Der ukrainische Präsident trennt sich von langjährigen Weggefährten.

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Dass die Antoniwkabrücke noch steht, sorgt in Kiew für Kopfschütteln. Sie ermöglicht es, den Dnepr-Fluss im Landessüden bei der Stadt Cherson zu überqueren – dies taten auch die russichen Invasoren und nahmen Cherson nach Kriegsbeginn zügig ein. Dass die Brücke nicht gesprengt wurde, um den Vormarsch zu stoppen, ist einer von jenen Fehlern, die Iwan Bakanow und seiner Behörde – dem ukrainischen Inlandsgeheimdienst SBU – zugeschrieben werden.

Nun hat Präsident Wolodymyr Selenskyj seinen langjährigen Weggefährten und Schulfreund – sie arbeiteten einst gemeinsam in der Unterhaltungsbranche – suspendiert. Er habe zu wenig gegen Beamte unternommen, die mit Russland kollaborieren. Ein bekanntes Beispiel ist ebenjener General, der den SBU in Cherson leitete und Moskau den raschen Einmarsch ermöglicht haben soll.

Vorwurf der Kollaboration mit russischen Stellen

Seit Jahren gilt der SBU mit seinen mehr als 30.000 Mitarbeitern für Korruption und Unterwanderung als anfällig. Selenskyjs Reformversprechen gingen in Leere. Bakanow galt unter Kritikern als zu unerfahren. Schon seit Wochen rumorte es, dass ein Personalwechsel anstehe. Es ist einer der ersten seit Kriegsbeginn, aber nicht der einzige: Selenskyj suspendierte am Sonntag auch seine Vertraute, die Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa, aus ebendiesem Grund.

Insgesamt gebe es 651 Verfahren gegen Mitarbeiter beider Behörden wegen Hochverrats. Mehr als 60 von ihnen bei SBU und Staatsanwaltschaft seien zudem in den russisch besetzten Gebieten geblieben und kollaborierten nun mit dem Feind. Dies werfe ernsthafte Fragen an die Behördenleiter auf, so Selenskyj. Die jeweiligen Stellvertreter übernehmen nun das Ruder.

EU kündigt weitere 500 Millionen Euro für Waffen an

Indes hat die EU angekündigt, weitere Waffen im Umfang von 500 Millionen Euro an die Ukraine zu liefern. Das haben Ratspräsident Charles Michel und Außenbeauftragter Josep Borrell am Montag am Rande des EU-Außenministertreffens bestätigt. Das Volumen des seit Kriegsbeginn gelieferten Materials steigt damit auf 2,5 Milliarden Euro, die aus dem regulären EU-Budget finanziert werden. Das reicht von Helmen bis hin zu Panzerabwehrkanonen. Österreich trägt seinen Anteil mit rund 70 Millionen Euro bei.

Zudem wird die EU die Sanktionen erweitern, wobei ein Gasembargo mangels Einigkeit nicht darunter ist. Neben weiteren Personen und Firmen im Umfeld der russischen Führung stellt die EU nun den Import von Gold aus Russland unter Embargo, Technologie und zivile Produkte, die für den Kriegseinsatz verwendet werden können. Dies war beim EU-Gipfel beschlossen worden. Borrell räumte ein, dass einige Staaten am Sinn der Sanktionen zweifelten, was er für falsch hält.

Owsjannikowa protestierte erneut

In Moskau wurde am Sonntag indes die Journalistin Marina Owsjannikowa verhaftet und tags darauf wieder freigelassen. Die Ex-Redakteurin des Staatsfernsehens hatte im März Bekanntheit erlangt, nachdem sie in einer Livesendung ein Protestplakat in die Kameras gehalten hatte. "Gegen mich wurde zum wiederholten Male ein Verfahren wegen Diskreditierung der Armee eingeleitet", erklärte Owsjannikowa nun.

Grund sei ein Interview anlässlich der Verhaftung des Oppositionellen Ilja Jaschin. Darin hatte sie den Ukraine-Krieg als "größtes Verbrechen des 21. Jahrhunderts" bezeichnet. Zudem zeigte sie nahe dem Kreml ein Plakat mit der Aufschrift "Putin ist ein Mörder". Bei strafrechtlicher Verfolgung würden ihr bis zu 15 Jahre Haft drohen. Bislang wurden aber nur Ordnungswidrigkeiten registriert, weshalb eine Geldstrafe wahrscheinlich ist.

Gazprom macht "höhere Gewalt" für Lieferausfall verantwortlich

Russlands Gasriese Gazprom hat gegenüber dem deutschen Uniper-Konzern bisherige Gaslieferausfälle mit einem durch "höhere Gewalt" verursachten Notfall erklärt. Uniper wies die Begründung sofort als falsch zurück. (Flora Mory, Thomas Mayer, Thomas Maier, 19.7.2022)