilen Industrie ließen sich viele Methanemissionen leicht einsparen. Dazu bräuchte es klarere Vorschriften, sagen Expertinnen und Experten.
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Allein durch Gas, Öl und Kohle entweichen jährlich mindestens 120 Millionen Tonnen Methan. Hier schlägt besonders das Erdgas zu Buche, dessen Hauptbestandteil Methan ist: Undichte Pipelines, fehlende Überwachung, aber auch die absichtliche Freisetzung bei Wartungs- und Reparaturarbeiten sind enorme Emittenten. Forscherinnen und Klimaschützer warnen seit langem, dass dieses Problem viel zu wenig berücksichtigt wird.

Dringend nötige Regulierung

Auch bei der Ölförderung, bei Bohrungen und im Kohlebergbau entweichen erhebliche Mengen CH4, zumeist völlig ungehindert. Dabei ist Methan im Gegensatz zu Kohlendioxid selbst ein Energieträger – es ungenutzt ausströmen zu lassen und damit auch noch die Erderwärmung anzuheizen entbehrt nicht nur in Zeiten von Gasknappheit und explodierenden Energiepreisen jeder Logik.

Sollte man meinen: Für Unternehmen sei es nach wie vor profitabler, neue Öl- und Gasbohrungen durchzuführen, als in die Kontrolle von Gaslecks zu investieren, selbst wenn auch dies Gewinne bringen würde, sagt Lena Höglund-Isaksson vom Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse in Laxenburg. Technologische Lösungen zur Eindämmung der Emissionen bei der fossilen Förderung gebe es längst, es scheitere aber an der breiten Implementierung, sagt die Expertin. "Dieser Sektor wird nicht von sich aus sauberer werden." Strenge gesetzliche Vorschriften in diesem Bereich könnten viel bewirken.

In der Landwirtschaft sind schnelle Methanrückgänge zwar schwieriger zu erreichen, aber auch hier gibt es viel Einsparungspotenzial. Am meisten würde ein Rückgang der Fleisch- und Milchproduktion bringen, immerhin werden jährlich 115 Millionen Tonnen Methan allein von Wiederkäuern ausgeschieden. Änderungen des Konsumverhaltens von heute auf morgen sind aber unrealistisch, in einigen Weltregionen ist die Viehwirtschaft zudem eine unverzichtbare Nahrungsquelle für eine verarmte, schnell wachsende Bevölkerung.

Klimafaktor Abfallgas

Doch es gibt noch andere Hebel, sagt Klimaforscher Nisbet: Anpassungen beim Reisanbau und ein Ende der Brandrodungen im tropischen Regenwald würden einen signifikanten Rückgang beim Methanausstoß bewirken. Noch unkomplizierter ließen sich laut Nisbet Erfolge in der Abfallwirtschaft erzielen, gerade in Weltgegenden, in denen die Emissionen im Steigen begriffen sind. Rund 70 Millionen Tonnen Methan entweichen jährlich aus Müllhalden. In der EU gibt es Vorschriften gegen die Ablagerung organischer Abfälle auf Deponien, Abfallgas wird nach Möglichkeit als Energiequelle verwertet. In vielen Ländern Afrikas und auf dem indischen Subkontinent wachsen Mülldeponien hingegen nahezu unkontrolliert.

Um diese Emissionen zu verringern, wäre in einem ersten Schritt schon eine einfache Abdeckung mit einer Schicht aus Erde wirkungsvoll, sagt Euan Nisbet. "Das wäre schnell und günstig machbar und würde auch die Luftqualität enorm verbessern." Langfristig sollte gerade am Rande von Megacitys in moderne Abfalltechnik investiert werden, dabei sollte auch die Weltgemeinschaft helfen. "Davon würden wir alle profitieren." (David Rennert, 24.7.2022)